Peter Hamm stand nie in der ersten Reihe bekannter Kritiker. Er wollte sogar nie ein Literaturkritiker sein, die Bezeichnung Großkritiker stammt gleichwohl von ihm (aus dem Buch "Kritik - von wem, für wen, wie?") wohl als Pfeil gegen allzu laute Töne des damit Adressierten abgeschossen.
Reich-Ranicki hat dann mit scharfem Geschütz zurückgeschossen, das Gedicht "Niederlegen" des Lyrikers Peter Hamm…mehrPeter Hamm stand nie in der ersten Reihe bekannter Kritiker. Er wollte sogar nie ein Literaturkritiker sein, die Bezeichnung Großkritiker stammt gleichwohl von ihm (aus dem Buch "Kritik - von wem, für wen, wie?") wohl als Pfeil gegen allzu laute Töne des damit Adressierten abgeschossen. Reich-Ranicki hat dann mit scharfem Geschütz zurückgeschossen, das Gedicht "Niederlegen" des Lyrikers Peter Hamm hatte für ihn nun überhaupt nichts.
Umso wohltuender und besser sind die Kommentare und Einordnungen von Peter Hamm in dieser von Michael Krüger zusammengestellten Anthologie.
In diesem Band von Aufsätzen und Kritiken ist insbesondere der erste Artikel: "Goethe's Nöte – Nöte mit Goethe" hervorzuheben, er zeigt, "wie Peter Hamm sich über Jahre hinweg mit dem Werk eines Autors auseinandergesetzt hat." (aus dem Nachwort von Michael Krüger).
Peter Hamm schreibt: "Die Widersprüchlichkeit Goethes entspricht genau seiner Größe." Bei ihm findet sich Negatives und Positives eng beisammen, vor allem eine Verachtung der Masse. "Zur Popularität gehört Eindeutigkeit, die Eindeutigkeit Schillers etwa." Goethe selbst sagte zu Eckermann: "Meine Sachen sind nicht für die Masse geschrieben, sondern nur für einzelne Menschen, die etwas Ähnliches wollen und suchen." Trotzdem versuchte Eckermann ihn populär zu machen, was ihm in Teilen auch gelang.
Der Tod Goethes wurde 1832 fast nicht zur Kenntnis genommen, die führende deutsche Literaturzeitschrift, das "Stuttgarter Literaturblatt", in dessen Verlag Goethe's Bücher veröffentlicht wurden, brachte keine Meldung darüber. Damals war Schiller der Mann der Stunde, ihm wurde 1837 in Stuttgart ein Denkmal gesetzt, das ihn als Schriftsteller zeigt. 1849 blieb der 100 Jährige Geburtstag Goethes fast unbemerkt, während Deutschland beim 100-jährigen von Schiller in ein Begeisterungstaumel geriet. "Das sich emanzipierende deutsche Bürgertum verzieh Goethe den Höfling nicht, den Fürstendiener, sein Ausweichen vor der Politik und der Revolution."
Beethoven schrieb über Goethe: "Ihm behagt die Hofluft sehr, mehr als einem Dichter ziemt." Aber Goethe dachte nicht in solchen Kategorien, Polarität bedeutete ihm mehr als Parteinahme: "Mir scheint, dass sich alles gut verbindet, wenn man den Begriff der Polarität zum Leitfaden nimmt." Er schrieb dies zur Erläuterung der Farbenlehre und zielte damit auf die Einheit der Gegensätze wie von Hegel formuliert.
Ein schöner Satz von Goethe fasst das alles zusammen: "Willst Du ins Unendliche schreiten, geh im Endlichen nach allen Seiten." Peter Hamm ging ebenfalls nach allen Seiten, er analysierte fein und wog ab. Eindeutigkeit zeigte er aber auch, wenn ihm etwas nicht gefiel, vor allem zu Beginn seiner Tätigkeit. Später analysierte er stärker über die Zeitachse, übergreifender, die Einheit hinter den Gegensätzen greifen wollend.
Das Nachwort von Michael Krüger skizziert die Person Peter Hamm aus der Erinnerung und mit großer Empathie. Er beschreibt vor allem auch die Inhalte, die nicht mehr Platz fanden in diesem Buch, allen voran die Ausführungen über Musik, die bei Peter Hamm eine zentrale Stellung einnahmen. Darüber habe ich die Ballade von den Säckeschmeißern wiederentdeckt, ein zweifellos linkes Lied. Peter Hamm war links, zweifellos, aber seine Kritiken waren frei von seichtem Populismus, sie hatten andere Horizonte.