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Um mit der Wahrheit ins Haus zu fallen: Wir dürfen dieses Buch (Werner Paravicini: "Die Wahrheit der Historiker". R. Oldenbourg Verlag, München 2010. 94 S., geb., 29,80 [Euro]) nicht rezensieren.
Werner Paravicini, der langjährige Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris, hat gelehrten Ruhm mit Forschungen über die inner- und gemeineuropäischen Kreuzzüge gegen die heidnischen Urpreußen erworben und ist selbst zum Kreuzzügler geworden. Er zieht zu Felde gegen die Wahrheitsvergessenheit seiner zum Konstruktivismus bekehrten Fachgenossen. Das Motto der Streitschrift könnte lauten: Clio vult! Die Muse der Geschichtsschreibung hat nicht viel übrig für bestrickende Erzähler, die pikante Anekdoten im Zweifel erfinden. Diese Herren mögen sich bitte an ihre Schwestern halten. Klio will die Wahrheit in Erfahrung gebracht sehen und liebt daher die tapferen Arbeiter, die hinaus ins feindliche Archiv gehen und nicht wissen, ob sie vor Erreichen der Emeritierungsgrenze zurückkehren werden.
Paravicini demonstriert, dass der Historiker selbst in einer Abhandlung zur Methode aus einer Überfülle von Belegen schöpfen kann. Sein Büchlein hat zehnmal so viele Anmerkungen wie Textseiten. Leider hat der Verlag der "Historischen Zeitschrift" sich durch Paravicinis Klage über die Verbannung der Fußnoten im modernen Buchwesen nicht beeindrucken lassen; unten auf den Seiten wäre augenfällig geworden, dass die 380 Anmerkungen das Fundament der Argumentation sein sollen. Sie bieten den Grundstoff historischer Darstellungen: vermischte Meldungen, faits divers, Zeitungsnotizen - fast ausschließlich aus dieser Zeitung.
Der Autor will für seine erkenntnistheoretische Botschaft, dass man den alten Ranke noch nicht für tot erklären soll, wissenssoziologische Evidenz schaffen. Er deutet die Ausbreitung der Überzeugung, dass der Historiker es nicht mit Sachen und Ereignissen zu tun habe, als Mode, die von den Produktionsbedingungen heutiger Wissenschaft begünstigt wird. Die Verlagerung der Aktivität von Monographien und Editionen auf Studienbücher und Projektanträge macht den praktizierenden, das heißt heute: den von der Praxis abgelenkten Historiker empfänglich für die Offenbarung, dass er nichts finden kann, sondern erfinden muss. In unseren Berichten aus dem Tagungsunwesen im weiten Feld der Exzellenz entdeckte Paravicini die Apologie einer Alltagsvernunft, die den Vorwurf der Naivität nicht scheut, wenn sie erwartet, dass Historiker sich um die Klärung tatsächlicher Zusammenhänge bemühen. Und so erscheinen neben verewigten und lebenden Klassikern wie Burckhardt, Huizinga, Heimpel und Esch Autoritäten wie Kaube, Geyer, Jäger, Jungen und Hirschi, Friederike und Edo Reents sowie Wolfgang Joop im Gespräch mit Swantje Karich. Aus der allerersten Ausgabe dieser Zeitung wird die Absicht zitiert, eine "neue Art Zeitung" zu schaffen. "Für sie müsste die Wahrheit der Tatsachen heilig sein."
An dieser Stelle müsste eine Rezension ansetzen und eine Historisierung des Wahrheitsbegriffs anmahnen. Aber wir dürfen sie nicht schreiben, um nicht den Verdacht zur Gewissheit zu machen, auch uns gehe es - gemäß dem Hinweis in Anmerkung 32 auf Bahners 2009 - mehr um Netzwerkbildung als um die Wahrheit.
PATRICK BAHNERS
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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