Auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2016 «Wenn Sie bipolar sind, hat Ihr Leben keine Kontinuität mehr. Die Krankheit hat Ihre Vergangenheit zerschossen, und in noch stärkerem Maße bedroht sie Ihre Zukunft. Mit jeder manischen Episode wird Ihr Leben, wie Sie es kannten, weiter verunmöglicht. Die Person, die Sie zu sein und kennen glaubten, besitzt kein festes Fundament mehr. Sie können sich Ihrer selbst nicht mehr sicher sein. Und Sie wissen nicht mehr, wer Sie waren. Was sonst vielleicht als Gedanke kurz aufleuchtet, um sofort verworfen zu werden, wird im manischen Kurzschluss zur Tat. Jeder Mensch birgt wohl einen Abgrund in sich, in welchen er bisweilen einen Blick gewährt; eine Manie aber ist eine ganze Tour durch diesen Abgrund, und was Sie jahrelang von sich wussten, wird innerhalb kürzester Zeit ungültig. Sie fangen nicht bei null an, nein, Sie rutschen ins Minus, und nichts mehr ist mit Ihnen auf verlässliche Weise verbunden.» Thomas Melle leidet seit vielen Jahren an der manisch-depressiven Erkrankung, auch bipolare Störung genannt. Nun erzählt er davon, erzählt von persönlichen Dramen und langsamer Besserung - und gibt so einen außergewöhnlichen Einblick in das, was in einem Erkrankten vorgeht. Die fesselnde Chronik eines zerrissenen Lebens, ein autobiografisch radikales Werk von höchster literarischer Kraft.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit einer ausgedehnten Besprechung würdigt Christopher Schmidt Thomas Melles neues Buch, das der Kritiker als "blitzhelle Stroboskop-Prosa" bezeichnet, aber auch als zweispältiges Lesevergnügen. Schmidt beschreibt dieses Memoir als einen Streifzug ins "hirnverbrannte Oberstübchen" des an einer schweren Form manischer Depression erkrankten Autors. Er erfährt, wie Melle daran glaubte, Sex mit Madonna zu haben oder Picasso auf einer Berliner Technoparty Rotwein in den Schoß gegossen zu haben und wie es sich anfühlt, wenn die Krankheit den Kern der eigenen Persönlichkeit korrumpiert. Der Rezensent staunt, wie unmittelbar und drastisch Melle den Lesern teilhaben lässt und wie klug und "theoriefreudig" er die Krankheit auch mit Bezügen zur Geistesgeschichte reflektiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2017Was macht es, wenn ein gutes Buch daraus wird
Zeig her deine Schmerzen: Thomas Melle liest in Frankfurt aus "Die Welt im Rücken"
Gut getarnt sei er gewesen, sagt Thomas Melle im Frankfurter Literaturhaus. Gerade hat sein Gesprächspartner, der HR-Redakteur Alf Mentzer, ihn an den Abend im September 2014 erinnert, an dem beide am selben Ort Melles kurz zuvor erschienenen Roman "3000 Euro" vorgestellt haben. Und Mentzer hat seinen Schriftstellergast gefragt, ob er als sorgfältiger Fragender bestimmten Passagen des Buches seinerzeit Melles manisch-depressive Erkrankung hätte anmerken müssen. Nein, sagt der Autor: "Es lag an der ausreichenden Camouflage auf meiner Seite."
Nun ist Melle in den ausverkauften Lesesaal zurückgekommen, um "Die Welt im Rücken" vorzustellen, das Buch, an das er sich machte, als er die Dauertarnung seines Leidens satt hatte. Voriges Jahr hat die Jury des Deutschen Buchpreises es zu Recht auf die Shortlist der Auszeichnung gesetzt, die sie später Bodo Kirchhoffs Novelle "Widerfahrnis" zuerkannte. "Die Welt im Rücken" beweist für Mentzer, dass nicht jedes Shortlistbuch, das am Ende ohne den Hauptpreis ausgeht, für den Buchhandel so verloren sei wie von den Verlagen oft beklagt: "Es unterläuft die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie souverän."
Souverän. Die Herrschaft über seine Krankheit wollte Melle erlangen. Schon einmal hat er sein Buch im Literaturhaus erklärt. Anfang Oktober vergangenen Jahres ist das gewesen, auf der Lesung sämtlicher Shortlistautoren bis auf Kirchhoff, der wenige Tage später am selben Ort auftrat. Wie damals erklärt Melle nun, der Entschluss zum Verfassen des Buches sei für sein Leben und sein Schreiben gleichermaßen wichtig gewesen - auf dass beides ein wenig freier werde von einer lange getragenen Last. Die von ihm betonte Notwendigkeit, "dem Ganzen eine Form zu geben", bezieht sich nicht nur auf das möglichst gute Schreiben des Buches.
