Gelächter, Löffelklappern und Geschmatze dringen hinaus auf die Straße, Musik und Schüsse. Stimmen sind zu hören, die von Ndozo und Fanti und all den anderen Waisen, Witwen und Verwandten, die unter dem Dach des Großvaters Zuflucht gesucht und Arbeit gefunden haben. Es ist ein Haus, das in E.C. Osondus Romandebüt zur Hauptfigur avanciert, das zum Schauplatz wird und zum Symbol für das Vergehen der Zeit - aber alles andere als ein gewöhnliches. Begehbar wie separate Zimmer werden die einzelnen Schicksale seiner Bewohner und durch sie das Panorama eines Arbeiterviertels mit seinen Routinen und Bräuchen in einer namenlosen afrikanischen Großstadt aufgerollt. Es wird gehandelt und gefeilscht, gestritten und gekreischt, geheiratet und geliebt. Lebhaft geht es zu, zuweilen überschlagen sich die Ereignisse, doch durch die kindlich wache Erzählstimme bekommen auch Kindstötung, Totschlag und Diebstahl unverstellt ihren Platz, und die sich zahlreich zu Wort meldenden, aber namenlos bleibenden Nachbarn und Anwohner übernehmen die vermittelnde Rolle des Chors in der griechischen Tragödie.Voller Humor und traditionellem Liedgut, sowie Mythen, Fabelwesen und Magie atmet der Roman eine große Lebendigkeit.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2017Nenn sie einfach Mama
Dunkelste Klischees: E. C. Osondus Afrikaroman
Vor zehn Jahren stand im Londoner Literaturmagazin "Granta" eine "Anleitung zum Schreiben über Afrika". Sie stammte von dem kenianischen Autor Binyavanga Wainaina und enthielt Anregungen wie: "Behandele Afrika in deinem Text, als sei es ein einziges Land", "Unbedingt zeigen, dass Afrikaner Rhythmus und Musik ganz tief in ihrer Seele haben und Sachen essen, die sonst kein Mensch auf der Welt isst", "Nicht vergessen, eine herzensgute, mütterliche Frau zu zeigen, mit warmem Lachen und steter Sorge um dein Wohlergehen. Nenn sie einfach Mama" und "Alle afrikanischen Figuren sollten farbenfroh, exotisch und überlebensgroß sein - aber ohne Innenleben, ohne Dialoge, ohne Konflikte oder Lösungen in ihren Geschichten, ohne Tiefe oder sonstige Besonderheiten, die von der Sache ablenken".
Wainainas Satire traf einen wunden Punkt: Die stereotype Berichterstattung über Afrika in unseren Medien und die populären Romane, mit denen afrikanische Lebenswelten nach wie vor einer westlichen Leserschaft erfolgreich präsentiert werden. Jetzt erscheint die Übersetzung eines afrikanischen Romans, der vor zwei Jahren im Verlag von "Granta" herauskam. Er liest sich, als habe es sein Autor darauf angelegt, Wainainas Liste von Stereotypen zu bestätigen. Der Einstieg erfolgt im Märchenonkelton und erzählt, wie alles anfing - eine farbenfrohe Geschichte von einem König und einem Wildschwein und einem Jäger und einem schönen Mädchen und, ganz wichtig, einem gefürchteten Juju-Mann. Juju ist überhaupt ganz wichtig, denn alles Afrikanische ist ja bekanntlich magisch-animistisch und mit rationalen Mitteln nie wirklich zu begreifen. Und natürlich ist alles oral, denn der Afrikaner erzählt und hört nun einmal gerne Geschichten.
Mehr als ein Dutzend Geschichten bietet dieses als Roman getarnte Büchlein auf. Jede dreht sich um eine Figur, die mit dem titelgebenden Haus und dem großväterlichen Patriarchen in Verbindung steht - was folgen- und belanglos bleibt, weil das nächste Kapitel von einer anderen Figur erzählt. Das Geschehen spielt in einer anschauungs- und geschichtsfreien Stadtkulisse, hinter der man vielleicht Lagos vermuten mag. Berichtet wird in der Wir-Form, und der einfältige Hauptsatzstil fügt sich perfekt ins klassische Vorurteil vom kindlichen Afrikaner, das seit Jahrhunderten grassiert.
