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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Paco Ignacio Taibo II über die Vernichtung der Yaqui
Das Ende des ein halbes Jahrhundert dauernden Bürgerkrieges in Kolumbien wird gegenwärtig von der Weltöffentlichkeit mit Aufmerksamkeit registriert. Von manch anderem jahrzehntelang ausgetragenen Konflikt in Lateinamerika ist so gut wie nichts bekanntgeworden. Den rund vierzig Jahre währenden Vernichtungsfeldzug gegen die Indiogemeinschaft der Yaqui in Mexiko will der mexikanische Autor Paco Ignacio Taibo II (eigentlich Francisco Ignacio Taibo Mahojo) beispielhaft für die vergessenen oder verdrängten Verbrechen an unterdrückten Volksgruppen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit heben.
Der 1949 im spanischen Gijón geborene Historiker, Journalist und Aktivist, der seit seinem neunten Lebensjahr in Mexiko lebt, gilt als Begründer und wichtigster Vertreter des neuen lateinamerikanischen Kriminalromans. Kriminell, aber auch historisch belegt ist das, was dem im Staat Sonora, an der Grenze zu Arizona lebenden Stamm der Yaqui in den vergangenen fünfhundert Jahren ihrer Geschichte widerfuhr und in einem regelrechten Krieg von 1867 bis 1909 gipfelte. Taibo II hat in dem jetzt in der Übersetzung von Andreas Löhrer erschienenen Band auf schmückende Krimifiktion verzichtet und verlässt sich auf die bei seinen Erkundungen gesammelten Fakten. Die ergeben freilich ohne weiteres Zutun eine spannende Geschichte, in der man allerdings recht wenig über die wahren Lebensverhältnisse jenes Stammes erfährt.
Ersten Kontakt mit Weißen hatten die Yaqui bereits 1533. Die Jesuiten konnten nach ihrer Ankunft 1613 angeblich in zwei Wochen dreitausend Eingeborene taufen. Sie ließen die Angehörigen dieser Volksgruppe bis zu ihrer eigenen Vertreibung 1767 in relativem Frieden leben. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts dagegen waren die Yaqui einerseits ständiger Verfolgung mit dem Ziel der Ausrottung ausgesetzt, andererseits wurden sie immer mehr zur "Handelsware", zur bloßen Verfügungsmasse der reichen weißen Landbesitzer, die sie sklavenähnlich auf ihren Haciendas hielten und mit zunehmender Wirtschaftsentwicklung in Bergwerken und beim Eisenbahnbau brauchten.
Schließlich macht sich der Staat ihre Fast-Ausrottung zum Ziel, aber stets nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten wohlkalkuliert. Während zunächst lokale Oligarchen die Yaqui als ihr Eigentum betrachten, wird ihre Verfolgung perfektioniert, strukturiert und von Staats wegen organisiert. Die Regierung setzt ein Kopfgeld von hundert Pesos für jeden getöteten Yaqui aus, es gab jeweils hundert Dollar für die abgelieferten Ohren des Opfers.
Mit der Verfassung von 1873 wurden den Yaqui die staatsbürgerlichen Rechte entzogen, sie waren nun Ausländer in ihrem eigenen Land. Im Jahr 1884 wird der offizielle Feldzug gegen die Voksgruppe unter Diktator Porfirio Díaz eröffnet. Was pure Vertreibung aus ihren ursprünglich acht Dörfern war, wurde 1883 als "Gesetz über die Erschließung und Besiedlung von Land" verbrämt, denn: "Das Land gehört der Regierung, und sie verteilt es nach ihrem Ermessen" heißt es 1897. Friedensvorschläge scheitern immer wieder, so 1886 unter dem Yaqui-Führer Cajeme, der bereit ist, seine Sache "bis zum Letzten zu verteidigen". Er wird füsiliert, viele seiner Leute fliehen nach Arizona.
Konnte man die Yaqui in ihrem Ursprungsgebiet nicht befrieden, so deportierte man sie von 1900 an als "Kriegsgefangene" und als Arbeitssklaven auf Haciendas nach Yucatán oder auf Tabakplantagen nach Oaxaca. Das war eine neue Form des Sklavenhandels, wie der Autor feststellt. Im August 1901 galt der "Feldzug" als abgeschlossen, jeder Yaqui, der noch auftauchte, durfte erschossen werden. Der Zynismus gipfelte jedoch darin, dass man sie als "Geschäftsfaktor" betrachtete und nun aus "wirtschaftlichen Erwägungen" unterschied, wer deportiert, erschossen oder zur Arbeit auf den Haziendas zu "verwenden" war - ein Vernichtungskrieg mit Kalkül.
Der Autor gibt in seinem Buch Einblick in einen zwar kleinen und lokal begrenzten, doch nach dem Muster vieler großer Konflikte ablaufenden Prozess der Vernichtung einer Volksgruppe, nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Erwägungen. Er zitiert zeitgenössische Quellen, zumeist lokale Zeitungen, deren Zuverlässigkeit er allerdings oft anzweifelt. Darin ist immer wieder die Rede von Mord, Plünderungen, Banditentum und Brandschatzung durch die Yaqui, aber für diese waren die Hacienda-Besitzer, die sich ihr Land angeeignet hatten, die "wahren Diebe". Taibo II, der auch mit Biographien von Ernesto Che Guevara und Pancho Villa auf sich aufmerksam gemacht hat, schreibt im nüchternen Stil des Historikers, möchte gleichwohl beim Leser jene "Mischung aus Abscheu, Bewunderung und Scham" erzeugen, wie er sie bei der Beschäftigung mit dem Schicksal jener Volksgruppe empfunden habe.
JOSEF OEHRLEIN
Paco Ignacio Taibo II: "Die Yaqui". Indigener Widerstand und ein vergessener Völkermord.
Aus dem Spanischen von Andreas Löhrer.
Assoziation A Verlag, Berlin 2017.
245 S., br., 18,- [Euro].
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