Auch wenn ihm diese Seite seiner Tätigkeit gerade bei "Die Welt im Rücken", dem Bekenntnisbuch, dessen Gattungszugehörigkeit sich nur schwer bestimmen lässt, besonders wichtig ist. "Es ist etwas Gemachtes", sagt Melle und fügt eine paradoxe Formulierung hinzu: "Authentizität kann man nur erreichen, wenn es durch die Kunst gegangen ist." Dieser Krankheit, heißt das, wird man erst gerecht, wenn man sich bei ihrer Beschreibung etwas einfallen lässt: "All das muss aufgeblättert und erzählt werden." Nicht bloß berichtet und sorgfältig durchdacht wie in einem Essay, sondern mit etwas mehr Handlungsschwung und persönlicher Beteiligung, schließlich gilt es, eine Manie in den Kunstgriff zu bekommen, in deren Verlauf Welt und Wörter ihre feste, eindeutige und verlässliche Bedeutung verlieren und der Kranke jeden Halt verliert: "Alles kann alles bedeuten. Auch ich kann alles bedeuten."
Von drei schweren manischen Schüben erzählt Melle, langgezogenen Episoden, die ihn zwischen 1999 und 2010 aus der Bahn warfen. Er schildert Größenwahn und Scham, abgerissene Autospiegel, Zwischenrufe auf Veranstaltungen, Klinikaufenthalte und Selbstmordversuche. Die drei Leben des Manikers, des Depressiven und des zwischenzeitlich Geheilten empfindet er als so unterschiedlich, dass sie für ihn nur in der Erinnerung zusammengehören. Das Gefühl, alle drei Thomas Melles seien derselbe, hat er nicht, so weit liegen die drei Leben auseinander. Viele Lesungen dieser Art, sagt er gegen Schluss des Abends, werde er nicht mehr bestreiten. Das Buch ins Schaufenster zu stellen hat ihm geholfen. Aber immer wieder hinzuzutreten ist anstrengend: "Ich muss etwas Neues machen." Ganz ohne Tarnung oder ihr Abwerfen.
FLORIAN BALKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zeig her deine Schmerzen: Thomas Melle liest in Frankfurt aus "Die Welt im Rücken"
Gut getarnt sei er gewesen, sagt Thomas Melle im Frankfurter Literaturhaus. Gerade hat sein Gesprächspartner, der HR-Redakteur Alf Mentzer, ihn an den Abend im September 2014 erinnert, an dem beide am selben Ort Melles kurz zuvor erschienenen Roman "3000 Euro" vorgestellt haben. Und Mentzer hat seinen Schriftstellergast gefragt, ob er als sorgfältiger Fragender bestimmten Passagen des Buches seinerzeit Melles manisch-depressive Erkrankung hätte anmerken müssen. Nein, sagt der Autor: "Es lag an der ausreichenden Camouflage auf meiner Seite."
Nun ist Melle in den ausverkauften Lesesaal zurückgekommen, um "Die Welt im Rücken" vorzustellen, das Buch, an das er sich machte, als er die Dauertarnung seines Leidens satt hatte. Voriges Jahr hat die Jury des Deutschen Buchpreises es zu Recht auf die Shortlist der Auszeichnung gesetzt, die sie später Bodo Kirchhoffs Novelle "Widerfahrnis" zuerkannte. "Die Welt im Rücken" beweist für Mentzer, dass nicht jedes Shortlistbuch, das am Ende ohne den Hauptpreis ausgeht, für den Buchhandel so verloren sei wie von den Verlagen oft beklagt: "Es unterläuft die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie souverän."
Souverän. Die Herrschaft über seine Krankheit wollte Melle erlangen. Schon einmal hat er sein Buch im Literaturhaus erklärt. Anfang Oktober vergangenen Jahres ist das gewesen, auf der Lesung sämtlicher Shortlistautoren bis auf Kirchhoff, der wenige Tage später am selben Ort auftrat. Wie damals erklärt Melle nun, der Entschluss zum Verfassen des Buches sei für sein Leben und sein Schreiben gleichermaßen wichtig gewesen - auf dass beides ein wenig freier werde von einer lange getragenen Last. Die von ihm betonte Notwendigkeit, "dem Ganzen eine Form zu geben", bezieht sich nicht nur auf das möglichst gute Schreiben des Buches.
