Magisterarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Geschichte Deutschlands - Nachkriegszeit, Kalter Krieg, Note: 1,8, Universität Münster (Historisches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Tatsache, dass seit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 bis zum Mauerbau 1961 über 500.000 Menschen von der Bundesrepublik in die DDR zogen, ist in der (west)deutschen Bevölkerung nahezu völlig unbekannt. Inwiefern diese in der BRD auch zeitgenössisch verbreitete Unwissenheit mit der Behandlung der Ostwanderung durch die Bundesregierung zusammenhängt, soll eine Fragestellung der vorliegenden Arbeit sein. Weiterhin soll untersucht werden, ob die Bundesregierung versuchte, die Übersiedlung mehrerer hunderttausend Menschen in den Staat, dem sie die Existenzberechtigung „juristisch, politisch und moralisch“ bestritt, unter den Teppich zu kehren, sie nach außen hin zu relativieren oder gar zu dementieren. Wie erklärte sie der Öffentlichkeit, dass es nicht wenige Deutsche gab, die freiwillig dem Staat der wirtschaftlichen Prosperität und der politischen Freiheit den Rücken kehrten, um ausgerechnet in der kommunistischen und totalitaristischen „Zone“ ihr Glück zu suchen? Als Motiv der Ost-West-Wanderung wurde in der BRD die „Binnenwanderung zu den günstigeren Lebensverhältnissen“ oder die Flucht vor den Zwangsmaßnahmen des SED-Regimes gesehen. Die eine wie auch die andere Interpretation bot der SED-Führung den willkommenen Anlass, die Wanderung in die DDR für die angestrebte Legitimierung des „Projekts DDR“ zu instrumentalisieren. Die politische Dimension der Ostwanderung macht die vergleichende Untersuchung der Außendarstellung der deutschen Staaten zu einem sehr interessanten Kapitel der Ideologiegeschichte des Kalten Krieges. Denn die Abwanderung in die „SBZ“ hätte – je nach Größenordnung – die ideologische und materielle Überlegenheit des Westens prinzipiell in Frage gestellt. Anders gesagt: Die hohen Flüchtlingszahlen nach der BRD, die in Anbetracht der unterschiedlichen Lebens- und Konsumstandards so anschaulich „den Zusammenhang von Demokratie und gutem Leben auf der einen Seite sowie von (stalinistischer) Diktatur und schlechtem Leben auf der anderen Seite“ kontrastierten, wären durch auch nur annähernd vergleichbare Zahlen einer entgegengesetzten Bewegung gefährlich relativiert worden. Zu erwarten ist deshalb, dass die Auseinandersetzung um die tatsächliche Höhe der West-Ost-Wanderung bei dem Kampf um die Deutungshoheit derselben zwischen BRD und DDR eine zentrale Rolle spielte. Basis dieser Arbeit sind gedruckte und vor allem ungedruckte Quellen. Diese sollen jedoch nicht nur dargestellt, sondern zugleich interpretiert werden.