Was bleibt, ist der Wandel. »Irgendwann, mitten in der Zeit knallt es dann, und das Jahr, das ein Jahr lang Gegenwart genannt wurde, verschwindet aus dieser Gegenwart und verwandelt sich von einer Sekunde auf die andere in Vergangenheit.« »An Abschiede erinnere ich mich«, ist einer der Absätze, mit denen die kurzen Einträge in Jenny Erpenbecks Dinge, die verschwinden beginnen. Die Stichworte, um die es in diesem Buch des Abschieds geht, sind u.a. Palast der Republik, Sperrmüll, Erinnerungen, Kindergarten, Socken, Hof ohne Grenzen, Öfen und Kohle, Käse, Freundinnen, Diebesgut, Mitte von Nirgendwo, Männer, das einfache Leben, Warschauer Ghetto, Höflichkeit, Wörter, Mütter, Tropfenfänger, Jahre, Splitterbrötchen, Friedhofsbesuche, Jugend, kluge Kommentare und der Autor an und für sich. Von all diesen Dingen nimmt Jenny Erpenbeck Abschied: manchmal mit tiefer Trauer, manchmal mit einer letzten melancholischen Verbeugung, manchmal aber auch mit Humor. Vieles ist in dieses Buch eingeflossen: Erinnerungen, Reflexionen, »Beobachtungen, die ich während der Recherchen für Heimsuchung gemacht habe, die aber für das Buch aus den oder jenen Gründen nicht geeignet waren«, so Jenny Erpenbeck in einem Interview mit der Literaturzeitschrift Bella Triste, »das reicht von berlinerischen O-Tönen von Leuten, die ich befragt habe, über mich selbst als verschwindende Mutter, die sich als Autorin auf Reisen begibt, bis hin zu einem Spaziergang durchs ehemalige Warschauer Ghetto, das in meinem Buch noch Gegenwart ist, aber nach der Niederschlagung des Ghettoaufstands 1943 buchstäblich vom Erdboden verschwunden ist.« Unterschiedlichstes Material taucht in diesen kurzen Schlaglichtern auf, Berlinisches, Persönliches, aber auch Politisches, Philosophisches und vieles aus Ost und West. Zusammengenommen ergeben die Dinge, die verschwinden ein großes Ganzes - ein Buch über ein sich veränderndes Leben, über ein sich veränderndes Deutschland und eine sich verändernde Welt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2009Was bleibt
Vom Palast der Republik ist schon nichts mehr übrig, und während sich Gebäude im Rückbau befinden, verschwinden anderswo Leerstellen aus dem Stadtbild. Kohleöfen, Tropfenfänger oder Wörter wie "Geschmeide" benutzt fast niemand mehr. Sperrmüll verschwindet im Container, die Höflichkeit aus dem öffentlichen Raum. Männer verschwinden meist nur vorübergehend. Ein Jahr lang erschien Jenny Erpenbecks Kolumne "Dinge, die verschwinden" in dieser Beilage. Jetzt sind die Texte (28 plus drei eigens für das Buch geschriebene) als Buch erschienen. Darin erforscht die Autorin, warum Dinge verschwinden, findet heraus, ob sie gleichzeitig an einem anderen Ort wieder auftauchen und ab wann man etwas, eine verschluckte Mücke etwa, als verschwunden betrachten kann. Manches verabschiedet sie in Trauer, anderes mit Humor. (Jenny Erpenbeck: "Dinge, die verschwinden". Galiani Verlag, Berlin 2009. 96 S., geb., 14,95 [Euro].)
F.A.Z.
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Vom Palast der Republik ist schon nichts mehr übrig, und während sich Gebäude im Rückbau befinden, verschwinden anderswo Leerstellen aus dem Stadtbild. Kohleöfen, Tropfenfänger oder Wörter wie "Geschmeide" benutzt fast niemand mehr. Sperrmüll verschwindet im Container, die Höflichkeit aus dem öffentlichen Raum. Männer verschwinden meist nur vorübergehend. Ein Jahr lang erschien Jenny Erpenbecks Kolumne "Dinge, die verschwinden" in dieser Beilage. Jetzt sind die Texte (28 plus drei eigens für das Buch geschriebene) als Buch erschienen. Darin erforscht die Autorin, warum Dinge verschwinden, findet heraus, ob sie gleichzeitig an einem anderen Ort wieder auftauchen und ab wann man etwas, eine verschluckte Mücke etwa, als verschwunden betrachten kann. Manches verabschiedet sie in Trauer, anderes mit Humor. (Jenny Erpenbeck: "Dinge, die verschwinden". Galiani Verlag, Berlin 2009. 96 S., geb., 14,95 [Euro].)
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Angelika Overath hat Jenny Erpenbecks einunddreißig Texte über "Dinge, die verschwinden" oder schon verschwunden sind, offenbar gern und mit viel Anteilnahme gelesen. Nicht nur den Gedanken über das Gewicht der Seele eines alten, auf dem Müll entsorgten Holzschranks folgt die Rezensentin gern, sie findet auch die Miniaturen über den "Palast der Republik" oder das "Splitterbrötchen" als paradoxe Versuche, das Verschwindende zu fassen zu kriegen, durchaus tröstlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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