Auch wenn ihm diese Seite seiner Tätigkeit gerade bei "Die Welt im Rücken", dem Bekenntnisbuch, dessen Gattungszugehörigkeit sich nur schwer bestimmen lässt, besonders wichtig ist. "Es ist etwas Gemachtes", sagt Melle und fügt eine paradoxe Formulierung hinzu: "Authentizität kann man nur erreichen, wenn es durch die Kunst gegangen ist." Dieser Krankheit, heißt das, wird man erst gerecht, wenn man sich bei ihrer Beschreibung etwas einfallen lässt: "All das muss aufgeblättert und erzählt werden." Nicht bloß berichtet und sorgfältig durchdacht wie in einem Essay, sondern mit etwas mehr Handlungsschwung und persönlicher Beteiligung, schließlich gilt es, eine Manie in den Kunstgriff zu bekommen, in deren Verlauf Welt und Wörter ihre feste, eindeutige und verlässliche Bedeutung verlieren und der Kranke jeden Halt verliert: "Alles kann alles bedeuten. Auch ich kann alles bedeuten."
Von drei schweren manischen Schüben erzählt Melle, langgezogenen Episoden, die ihn zwischen 1999 und 2010 aus der Bahn warfen. Er schildert Größenwahn und Scham, abgerissene Autospiegel, Zwischenrufe auf Veranstaltungen, Klinikaufenthalte und Selbstmordversuche. Die drei Leben des Manikers, des Depressiven und des zwischenzeitlich Geheilten empfindet er als so unterschiedlich, dass sie für ihn nur in der Erinnerung zusammengehören. Das Gefühl, alle drei Thomas Melles seien derselbe, hat er nicht, so weit liegen die drei Leben auseinander. Viele Lesungen dieser Art, sagt er gegen Schluss des Abends, werde er nicht mehr bestreiten. Das Buch ins Schaufenster zu stellen hat ihm geholfen. Aber immer wieder hinzuzutreten ist anstrengend: "Ich muss etwas Neues machen." Ganz ohne Tarnung oder ihr Abwerfen.
FLORIAN BALKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2016Der Aufstand
der Zeichen
Thomas Melle hat ein Buch über seine
manisch-depressive Erkrankung geschrieben – kein
Roman, aber leuchtende Stroboskop-Prosa
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
An einer Stelle in „Die Welt im Rücken“ schreibt Thomas Melle über seinen Schriftsteller-Kollegen Karl Ove Knausgård, er sei „unser aller Pin-und-Pop-up-Boy, dem ich im Übrigen kein einziges Wort glaube“. Die Stelle ist bemerkenswert aus zwei Gründen: Zum einen, weil Melle etwas ganz ähnliches beabsichtigt wie Knausgård mit seinem sechsbändiger autobiografischen Zyklus, nämlich vom eigenen Leben ohne jede Fiktionalisierung zu erzählen. Auch Melles Buch soll nichts anderes sein als unmittelbare Lebensmitschrift, ungefiltert, naturtrüb, unplugged. „Es ist Literatur, doch alles ist wahr, nichts erfunden“, hat er in einem Interview gesagt. Melle beruft sich damit auf eine Qualität, für deren Zweifelhaftigkeit er allerdings selbst das beste Beispiel liefert, und zwar aus Gründen, die durch sein Thema bedingt sind: seine manisch-depressive Erkrankung, die er als Aufstand der entfesselten Zeichen erlebt.
Im Buch findet sich denn auch noch ein anderer Satz, an dem das, was in Klammern gesetzt ist, mindestens ebenso wichtig ist wie das, was außerhalb der Klammern steht: „Die Fiktion muss pausieren (und wirkt hinterrücks natürlich fort).“ Und damit kommen wir zum zweiten Grund, weshalb die Knausgård-Bemerkung stutzig macht. Denn so wenig es für die Frage nach guter oder schlechter Literatur eine Rolle spielt, ob eine Geschichte wahr oder erfunden ist, so sehr zieht das derzeit wirkmächtigste Genre der Literatur, das Memoir, seine Kraft aus der Voraussetzung, dass es authentisch ist, lebensgeschichtlich beglaubigt, dass das Ich, das hier spricht, aus eigenen Wunden blutet. Das Problem dabei ist nur, dass das Leben der Redeweise zum Trotz keine Geschichten schreibt. Denn sobald es in Sprache gefasst wird, verwandelt es sich. Es war schon immer die beste Lüge der Literatur, wenn sie die Wahrheit verspricht.
Der 1975 geborene Schriftsteller Thomas Melle ist natürlich viel zu klug, zu theoriefreudig auch und sprachphilosophisch gebildet, um sich dieses Dilemmas nicht bewusst zu sein. Es ist schon richtig, dass die Jury für den Deutschen Buchpreis sein Buch auf ihre Shortlist gewählt hat, obwohl es, anders als „3000 Euro“, der Titel, mit dem Melle vor zwei Jahren schon einmal nominiert war, kein Roman ist und damit das Kardinalkriterium der Auszeichnung nicht erfüllt. Die innere Notwendigkeit jedoch, aus der heraus Thomas Melle dieses Buch geschrieben hat, ist eine doppelte. „Die Welt im Rücken“ handelt von seiner psychischen Erkrankung, unter deren schwerster Ausprägung „Bipolar I“ er leidet, manchmal wird diese Variante auch als „nuklear“ bezeichnet. Einiges davon hat Melle bereits in seine bisherigen Bücher einfließen lassen, aber literarisch camoufliert und an „Doppel- und Wiedergänger“ seiner selbst outgesourct. An das neue Buch ist auch die Hoffnung geknüpft, sich des untergründig stets mitlaufenden biografischen Themas zu entledigen, auf dass künftige Bücher freier sein mögen und breiter im Spektrum.
