Charlotte Pfeffer hat es faustdick hinter den Ohren: Sie führt ein richtiges Doppelleben. Als weißgestärkte »Dr. Anita Bach« steht sie täglich in der Seifenserie »Unsere kleine Klinik« des Privatsenders »Vier Minus« vor der Kamera. Aber ihr Privatleben sieht anders aus. Vernunftverheiratet mit dem grundsoliden, karrierebewußten Wirtschaftsprüfer Ernstbert, der außer den Zwillingen Ernie und Bert noch nichts Nennenswertes zur Ehe beigetragen hat, verzaubert sie in ihrer Freizeit nach Lust und Laune unschuldige Männer, sozusagen als Ausgleich gegen den Alltagsfrust. Der einzige, der auf ihre Zaubertricks nicht reinfällt, ist der phlegmatische Gatte. Hier muß Charlotte andere Geschütze auffahren...
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.1995Der Igitt-Affekt
Süß: Hera Linds Perlwein-Prosa / Von Michael Allmaier
Wer öffentlich fröhlich ist, macht sich heute verdächtig - weniger, weil es nichts mehr zu lachen gäbe, als weil der Angelachte befürchten muß, daß ihm hier irgend etwas verkauft werden soll. Hera Lind ist ein fröhlicher Mensch; und ihre fröhlichen Bücher haben eine Auflage von annähernd drei Millionen erreicht. Innerhalb von sechs Jahren veröffentlichte sie, beginnend mit dem inzwischen verfilmten "Ein Mann für jede Tonart", vier Romane, die im Grunde ein einziger, immergleicher sind - zweitausend Seiten Schmunzelterror.
Der Schmunzler ist ein perfider Geselle. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn, ein Neider und Spielverderber, wie denn auch die vom eigenen Erfolg keineswegs erstaunte Hera Lind ihre Kritiker einschätzt. Dennoch schreibt sie immer wieder von sich selbst: die Erfolgsstory von der Altistin in Diensten des WDR, die zur Bestsellerautorin und neuerdings auch zum Talkmaster wurde. Unscheinbare "Frauchen" reifen bei ihr zu "Superweibern".
Im Mittelpunkt steht die zweiunddreißigjährige Charlotte Pfefferkorn, die sich nur mehr Pfeffer nennt (auch Hera Lind hieß einmal Herlind Wartenberg). Lotte ist Serien-Actrice, Gattin eines Steuerberaters und Mutter von Zwillingen unklarer Abkunft. Außerdem kann sie zaubern, was das triste Eheleben erheblich aufhellt. Als eine Art Pippi Langstrumpf im Sexrausch schlägt sie, einen nach dem anderen, sechs Männer in ihren Bann. "Es hatte geklappt. Es hatte, hatte, hatte! Das Zauberfrauchen hüpfte mit diabolischer Freude um sein Hexenfeuer herum. Streitacker, du bist in der Falle!" Der Zauber besteht im wesentlichen darin, attraktive, aber widerstrebende Galane in sexuelle Hörigkeit zu versetzen ("Mein schlimmer Lümmäll denckt schon an nichchts anderes mehr!") und sodann hinzuhalten.
Weiß man, daß die Verfasserin an schwierigen Stellen bis zu zwanzig Minuten brütet, enthüllt sich das Geheimnis ihrer Beredsamkeit. Selbstbewußt lächelt es aus jedem Satz, eine Melange aus veralteten, amtsdeutschen, mundartlichen und gestelzten Wendungen, angereichert durch Zitate aus der Fernsehwerbung. Wissend kichern die einschlägig gebildeten Leser zu Hause vor den Buchseiten, wenn etwa die Figur Hannes Stuhlbein mit der "wahrscheinlich längsten Praline der Welt" prahlt. Weiter will der Witz nicht sprühen. Hera Lind bleibt bei Perlwein-Prosa: zu dünn, zu süß, zu schaumig.
