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Die Absicht ist löblich, die Ausführung lässt zu viel Luft nach oben: Die Geschichte der Repression in der DDR muss an anderer Stelle erzählt werden.
Bei der DDR handelte es sich vom Anfang bis zum Ende ihrer Existenz um ein repressives Regime. Dieser Aspekt ist in der öffentlichen Diskussion über den ostdeutschen Staat und die vor allem nach 1990 entstandene Sehnsucht nach einer DDR, die es nie gab, vernachlässigt worden. Daher ist das Buch von Markus Mirschel und Samuel Kunze zu Entstehung, Entfaltung und Wandel des Repressionsregimes in der SBZ/DDR grundsätzlich zu begrüßen. Die Autoren interessiert vor allem, wie sich die staatlichen Zwangsmaßnahmen im Laufe der Zeit veränderten und wie diese von den Betroffenen wahrgenommen wurden. Sie schreiben allerdings keine Gesamtdarstellung, sondern gehen exemplarisch vor, ohne jedoch ihre Auswahl zu begründen. Zunächst thematisieren sie die Repressionen im Zusammenhang mit der ersten Kollektivierungswelle der Landwirtschaft 1952/53, zweitens die Unterdrückung Jugendlicher nach dem sogenannten Kahlschlagplenum 1965, drittens die Strategien zur Einhegung von Ausreisewilligen zwischen 1976 und 1978 sowie viertens den Umgang mit Oppositionellen in den 1980er-Jahren. Die vier Abschnitte, die mit knappen Zwischentexten zur Gesamtentwicklung der DDR verbunden werden, behandeln die jeweilige Thematik anhand von längeren Quellen(auszügen) sowohl aus der Täter- als auch aus der Opferperspektive. Dabei handelt es sich nicht um eine Quellenedition oder -dokumentation mit einer vernünftigen Einleitung zur Einordnung, sondern um eine wenig überzeugende Mischung beider Elemente: Auf die nach unklaren Kriterien ausgewählten Dokumente - oft längere Anweisungen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in dessen typischer Bürokratensprache - folgen meist Quelleninterpretationen, in denen diese nochmals langwierig erläutert werden.
Warum sich das Kollektivierungskapitel auf die Jahre 1952/53 beschränkt, ist unklar, da der Prozess aufgrund einer Moskauer Weisung 1953 abgebrochen, aber Ende der 1950er-Jahre wieder in Gang gesetzt und 1960 unter massivem Zwang beendet wurde. Die Ausführungen sollen vor allem die - bereits hinreichend untermauerte - These illustrieren, dass damals die Gerichte Repressionsinstrumente der SED waren, mit deren Hilfe der Umbau der Gesellschaft vorangetrieben werden sollte. Die Repressalien gegen Jugendliche nach 1965 wurden aus Sicht der SED notwendig, weil nach einer Lockerung der Jugendpolitik zu Beginn des Jahrzehnts und beginnenden Unruhen Jugendlicher im Westen - besonders verstörend wirkten hier die Ausschreitungen nach einem Rockkonzert in der Westberliner Waldbühne - ein Aufbegehren der Jugend im Osten ebenfalls befürchtet wurde. Die bekannten Unterdrückungsmaßnahmen reichten von erzwungenen Haarschnitten bis zu Einweisungen in Arbeitslager.
Infolge der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 schnellten die Ausreiseanträge von Ostdeutschen in die Höhe, weil diese darin eine Berufungsgrundlage für ihr Anliegen erblickten - auf welchen Passus sie sich beriefen, wird aus den konfusen Ausführungen der Autoren, die offensichtlich die Schlussakte gar nicht gelesen haben, jedoch nicht klar. Dass das SED-Regime das MfS und das Innenministerium damit beauftragte, gegen Ausreisewillige mit den unterschiedlichsten Maßnahmen vorzugehen, um diesen das Leben schwer zu machen und ihre Anträge zurückzuziehen, ist seit Längerem bekannt. Hier wird alles noch einmal in aller Ausführlichkeit ausgebreitet. Ähnliches gilt für die Repressalien gegen Oppositionelle in den 1980er-Jahren, die oftmals unter dem Dach der Kirche tätig wurden. Dass der kirchliche Freiraum vor allem auf das Spitzengespräch zwischen Honecker und Bischof Schönherr 1978 zurückging, der als "Burgfrieden" missdeutet wird, ist unzutreffend. Als nicht gleichgeschaltete Organisation bot die Kirche diesen Freiraum seit 1949, da die SED-Führung es sich nicht leisten konnte, die mehrheitlich kirchengebundene Bevölkerung gegen sich aufzubringen.
Der selektive Blick auf einzelne Opfergruppen und die entsprechenden Repressalien in den vier Jahrzehnten zwischen 1945 und 1989 führt bei der Frage nach deren Wandel zu unbefriedigenden Antworten. Nachdem es zunächst um Repressionen zum Zweck der gesellschaftlichen Umgestaltung gegangen sei, habe sich der Fokus in den 1960er-Jahren auf die bisher weniger beachtete junge Generation gerichtet - eine unzutreffende Behauptung, die etwa die ebenfalls mit massiven Repressalien verbundene Auseinandersetzung mit der Jungen Gemeinde in den Jahren 1950 bis 1953 völlig ausblendet. In den 1970er-Jahren habe sich der Schwerpunkt "auf die Absicherung der SED-Herrschaft" verschoben, in den 1980ern sei eine "herrschaftsverwaltende Funktion" an deren Stelle getreten - was das bedeutet, bleibt unklar. Sowohl von der Anlage als auch vom Ergebnis her ist das Buch, das nichts grundlegend Neues enthält, folglich alles andere als überzeugend.
Hinzu kommen Fehler, unverständliche Passagen, Ungenauigkeiten und die unreflektierte Übernahme von Quellenbegriffen. So regelte nicht das Transitabkommen vom Dezember 1971, sondern der Verkehrsvertrag vom Mai 1972 den Reise- und Warenverkehr zwischen beiden deutschen Staaten. Dass sich die Bundesrepublik 1969 "durch ihre sogenannte Hallstein-Doktrin selbst sanktioniert" sah, ergibt genauso wenig Sinn wie die Behauptung, dass die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte "als Endpunkt einer Normensetzung innerhalb der internationalen Arena zu sehen" sei. Schließlich wird - in Anlehnung an die Formulierung auf einem von der Stasi sichergestellten, selbst gefertigten Plakat Ausreisewilliger - dargelegt, dass den Forderungen nach Ausreise das "UN-Menschenrecht" zugrunde lag. Gemeint ist wohl der von den UN verabschiedete Internationale Pakt über bürgerliche und zivile Rechte, dem auch die DDR beigetreten ist. Aber auch der Stasibegriff der "Demonstrativhandlung", mit dem etwa die Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz bezeichnet wurde, wird gedankenlos übernommen.
Wer sich über die Repressionsgeschichte der DDR informieren will, sollte daher nicht zu diesem Buch greifen, das ein wichtiges Thema auf völlig unzureichende Art abhandelt. HERMANN WENTKER
Markus Mirschel/ Samuel Kunze: Diktatur im Wandel. Eine Geschichte der DDR in Quellen.
Herder Verlag, Freiburg 2023. 448 S., 30,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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