Die andere Notwendigkeit ergibt sich also daraus, dass Thomas Melle Schriftsteller ist und Schreiben für einen Schriftsteller zugleich Lebensvollzug bedeutet. Dieser „Anti-Bildungsroman“ hat daher mehr von einem Selbstversuch als von einem Krankheitsbericht. Reiz und Risiko liegen hier nahe beieinander. „Die Welt im Rücken“ unterscheidet sich ja von den Büchern, die andere über ihre Krankheit geschrieben haben wie David Wagner über seine Autoimmunhepatitis oder Christoph Schlingensief über den Krebs. Hier geht es um eine Krankheit, die den Kern der Persönlichkeit korrumpiert, um einen Hacker-Angriff auf das Selbst.
Für den Autor wie für den Leser folgen daraus einige beunruhigende Fragen: Wer zum Beispiel ist eigentlich das Ich, das die Bücher von Thomas Melle, die Romane „Sickster“ (2011) und „3000 Euro“ (2014) sowie den Erzählungsband „Raumforderung“ (2007) und vor allem das vorliegende Buch geschrieben hat, das gesunde oder das kranke? Und wie kann man zwischen beiden überhaupt unterscheiden? Da seine Manie für den Maniker unhintergehbar ist, wäre jede Selbstdiagnose nur wieder Teil der Symptomatik. Und wie wirken sich Krankheit und ihre Behandlung auf die Sprache aus? Die Medikamente, die ihn ruhig stellen, kappen die Spitzen der Affekte, schreibt Melle, dimmen das Erleben ab und hindern die Worte daran, Amok zu laufen. Einmal vergleicht er die PET Scan-Bilder seines Gehirns mit CNN-Übertragungen aus Kriegsgebieten, überall Bombeneinschläge in Rot, Gelb und Knallorange.
Die alte Vermutung, es gäbe einen inneren Zusammenhang zwischen Genie und Wahnsinn, lehnt Thomas Melle ab. All die bequemen Angebote, die Krankheit umzudeuten und zu überhöhen, sie wahlweise zu romantisieren oder zu dämonisieren, schlägt er aus. Auf die sinkende Akzeptanz gegenüber seelischen Erkrankungen seit der Germanwings-Katastrophe aufmerksam zu machen, hierin liegt das gesellschaftliche Anliegen des Buches. Nach einer Phase der Enttabuisierung, die auf das Outing von Sebastian Deisler und den Selbstmord Robert Enkes folgte, sei das Thema heute wieder negativ besetzt.
Die Depression zu verklären und damit zu verschleiern hat eine lange Tradition: In der Antike galt die Melancholie als Philosophenkrankheit, denn sie ging oft mitbesonderen Geistesgaben einher. Aristoteles beschrieb sie als eine Art Eigendoping, als endogenen Rauschzustand. Immer wieder in der Geistesgeschichte wurde der Gemütskranke als Projektionsfläche für Erlösungssehnsüchte vereinnahmt. Er war entweder der erleuchtete Utopist oder der dissidente Schizo; mal nahm man das Leiden als Ausweis von intellektuellem Adel, mal als Erkennungszeichen des Ausnahmemenschen wahr. Noch Peter Sloterdijk betont den elitären Charakter der Depression, wenn er zustimmend von „Morbiditätsluxus“ und „Passivitätskompetenz“ spricht.
Ob die Depression für die Befreiung vom Ich-Zwang (Alain Ehrenberg) herhalten muss oder für die vom Diktat der Positivität (Byung-Chul Han) – Thomas Melle glaubt nicht an das Irresein als Gnadenstand, nicht an die Manie als „Wahnsagekunst“, wie sie Friedrich Schleiermacher wortspielerisch aus dem Altgriechischen übersetzt hat. „Der Wahn ist keine seherische Gabe“, schreibt Melle. „Und auch wenn es überproportional viele bipolare Fälle unter Künstlern und Schriftstellern gibt, würde ich meine Mitgliedschaft in diesem recht illustren Club gerne mit sofortiger Wirkung kündigen.“ Die Texte, die er selbst in manischen Phasen verfertigt hat, fallen vor allem durch ihren unfreiwilligen Dadaismus auf.