Zum Habitus des Schmunzlers gehört freilich das Augenzwinkern. Ist doch alles gar nicht so gemeint, signalisiert er den Gewitzteren im Publikum über die Köpfe der Naiven hinweg - nur daß die einen mit den anderen identisch sind. Davon lebt der Kitsch in aufgeklärter Zeit: Er befriedigt Bedürfnisse und vermittelt zugleich den Eindruck, über sie erhaben zu sein. In der "Zauberfrau" steht hinter solcher Selbstironie kaum verhohlener Bildungsdünkel. Er beginnt, wo Dialekte als belustigender Ausdruck von Beschränktheit gehandelt werden, und führt bis zu einer unerträglichen Ballung kleinmädchenhafter Igitt-Affekte: "Jupp war alles andere als schön gewesen. Alt und fett und mit schrecklich spucketröpfchenintensiver Aussprache. Vor dem hatte ich mich wirklich geekelt." Man bedenke an solchen Stellen die autobiographische Arbeitsweise der Autorin. Zuviel Gefühl macht offenbar unsensibel.
Dabei ist die Ich-Erzählerin Lotte den Männern durchaus wohlgesonnen und scheint sie vor allem drollig zu finden. Erstaunlich, daß darin Feministisches gelesen wird. Es ist nur der altbekannte Blick auf die Welt durchs Küchenfenster. Natürlich sind auch Kinder und Tiere dabei. Die Tiere sind süß, und die Kinder sagen "Ich liebe dich". Selbst die Erotik hat ihre Triebfeder im Mutterinstinkt: "Hach, Süßer, dachte ich. Halt ein, sonst beiß ich dich ins Ohr. Du goldiges Marzipanschwein."
Hera Lind zeigt ihre Hauptfigur als Menschenkennerin, als Abenteurerin und Nonkonformistin; aber das propagierte und millionenfach konsumierte weibliche Selbstverständnis der "Zauberfrau" wirkt, als hätte ein Mann es sich ausgedacht: Flirten gegen das Patriarchat und das süße Sich-Ergeben, wenn die Emanzipation doch nicht ganz klappt. Beständig preist das Buch den Segen einer reichen Phantasie, meint aber damit gewiß nicht schöpferischen Geist, der ihm selbst denkbar fernliegt, sondern den Eskapismus der Tagträume, der die Tristesse des Hausfrauendaseins erleichtern soll. Selbst der Sex, der doch zum Zauber von Lottes Leben gehören sollte, findet nicht wirklich statt, da die hier nun überraschend zartfühlende Verfasserin davon absieht, ihn auch nur mit einem Gedankenstrich zu schildern.
Warum liebt man einander in dieser Welt? "Weil ich mich mit dir nie langweilen muß." Und das lieben die Leser an Hera Lind, die nach eigener Aussage zu schreiben begann, als sie im letzten Monat ihrer Schwangerschaft von anstrengenderen Tätigkeiten absehen mußte. Ihre Bücher sind geschrieben, wie sie gelesen werden: gegen die Langeweile.
Hera Lind: "Die Zauberfrau". Roman. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1995. 522 S., br., 16,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süß: Hera Linds Perlwein-Prosa / Von Michael Allmaier
Wer öffentlich fröhlich ist, macht sich heute verdächtig - weniger, weil es nichts mehr zu lachen gäbe, als weil der Angelachte befürchten muß, daß ihm hier irgend etwas verkauft werden soll. Hera Lind ist ein fröhlicher Mensch; und ihre fröhlichen Bücher haben eine Auflage von annähernd drei Millionen erreicht. Innerhalb von sechs Jahren veröffentlichte sie, beginnend mit dem inzwischen verfilmten "Ein Mann für jede Tonart", vier Romane, die im Grunde ein einziger, immergleicher sind - zweitausend Seiten Schmunzelterror.
Der Schmunzler ist ein perfider Geselle. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn, ein Neider und Spielverderber, wie denn auch die vom eigenen Erfolg keineswegs erstaunte Hera Lind ihre Kritiker einschätzt. Dennoch schreibt sie immer wieder von sich selbst: die Erfolgsstory von der Altistin in Diensten des WDR, die zur Bestsellerautorin und neuerdings auch zum Talkmaster wurde. Unscheinbare "Frauchen" reifen bei ihr zu "Superweibern".
Im Mittelpunkt steht die zweiunddreißigjährige Charlotte Pfefferkorn, die sich nur mehr Pfeffer nennt (auch Hera Lind hieß einmal Herlind Wartenberg). Lotte ist Serien-Actrice, Gattin eines Steuerberaters und Mutter von Zwillingen unklarer Abkunft. Außerdem kann sie zaubern, was das triste Eheleben erheblich aufhellt. Als eine Art Pippi Langstrumpf im Sexrausch schlägt sie, einen nach dem anderen, sechs Männer in ihren Bann. "Es hatte geklappt. Es hatte, hatte, hatte! Das Zauberfrauchen hüpfte mit diabolischer Freude um sein Hexenfeuer herum. Streitacker, du bist in der Falle!" Der Zauber besteht im wesentlichen darin, attraktive, aber widerstrebende Galane in sexuelle Hörigkeit zu versetzen ("Mein schlimmer Lümmäll denckt schon an nichchts anderes mehr!") und sodann hinzuhalten.
