Weniger Wildschwein, mehr Gemüse, Sport treiben, Konflikte mit Worten lösen statt mit Backpfeifen. "Positives Denken" ist das achtsame Motto des 40. Asterix-Abenteuers "Die Weiße Iris". Verantwortlich dafür ist der scheinbare Weltverbesserer Visusversus, der mit seiner manipulativen Methode ganz Gallien auf den Kopf stellt. Ganz Gallien? Natürlich nicht, denn Asterix durchschaut die üblen Machenschaften, die hinter der lieblichen Fassade stecken. Dieser Titel wird im sog. Fixed-Layout-Format angeboten und ist daher nur auf Geräten und Leseprogrammen nutzbar, die die Darstellung von Fixed-Layout-eBooks im epub- oder mobi/KF8-Format unterstützen. Wir empfehlen in jedem Fall die Darstellung auf Tablets und anderen Geräten mit Farbbildschirm.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Im Asterix-Band "Die Weiße Iris" soll den Galliern Achtsamkeit eingehaucht werden. Oder ist es gar der Zeitgeist?
Stellen wir uns Römer vor, die sich für Schläge bedanken, fleischlose Dorfgelage, höflich grüßende Gallier. Es wäre eine behutsamere Antike, auch eine bessere Comicwelt. Abgesehen davon, dass sich ein Wildschwein gebraten leichter zeichnen lässt als gut gelaunt auf einer Wiese. Das hat Didier Conrad gleich gemerkt.
Aber genau so kommt es im vierzigsten, heute erscheinenden Asterix-Band "Die Weiße Iris", für den der Comicautor Fabrice Caro alias Fabcaro und der Comiczeichner Didier Conrad zum ersten Mal zusammengearbeitet haben. Jean-Yves Ferri, der sich die Storys der letzten fünf Bände ausgedacht hat, macht gerade eine Art Sabbatical. Und Cäsar ist verärgert. Die Moral seiner Truppen lässt zu wünschen übrig, Soldaten beschweren sich, der Aufruf zum Kampf sei übergriffig, das ständige Hauen und Stechen Gift für ihr Nervenkostüm.
Die Lösung hat ein charismatischer Oberster Medicus der Armeen, der sich in diesem Band erstmals zu erkennen gibt. Visusversus heißt er und berichtet von einer angeblich durch die griechische Philosophie inspirierten Lehre positiven Denkens und allgemeiner Achtsamkeit: "Nur ein glücklicher Legionär ist ein kampfeslustiger." Mit welligem schwarz-weißem Haar und sanftem Blick präsentiert sich der Opportunist, dem Cäsar augenblicklich verfällt, und reist auf Anweisung in jene Provinz, wo das Los der römischen Soldaten bekanntlich besonders schwer ist.
Nicht jedem Haudegen gefällt die Lehre der "Weißen Iris", die Visusversus dort verbreitet. Daximplus etwa, zuständig für die Truppen, die die Gallier kontrollieren sollen, will lieber weiter in Straußenschmalz geschmorte Wachteln snacken. Und auch Obelix, der dem römischen Weltverbesserer im Wald begegnet, wird angesichts von solch aufgesetzter Freundlichkeit misstrauisch.
Aber viel Schmeichelei erweicht auch die Gallier, und schon verändert sich das unbeugsame Dorf. Der Fischverkäufer Verleihnix verkauft fortan frischen Fisch statt muffigen, die Häuptlingsfrau Gutemine bemerkt wohlwollend, dass sie endlich mal von jemandem beachtet wird, und statt Saufgelagen ist regeneratives Flechten angesagt. Streit ist kaum mehr zu hören. Selbst wenn Troubadix auftritt, heißt es: Auch akustische Minderheiten dürfen sich äußern.
Nun gilt gewaltlose Konfliktlösung ebenso als zivilisatorischer Fortschritt wie das Ende der klassischen Aufgabenverteilung von Ehepaaren (Frau macht alles, Mann geht trinken), die Gutemine das Leben schwer machen. Tatsächlich finden Leser von "Die Weiße Iris" die erste ordentliche Prügelszene auf Seite 27 vor, also nach der Hälfte des Buches. Dafür stehen die Wiesen voller Wildschweine, Obelix kann sie einfach auflesen und sich über die Schulter werfen. Und dennoch wächst der Unmut bei den Helden. Ob es daran liegt, dass groteske Glücksprophezeiungen und vernünftige Ideen hier als eine Melodie in die Ohren der Gallier gesäuselt werden? Asterix jedenfalls, bekannt als kritischer Geist und misstrauischer Beobachter fremder Einflüsse auf sein Dorf, regt das plötzliche Verschwinden der Raufbolde furchtbar auf. Und Obelix klagt: "Alles, was ich im Leben gern tue, wird mir vermiest."