Für den Maniker hängt alles mit allem zusammen. Überall sieht er Zeichen, an ihn gerichtete Botschaften; stets ist er „mitgemeint“. Die Referenzen spielen Roulette. In seiner ersten manischen Phase 1999 irrt Melle einen ganzen Tag lang durch Berlin, fest davon überzeugt, zu einer wichtigen Party eingeladen zu sein. David Bowie habe seinen Namen in „Space Oddity“ zufällig erraten, glaubt er auf einmal. Die Promi-Obsession wird für ihn zum Ego-Booster. „Dass die Stars plötzlich aus allen Löchern gekrochen kamen, kannte ich schon“, heißt es. „Dieser megalomanische Boulevard der Superstars, den ich immer wieder entlangrase in den Schüben, offenbart natürlich eine Fixiertheit auf Berühmte und Prominente, die auch schon in meinen gesunden Zeiten über das gewöhnliche Maß hinausgeht. Eine seltsame Eitelkeit spricht daraus, eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Größe.“
Melle hat, zumindest in seinem hirnverbrannten Oberstübchen, Sex mit Madonna, schüttet einem wiederauferstandenen Picasso in einem Berliner Technoclub Rotwein in den Schoß. Er glaubt, Hans Magnus Enzensberger im Zug nach Hamburg zu erkennen, „als Frau verkleidet, im Nebenabteil. Soll das schlau sein? So enzensbergerschlau, immer eine Wendung weiter? Dieser ,Pfiffikus‘!“. Und er bevölkert ein imaginäres Alpen-Resort mit Samuel Beckett, Thomas Bernhard und Ingeborg Bachmann als lebenden Toten. Ein anderes Mal sieht er Bernhard in einem McDonald’s in Wuppertal verdrießlich einen Big Mac verschlingen.
Melle führt diese Promi-Fixierung auf seine Herkunft aus dem Problemmilieu der Bonner „Haribo-Slums“ zurück und die Suche nach Vorbildern. Er setzt „Breitbandlernen“ gegen die Enge, kommt als Internatsschüler ans Jesuitenkolleg, wird Studienstiftler und geht nach Berlin. Und er will sich einschreiben in die neue PopLiteratur. Da ballen sich schon Vorläufer des manisch-depressiven Temperaments bedrohlich zusammen. „Wie soll denn das auch klappen: Ein Arbeiterkind aus schwierigen Verhältnissen wird von den Jesuiten intellektuell aufgepimpt, von Nabokov ins Schöngeistige verschickt und vom Studium ins Nichtmehrvorhandensein theoretifiziert, und das soll dann, die Genetik noch im Nacken, ein Dichter werden, oder wie, ein glücklicher Mensch? Hört mir auf!“
Hier schreibt Thomas Melle über die Umwelteinflüsse, die zu Auslösern werden. Weitere Trigger sind die Songlines des Pop und das Nachtleben. Der Zerrspiegel der Paranoia erscheint geradezu ideal für das Berlin der Nullerjahre, den hedonistischen Rausch, den diese „Mini-Kulturgeschichte“ miterzählt. „Außen war Psychofasching, innen wüteten Geschichtsparanoia und semantischer Wahn.“
Eine Falltür aber öffnet ihm das Internet. Als das literarische Schreibprojekt „am pool“ online geht, manipuliert er mit einem Hacker-Freund die Einträge von Autoren wie Rainald Goetz, Moritz von Uslar und Christian Kracht – ein schräger Versuch, sich mit ihnen zu vergemeinschaften. Das Netz ist seine Abschussrampe in eine Parallelwelt. Melle wird zum Internet-Troll, aber auch zum Kurzzeit-Stalker. Systematisch zerstört er alles, was ihn hält, verliert die Wohnung, die Freunde, sich selbst. Es folgt die stationäre Behandlung und auf die manisch verstrahlte Phase die Apathie im Abklingbecken des Depression, mit Medikamenten wird er heruntergefahren. „Tage aus Milchglas.“
Für den Leser ist diese Absturzchronik eine zwiespältige Lektüreerfahrung, wird er doch einer Subjektivität ausgeliefert, die total ist, ja totalitär, weil sie sowohl Gegenstand als auch Medium der Darstellung ist. Inwieweit lassen sich neurochemische Prozesse überhaupt durch Beschreibung der Zustände verstehen, als die sie erlebt werden? Andererseits: Ist Gesundheit denn etwas anderes als ein biochemischer Zustand? Und war es nicht von je her die Aufgabe der Dichtung, das zu beschreiben, was sich noch nicht benennen lässt? Was zum Lob seines autopoetischen Erzählexperiments zu sagen ist, hat Melle schon selbst seinen Vorbildern nachgerühmt: „(. . .) die Künstler hatten aus ihren Schwächen und Beschränktheiten doch selbst etwas anderes, etwas Öffnendes, über sich selbst Hinausweisendes gemacht, Kunst, drastische Kunst, die mir die Spucke wegbleiben ließ.“
Für den Maniker hängt
alles mit allem zusammen,
der Kopf spielt Roulette
Ist Gesundheit etwas
anderes als ein biochemischer
Zustand des Körpers?
