Dieses Buch gibt den Frauen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, endlich eine Stimme
"Das ganze Volk ist betrogen und hintergangen worden!" (Erdmuthe)
Christian Hardinghaus, Historiker und Autor von Krimis und Sachbüchern, hat nach seinem letzten Buch „Die verdammte Generation“, in dem die
letzten männlichen Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zu Wort gekommen sind, nun 13 Frauen dieser…mehrDieses Buch gibt den Frauen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, endlich eine Stimme
"Das ganze Volk ist betrogen und hintergangen worden!" (Erdmuthe)
Christian Hardinghaus, Historiker und Autor von Krimis und Sachbüchern, hat nach seinem letzten Buch „Die verdammte Generation“, in dem die letzten männlichen Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zu Wort gekommen sind, nun 13 Frauen dieser Generation die vermutlich letzte Möglichkeit gegeben, über ihre Erlebnisse zu sprechen.
Noch 75 Jahre nach Kriegsende ist es nicht leicht, über die traumatischen Ereignisse zu sprechen. Umso mehr muss man den Frauen, alle zwischen 90 und 100 Jahre alt, danken und Respekt zollen, dass sie zu Christian Hardinghaus Vertrauen gefasst und über Flucht und Vertreibung, Bombenangriffe, schwanger sein im Dritten Reich sowie über die allgegenwärtige Angst vor Vergewaltigung und Tod, gesprochen haben.
Bevor sich der Leser den 13 Frauen widmen kann, gibt es einführende Kapitel. Wie es sich für einen Historiker gehört, sind diese sehr sachlich, kompetent und nicht wertend verfasst. Diese Einführung ist notwendig, um den Lesern von heute die Zu- und Umstände von damals näher zu bringen. Oft wird nämlich, mit dem Wissen von heute, der Generation unserer Großeltern und Eltern der Vorwurf gemacht, nicht bzw. Nicht genügend gegen die NS-Diktatur eingetreten zu sein. Für uns, die wir seit 1945 in Frieden leben, ist es, schwer nachzuvollziehen, wie es damals wirklich war.
In vier großen Kapiteln, von denen die ersten beiden eben die Zeitgeschichte erklären, nehmen wir Anteil an den Biografien der 13 Frauen.
Die Angst der Deutschen vor der Erinnerung
Frauen im Zweiten Weltkrieg: verführt, verbraucht, verraten und vertrieben
Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten
Bombenkrieg gegen Deutschland
Auch Kapitel 3 und 4 beginnen jeweils mit einer Einleitung, die den historischen Kontext beleuchtet.
Dann kommen die betagten Damen zu Wort, die schier Unglaubliches erlebt haben. Sei dass sie, nach 1945 aus ihrer Heimat, dem ehemaligen Protektorat Böhmen und Mähren, innerhalb weniger Stunden brutal vertrieben worden sind, obwohl ihre Familien seit mehreren Generationen dort ansässig waren oder sei es, dass vor der einmarschierenden Sowjetarmee flüchteten.
Nicht minder dramatisch sind die Schilderungen jener, die in Städten wie Hamburg oder Dresden die Flächenbombardements der RAF und USAAF miterleben mussten.
"Ich musste meinem Vater versprechen, dass ich immer nur in Hochbunkern Schutz suche. Die hielt mein Vater für sicher." (Lore S.244)
Eindrucksvoll erzählen die 13 Frauen, wie eng Tod und Überleben nebeneinanderliegen - oft genügen wenige Meter oder ein paar Minuten.
Zwischen den Berichten erklärt der Autor historische Zusammenhänge und technische Details wie z.B. das physikalische Phänomen des Entstehens eines Feuersturms wie bei der „Operation Gomorrha“ (Bombardierung von Hamburg).
Obwohl die Frauen dieser Zeit Unglaubliches geleistet und erlebt haben, sind diese Schicksale von den Historikern bislang kaum untersucht worden. Nur gelegentlich nimmt sich die Frauenforschung dieses Themas an, wie z.B. Margarete Dörr in ihrem Buch „Durchkommen und Überleben“ oder Sabine Bode mit ihren Büchern zur generationenübergreifenden Traumaforschung, aber sonst?
Diese Lücke in der Geschichtsforschung, wie Frauen im Zweiten Weltkrieg vom Regime verführt, verbraucht, verraten und von den Siegern vertrieben worden sind, versucht Christian Hardinghaus mit diesem Buch zu füllen. Leider bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, denn die bewegten Leben der Zeitzeuginnen neigen sich ihrem Ende zu. Einige haben die Fertigstellung des Buches leider nicht mehr erlebt, andere hingegen können ihre Erinnerungen an die Zeit des NS-Staates noch lesen, obwohl sie dieses gar nicht bedürfen, denn diese Jahre haben sich unauslöschlich in die Psyche eingebrannt. Manche von den Überlebenden zittern heute noch, wenn eine (Feuerwehr)Sirene ertönt.
Hut ab und ein herzliches Danke an die 13 Frauen für ihre sehr persönlichen Erzählungen.
Fazit:
Mit diesem Buch hat Christian Hardinghaus allen jenen Frauen eine Stimme verliehen, die nicht in der Lage waren oder sind, über die alltägliche Gewalt an Frauen und Kindern im Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Das Buch verdient volle 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.