Weiß man, daß die Verfasserin an schwierigen Stellen bis zu zwanzig Minuten brütet, enthüllt sich das Geheimnis ihrer Beredsamkeit. Selbstbewußt lächelt es aus jedem Satz, eine Melange aus veralteten, amtsdeutschen, mundartlichen und gestelzten Wendungen, angereichert durch Zitate aus der Fernsehwerbung. Wissend kichern die einschlägig gebildeten Leser zu Hause vor den Buchseiten, wenn etwa die Figur Hannes Stuhlbein mit der "wahrscheinlich längsten Praline der Welt" prahlt. Weiter will der Witz nicht sprühen. Hera Lind bleibt bei Perlwein-Prosa: zu dünn, zu süß, zu schaumig.
Zum Habitus des Schmunzlers gehört freilich das Augenzwinkern. Ist doch alles gar nicht so gemeint, signalisiert er den Gewitzteren im Publikum über die Köpfe der Naiven hinweg - nur daß die einen mit den anderen identisch sind. Davon lebt der Kitsch in aufgeklärter Zeit: Er befriedigt Bedürfnisse und vermittelt zugleich den Eindruck, über sie erhaben zu sein. In der "Zauberfrau" steht hinter solcher Selbstironie kaum verhohlener Bildungsdünkel. Er beginnt, wo Dialekte als belustigender Ausdruck von Beschränktheit gehandelt werden, und führt bis zu einer unerträglichen Ballung kleinmädchenhafter Igitt-Affekte: "Jupp war alles andere als schön gewesen. Alt und fett und mit schrecklich spucketröpfchenintensiver Aussprache. Vor dem hatte ich mich wirklich geekelt." Man bedenke an solchen Stellen die autobiographische Arbeitsweise der Autorin. Zuviel Gefühl macht offenbar unsensibel.
Dabei ist die Ich-Erzählerin Lotte den Männern durchaus wohlgesonnen und scheint sie vor allem drollig zu finden. Erstaunlich, daß darin Feministisches gelesen wird. Es ist nur der altbekannte Blick auf die Welt durchs Küchenfenster. Natürlich sind auch Kinder und Tiere dabei. Die Tiere sind süß, und die Kinder sagen "Ich liebe dich". Selbst die Erotik hat ihre Triebfeder im Mutterinstinkt: "Hach, Süßer, dachte ich. Halt ein, sonst beiß ich dich ins Ohr. Du goldiges Marzipanschwein."
Hera Lind zeigt ihre Hauptfigur als Menschenkennerin, als Abenteurerin und Nonkonformistin; aber das propagierte und millionenfach konsumierte weibliche Selbstverständnis der "Zauberfrau" wirkt, als hätte ein Mann es sich ausgedacht: Flirten gegen das Patriarchat und das süße Sich-Ergeben, wenn die Emanzipation doch nicht ganz klappt. Beständig preist das Buch den Segen einer reichen Phantasie, meint aber damit gewiß nicht schöpferischen Geist, der ihm selbst denkbar fernliegt, sondern den Eskapismus der Tagträume, der die Tristesse des Hausfrauendaseins erleichtern soll. Selbst der Sex, der doch zum Zauber von Lottes Leben gehören sollte, findet nicht wirklich statt, da die hier nun überraschend zartfühlende Verfasserin davon absieht, ihn auch nur mit einem Gedankenstrich zu schildern.
Warum liebt man einander in dieser Welt? "Weil ich mich mit dir nie langweilen muß." Und das lieben die Leser an Hera Lind, die nach eigener Aussage zu schreiben begann, als sie im letzten Monat ihrer Schwangerschaft von anstrengenderen Tätigkeiten absehen mußte. Ihre Bücher sind geschrieben, wie sie gelesen werden: gegen die Langeweile.
Hera Lind: "Die Zauberfrau". Roman. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1995. 522 S., br., 16,90 DM.
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