Sein Körper sei in Geiselhaft
der Medikation, schreibt
Thomas Melle: „Und das täglich
in kleiner Münze ausgezahlte
Lösegeld heißt Normalität“.
Foto: Christian Kielmann / imago
Thomas Melle:
Die Welt im Rücken.
Verlag Rowohlt Berlin, Berlin 2016. 352 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Zeichen
Thomas Melle hat ein Buch über seine
manisch-depressive Erkrankung geschrieben – kein
Roman, aber leuchtende Stroboskop-Prosa
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
An einer Stelle in „Die Welt im Rücken“ schreibt Thomas Melle über seinen Schriftsteller-Kollegen Karl Ove Knausgård, er sei „unser aller Pin-und-Pop-up-Boy, dem ich im Übrigen kein einziges Wort glaube“. Die Stelle ist bemerkenswert aus zwei Gründen: Zum einen, weil Melle etwas ganz ähnliches beabsichtigt wie Knausgård mit seinem sechsbändiger autobiografischen Zyklus, nämlich vom eigenen Leben ohne jede Fiktionalisierung zu erzählen. Auch Melles Buch soll nichts anderes sein als unmittelbare Lebensmitschrift, ungefiltert, naturtrüb, unplugged. „Es ist Literatur, doch alles ist wahr, nichts erfunden“, hat er in einem Interview gesagt. Melle beruft sich damit auf eine Qualität, für deren Zweifelhaftigkeit er allerdings selbst das beste Beispiel liefert, und zwar aus Gründen, die durch sein Thema bedingt sind: seine manisch-depressive Erkrankung, die er als Aufstand der entfesselten Zeichen erlebt.
Im Buch findet sich denn auch noch ein anderer Satz, an dem das, was in Klammern gesetzt ist, mindestens ebenso wichtig ist wie das, was außerhalb der Klammern steht: „Die Fiktion muss pausieren (und wirkt hinterrücks natürlich fort).“ Und damit kommen wir zum zweiten Grund, weshalb die Knausgård-Bemerkung stutzig macht. Denn so wenig es für die Frage nach guter oder schlechter Literatur eine Rolle spielt, ob eine Geschichte wahr oder erfunden ist, so sehr zieht das derzeit wirkmächtigste Genre der Literatur, das Memoir, seine Kraft aus der Voraussetzung, dass es authentisch ist, lebensgeschichtlich beglaubigt, dass das Ich, das hier spricht, aus eigenen Wunden blutet. Das Problem dabei ist nur, dass das Leben der Redeweise zum Trotz keine Geschichten schreibt. Denn sobald es in Sprache gefasst wird, verwandelt es sich. Es war schon immer die beste Lüge der Literatur, wenn sie die Wahrheit verspricht.
Der 1975 geborene Schriftsteller Thomas Melle ist natürlich viel zu klug, zu theoriefreudig auch und sprachphilosophisch gebildet, um sich dieses Dilemmas nicht bewusst zu sein. Es ist schon richtig, dass die Jury für den Deutschen Buchpreis sein Buch auf ihre Shortlist gewählt hat, obwohl es, anders als „3000 Euro“, der Titel, mit dem Melle vor zwei Jahren schon einmal nominiert war, kein Roman ist und damit das Kardinalkriterium der Auszeichnung nicht erfüllt. Die innere Notwendigkeit jedoch, aus der heraus Thomas Melle dieses Buch geschrieben hat, ist eine doppelte. „Die Welt im Rücken“ handelt von seiner psychischen Erkrankung, unter deren schwerster Ausprägung „Bipolar I“ er leidet, manchmal wird diese Variante auch als „nuklear“ bezeichnet. Einiges davon hat Melle bereits in seine bisherigen Bücher einfließen lassen, aber literarisch camoufliert und an „Doppel- und Wiedergänger“ seiner selbst outgesourct. An das neue Buch ist auch die Hoffnung geknüpft, sich des untergründig stets mitlaufenden biografischen Themas zu entledigen, auf dass künftige Bücher freier sein mögen und breiter im Spektrum.
Die andere Notwendigkeit ergibt sich also daraus, dass Thomas Melle Schriftsteller ist und Schreiben für einen Schriftsteller zugleich Lebensvollzug bedeutet. Dieser „Anti-Bildungsroman“ hat daher mehr von einem Selbstversuch als von einem Krankheitsbericht. Reiz und Risiko liegen hier nahe beieinander. „Die Welt im Rücken“ unterscheidet sich ja von den Büchern, die andere über ihre Krankheit geschrieben haben wie David Wagner über seine Autoimmunhepatitis oder Christoph Schlingensief über den Krebs. Hier geht es um eine Krankheit, die den Kern der Persönlichkeit korrumpiert, um einen Hacker-Angriff auf das Selbst.