Über den Autor erfährt man, dass er aus Nigeria stammt, seit 2004 in Amerika lebt und Kreatives Schreiben lehrt. Sein Debüt ist allerdings nichts weiter als ein Klischeekaleidoskop, das immer gleiche bunte Versatzstückchen mit jeder Drehung neu gruppiert.
TOBIAS DÖRING.
E. C. Osondu: "Dieses Haus ist nicht zu verkaufen". Roman. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2017. 190 S., geb., 24,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dunkelste Klischees: E. C. Osondus Afrikaroman
Vor zehn Jahren stand im Londoner Literaturmagazin "Granta" eine "Anleitung zum Schreiben über Afrika". Sie stammte von dem kenianischen Autor Binyavanga Wainaina und enthielt Anregungen wie: "Behandele Afrika in deinem Text, als sei es ein einziges Land", "Unbedingt zeigen, dass Afrikaner Rhythmus und Musik ganz tief in ihrer Seele haben und Sachen essen, die sonst kein Mensch auf der Welt isst", "Nicht vergessen, eine herzensgute, mütterliche Frau zu zeigen, mit warmem Lachen und steter Sorge um dein Wohlergehen. Nenn sie einfach Mama" und "Alle afrikanischen Figuren sollten farbenfroh, exotisch und überlebensgroß sein - aber ohne Innenleben, ohne Dialoge, ohne Konflikte oder Lösungen in ihren Geschichten, ohne Tiefe oder sonstige Besonderheiten, die von der Sache ablenken".
Wainainas Satire traf einen wunden Punkt: Die stereotype Berichterstattung über Afrika in unseren Medien und die populären Romane, mit denen afrikanische Lebenswelten nach wie vor einer westlichen Leserschaft erfolgreich präsentiert werden. Jetzt erscheint die Übersetzung eines afrikanischen Romans, der vor zwei Jahren im Verlag von "Granta" herauskam. Er liest sich, als habe es sein Autor darauf angelegt, Wainainas Liste von Stereotypen zu bestätigen. Der Einstieg erfolgt im Märchenonkelton und erzählt, wie alles anfing - eine farbenfrohe Geschichte von einem König und einem Wildschwein und einem Jäger und einem schönen Mädchen und, ganz wichtig, einem gefürchteten Juju-Mann. Juju ist überhaupt ganz wichtig, denn alles Afrikanische ist ja bekanntlich magisch-animistisch und mit rationalen Mitteln nie wirklich zu begreifen. Und natürlich ist alles oral, denn der Afrikaner erzählt und hört nun einmal gerne Geschichten.
Mehr als ein Dutzend Geschichten bietet dieses als Roman getarnte Büchlein auf. Jede dreht sich um eine Figur, die mit dem titelgebenden Haus und dem großväterlichen Patriarchen in Verbindung steht - was folgen- und belanglos bleibt, weil das nächste Kapitel von einer anderen Figur erzählt. Das Geschehen spielt in einer anschauungs- und geschichtsfreien Stadtkulisse, hinter der man vielleicht Lagos vermuten mag. Berichtet wird in der Wir-Form, und der einfältige Hauptsatzstil fügt sich perfekt ins klassische Vorurteil vom kindlichen Afrikaner, das seit Jahrhunderten grassiert.
Über den Autor erfährt man, dass er aus Nigeria stammt, seit 2004 in Amerika lebt und Kreatives Schreiben lehrt. Sein Debüt ist allerdings nichts weiter als ein Klischeekaleidoskop, das immer gleiche bunte Versatzstückchen mit jeder Drehung neu gruppiert.
TOBIAS DÖRING.
E. C. Osondu: "Dieses Haus ist nicht zu verkaufen". Roman. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2017. 190 S., geb., 24,80 [Euro].
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