Ein paar Tage vor der Veröffentlichung sitzen Fabcaro und Conrad etwas befangen im Besprechungszimmer eines Frankfurter Hotels, es ist Buchmesse, die Promo-Tour läuft. Der französische Romanautor und Musiker Fabcaro, bekannt für schwarzen Humor, hat seine Storyboards in den letzten Monaten nach Texas geschickt, wo Conrad, halb Schweizer, halb Franzose, lebt. Sie kennen sich noch nicht so gut, aber sie demonstrieren Einigkeit: Ja, die Geschichte von Visusversus sei ein Kommentar auf die vermeintlichen Weltverbesserer unserer Zeit. Nein, kein Bruch mit der Asterix-Tradition! Auch nicht weniger Prügeleien, nur mehr Text. Den Erzählkonventionen wollten sie so treu wie möglich bleiben.
Dazu gehörten seit jeher politische Referenzen, ironische Zitate, bei denen alle Seiten des Diskurses etwas abbekommen. "Wieder ein Fremder, das ist eine Invasion", klagt ein Dorfbewohner noch, während die anderen schon eine Mischung aus Ratgeber- und Yoga-Selbstermächtigungssprache verinnerlicht haben: "Kanalisiere deine Emotionen, verwandle sie in konstruktive Kraft." Selbst Miraculix scheint für einen Moment ins Nachdenken zu kommen und sinniert über Achtsamkeit. Fabcaro sagt, er habe jede Menge von anderswoher zitiert, auch Sprüche aus Filmen wie "Rocky Balboa" oder "Fight Club". Und dann, mit Unschuldsgesicht: Es sei keine Kritik an einer Philosophie! Nur an Menschen, die andere ausnutzen und die Massen beeinflussen.
Das erinnert doch an den "Seher", Band 19, wo ein Fremder ins Dorf kommt, aus den Eingeweiden eines Wildschweins liest und prophezeit: Ihr werdet euch streiten. Der vorgibt, die Zukunft der Gallier voraussagen zu können, und so viel Zwist sät, dass zwischenzeitlich sogar die Römer das Dorf einnehmen. Aber dieser Seher war unheimlich, sein langer Schatten Symbol der lauernden Gefahr. Visusversus' Durchtriebenheit dagegen ist possierlich. In "Der Seher" sorgt Gutemine dafür, dass der Fremde bleibt, die Frauen des Dorfes vertrauen ihm. Auch in "Die Weiße Iris" lässt sich Gutemine sofort verführen. Visusversus schmeichelt ihr mit Komplimenten, sie beklagt sich bei ihrem Mann, schließlich lässt sie sich sogar mit dem chronisch verspäteten Eilkarren Thalix in die Stadt Lutetia entführen, wo sich eine herrliche Satire auf saturierte Städter entspinnt. Der Autor, der Paris meidet, zu weiblicher Leichtgläubigkeit: "Von Schwäche kann keine Rede sein, sie will einfach raus, das ist doch sehr verständlich!" Am Ende kehrt die Gattin dann aber mit guter Mine zum traurigen Majestix zurück. Brav.
Goscinny, der Vater der Asterix- Comics, galt als schneller Texter. Auch Fabcaro hat einen schnellen Schreibrhythmus, was sicher im Sinne des Verlags ist, der Asterix vor elf Jahren für etliche Millionen kaufte und die Wartezeit auf neue Alben seitdem mit Filmen, Merchandise und Cross-over-Comics überbrückt. Am Ende des Treffens sieht auch Didier Conrad zufrieden aus. Er hat bekommen, was er sich gewünscht hat: einen menschlichen Asterix, keinen perfekten Helden. Eine neue, sehr unterhaltsame Geschichte aus dem kleinen Dorf, in dem der Häuptling weniger Einfluss hat als die Bewohner. Ein Finale, das jeder Mode trotzt.
Dass am Ende doch alles beim Alten bleibt, ist Asterix-Tradition. Um alles Weitere kann sich der Autor kümmern, der als Nächster dran ist. Oder der danach. ELENA WITZECK
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