Für den Autor wie für den Leser folgen daraus einige beunruhigende Fragen: Wer zum Beispiel ist eigentlich das Ich, das die Bücher von Thomas Melle, die Romane „Sickster“ (2011) und „3000 Euro“ (2014) sowie den Erzählungsband „Raumforderung“ (2007) und vor allem das vorliegende Buch geschrieben hat, das gesunde oder das kranke? Und wie kann man zwischen beiden überhaupt unterscheiden? Da seine Manie für den Maniker unhintergehbar ist, wäre jede Selbstdiagnose nur wieder Teil der Symptomatik. Und wie wirken sich Krankheit und ihre Behandlung auf die Sprache aus? Die Medikamente, die ihn ruhig stellen, kappen die Spitzen der Affekte, schreibt Melle, dimmen das Erleben ab und hindern die Worte daran, Amok zu laufen. Einmal vergleicht er die PET Scan-Bilder seines Gehirns mit CNN-Übertragungen aus Kriegsgebieten, überall Bombeneinschläge in Rot, Gelb und Knallorange.
Die alte Vermutung, es gäbe einen inneren Zusammenhang zwischen Genie und Wahnsinn, lehnt Thomas Melle ab. All die bequemen Angebote, die Krankheit umzudeuten und zu überhöhen, sie wahlweise zu romantisieren oder zu dämonisieren, schlägt er aus. Auf die sinkende Akzeptanz gegenüber seelischen Erkrankungen seit der Germanwings-Katastrophe aufmerksam zu machen, hierin liegt das gesellschaftliche Anliegen des Buches. Nach einer Phase der Enttabuisierung, die auf das Outing von Sebastian Deisler und den Selbstmord Robert Enkes folgte, sei das Thema heute wieder negativ besetzt.
Die Depression zu verklären und damit zu verschleiern hat eine lange Tradition: In der Antike galt die Melancholie als Philosophenkrankheit, denn sie ging oft mitbesonderen Geistesgaben einher. Aristoteles beschrieb sie als eine Art Eigendoping, als endogenen Rauschzustand. Immer wieder in der Geistesgeschichte wurde der Gemütskranke als Projektionsfläche für Erlösungssehnsüchte vereinnahmt. Er war entweder der erleuchtete Utopist oder der dissidente Schizo; mal nahm man das Leiden als Ausweis von intellektuellem Adel, mal als Erkennungszeichen des Ausnahmemenschen wahr. Noch Peter Sloterdijk betont den elitären Charakter der Depression, wenn er zustimmend von „Morbiditätsluxus“ und „Passivitätskompetenz“ spricht.
Ob die Depression für die Befreiung vom Ich-Zwang (Alain Ehrenberg) herhalten muss oder für die vom Diktat der Positivität (Byung-Chul Han) – Thomas Melle glaubt nicht an das Irresein als Gnadenstand, nicht an die Manie als „Wahnsagekunst“, wie sie Friedrich Schleiermacher wortspielerisch aus dem Altgriechischen übersetzt hat. „Der Wahn ist keine seherische Gabe“, schreibt Melle. „Und auch wenn es überproportional viele bipolare Fälle unter Künstlern und Schriftstellern gibt, würde ich meine Mitgliedschaft in diesem recht illustren Club gerne mit sofortiger Wirkung kündigen.“ Die Texte, die er selbst in manischen Phasen verfertigt hat, fallen vor allem durch ihren unfreiwilligen Dadaismus auf.
Für den Maniker hängt alles mit allem zusammen. Überall sieht er Zeichen, an ihn gerichtete Botschaften; stets ist er „mitgemeint“. Die Referenzen spielen Roulette. In seiner ersten manischen Phase 1999 irrt Melle einen ganzen Tag lang durch Berlin, fest davon überzeugt, zu einer wichtigen Party eingeladen zu sein. David Bowie habe seinen Namen in „Space Oddity“ zufällig erraten, glaubt er auf einmal. Die Promi-Obsession wird für ihn zum Ego-Booster. „Dass die Stars plötzlich aus allen Löchern gekrochen kamen, kannte ich schon“, heißt es. „Dieser megalomanische Boulevard der Superstars, den ich immer wieder entlangrase in den Schüben, offenbart natürlich eine Fixiertheit auf Berühmte und Prominente, die auch schon in meinen gesunden Zeiten über das gewöhnliche Maß hinausgeht. Eine seltsame Eitelkeit spricht daraus, eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Größe.“
Melle hat, zumindest in seinem hirnverbrannten Oberstübchen, Sex mit Madonna, schüttet einem wiederauferstandenen Picasso in einem Berliner Technoclub Rotwein in den Schoß. Er glaubt, Hans Magnus Enzensberger im Zug nach Hamburg zu erkennen, „als Frau verkleidet, im Nebenabteil. Soll das schlau sein? So enzensbergerschlau, immer eine Wendung weiter? Dieser ,Pfiffikus‘!“. Und er bevölkert ein imaginäres Alpen-Resort mit Samuel Beckett, Thomas Bernhard und Ingeborg Bachmann als lebenden Toten. Ein anderes Mal sieht er Bernhard in einem McDonald’s in Wuppertal verdrießlich einen Big Mac verschlingen.
