Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Politik - Region: Russland, Note: 2, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Institut für Geschichtswissenschaft/Seminar für Osteuropäische Geschichte), Veranstaltung: Die Russische Revolution 1905/06, Sprache: Deutsch, Abstract: Am Anfang des konstitutionellen Experiments, auf das sich der russische Zar und die verkrustete autokratische Bürokratie als Folge der revolutionären Unruhen der Jahre 1904 bis 1905 einlassen mussten, stand unweigerlich die Billigung von bürgerlichen Freiheiten und Rechten. Mit der Unterschrift unter das Manifest des 17. Oktober wurde das Ende der zarischen Autokratie eingeleitet. Doch nur unter dem Eindruck der sich immer mehr verschärfenden Krise und aus Angst um den Fortbestand der zarischen Herrschaft, konnte sich Kaiser Nikolaj II. zu diesem ihm zuwiderlaufenden Vorgehen entschließen. Doch am Anfang dieser Entwicklung steht ein anderer Mann, Sergej Juljewitsch Graf Witte, der nach glänzender Karriere 1903 in Ungnade gefallen war und nun auf eine sich ihm darbietende neue Chance wartete. Mit seinem Ruf als Repräsentant eines modernen und liberalen Russlands erschien er vielen als der Retter in der Not: Bald nach seiner Rückkehr aus Portsmouth kam der ehemalige Finanzminister mit den Überlegungen zur Bulygin-Duma in Kontakt. Dieser war nun zu der Überzeugung gelangt, dass die Konzession des Kaiserlichen Manifests vom 6. August 1905 mit der Schaffung einer beratenden Versammlung nicht mehr ausreiche, um die Oberhand über die Krise zu gewinnen. Bei seiner Audienz beim Zaren am 9. Oktober machte dies Witte in aller Offenheit deutlich: Russland stünde nun vor der Wahl, mit Hilfe einer Militärdiktatur die Oberhand zu gewinnen oder durch Liberalisierung das Russische Reich zu erneuern. Mit der Unterschrift des Zaren unter das Oktobermanifest wurde ein Rahmen gegeben, innerhalb dessen die unversöhnlichen Spannungen zwischen dem russischen Staat – Zar und Hofaristokratie, Regierung und Bürokratie – und der russischen Gesellschaft, hätten abgebaut werden können. Doch angesichts des fortwährenden Misstrauens der Bevölkerung gegenüber dem kaiserlichen Versprechen, bürgerliche Freiheiten und konstitutionelle Reformen einzuleiten, das durchaus nicht unbegründet schien4, und dem sich schließlich abzeichneten Ergebnis, konnte dieses Ziel nicht erreicht werden. Denn beide Seiten – Regierung und Opposition – mussten sich an die Spielregeln der neuen Ordnung halten, doch in Russland waren weder der Monarch noch die Intelligentsia dazu bereit. Mit der Folge, dass das konstitutionelle Zwischenspiel, das in seiner Anfangsphase durchaus die Möglichkeit hatte, in einer konstitutionellen Monarchie zu münden, wirkungslos blieb. [...]