Melle führt diese Promi-Fixierung auf seine Herkunft aus dem Problemmilieu der Bonner „Haribo-Slums“ zurück und die Suche nach Vorbildern. Er setzt „Breitbandlernen“ gegen die Enge, kommt als Internatsschüler ans Jesuitenkolleg, wird Studienstiftler und geht nach Berlin. Und er will sich einschreiben in die neue PopLiteratur. Da ballen sich schon Vorläufer des manisch-depressiven Temperaments bedrohlich zusammen. „Wie soll denn das auch klappen: Ein Arbeiterkind aus schwierigen Verhältnissen wird von den Jesuiten intellektuell aufgepimpt, von Nabokov ins Schöngeistige verschickt und vom Studium ins Nichtmehrvorhandensein theoretifiziert, und das soll dann, die Genetik noch im Nacken, ein Dichter werden, oder wie, ein glücklicher Mensch? Hört mir auf!“
Hier schreibt Thomas Melle über die Umwelteinflüsse, die zu Auslösern werden. Weitere Trigger sind die Songlines des Pop und das Nachtleben. Der Zerrspiegel der Paranoia erscheint geradezu ideal für das Berlin der Nullerjahre, den hedonistischen Rausch, den diese „Mini-Kulturgeschichte“ miterzählt. „Außen war Psychofasching, innen wüteten Geschichtsparanoia und semantischer Wahn.“
Eine Falltür aber öffnet ihm das Internet. Als das literarische Schreibprojekt „am pool“ online geht, manipuliert er mit einem Hacker-Freund die Einträge von Autoren wie Rainald Goetz, Moritz von Uslar und Christian Kracht – ein schräger Versuch, sich mit ihnen zu vergemeinschaften. Das Netz ist seine Abschussrampe in eine Parallelwelt. Melle wird zum Internet-Troll, aber auch zum Kurzzeit-Stalker. Systematisch zerstört er alles, was ihn hält, verliert die Wohnung, die Freunde, sich selbst. Es folgt die stationäre Behandlung und auf die manisch verstrahlte Phase die Apathie im Abklingbecken des Depression, mit Medikamenten wird er heruntergefahren. „Tage aus Milchglas.“
Für den Leser ist diese Absturzchronik eine zwiespältige Lektüreerfahrung, wird er doch einer Subjektivität ausgeliefert, die total ist, ja totalitär, weil sie sowohl Gegenstand als auch Medium der Darstellung ist. Inwieweit lassen sich neurochemische Prozesse überhaupt durch Beschreibung der Zustände verstehen, als die sie erlebt werden? Andererseits: Ist Gesundheit denn etwas anderes als ein biochemischer Zustand? Und war es nicht von je her die Aufgabe der Dichtung, das zu beschreiben, was sich noch nicht benennen lässt? Was zum Lob seines autopoetischen Erzählexperiments zu sagen ist, hat Melle schon selbst seinen Vorbildern nachgerühmt: „(. . .) die Künstler hatten aus ihren Schwächen und Beschränktheiten doch selbst etwas anderes, etwas Öffnendes, über sich selbst Hinausweisendes gemacht, Kunst, drastische Kunst, die mir die Spucke wegbleiben ließ.“
Für den Maniker hängt
alles mit allem zusammen,
der Kopf spielt Roulette
Ist Gesundheit etwas
anderes als ein biochemischer
Zustand des Körpers?
Sein Körper sei in Geiselhaft
der Medikation, schreibt
Thomas Melle: „Und das täglich
in kleiner Münze ausgezahlte
Lösegeld heißt Normalität“.
Foto: Christian Kielmann / imago
Thomas Melle:
Die Welt im Rücken.
Verlag Rowohlt Berlin, Berlin 2016. 352 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Wie Thomas Melle sein eigenes Zerreißen zwischen überfunkenden Nervenenden und nicht mehr kontrollierbaren Synapsenabstürzen als körperlichen wie geistigen Prozess beschreibt, ist schlicht umwerfend. taz
Hier haben wir es ohne Zweifel mit großer Literatur zu tun. Die Welt