Sebastian Saum fehlt es an nichts: Er ist ein gefeierter Opernsänger, verkehrt in anregender Gesellschaft und lebt sorgenfrei mit seinem besten Freund Franz im geerbten Familienanwesen. Alles könnte gut so bleiben, wie es ist, bis er eines Abends ein Vollbad nimmt und beschließt, nicht mehr aus der Wanne zu steigen. Tag um Tag vergeht, und während Franz ihn geduldig und treu bewirtet, gewinnt er nackt und allein Distanz zur Welt. Sein Leben und die Rollen, die er darin einnimmt, werden ihm fragwürdig. Er legt sie ab wie ein Kostüm, wie seine Garderobe, wie alles, was er jemals getragen hat. Und was bleibt übrig, von einem nackten Sänger ohne Publikum, von einem, der von allem immer nur verschont wurde, der immer nur Applaus gesucht hat? Ein Haufen abgetragener Kleider und Schuhe, die er im Kopf sortiert. Und die Frage, was es wert ist, aus der Wanne zu steigen und sich mit den Menschen zu verbinden.Dieses schmale Buch hat es in sich: Mit beißendem Humor und Sätzen von scharfer Eleganz singt es eine Arie auf Verletzlichkeit und Verantwortung, auf Freundschaft und Treue. Ein Kunststück!
Eine Entdeckung! Elke Heidenreich
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Karoline Heinzl überrascht das Setting von Tine Melzers zweitem Roman. Die Weltflucht eines Baritons ist das Thema, das die Autorin in ihrem Buch verhandelt. Das ist skurril und zugleich komisch zu lesen, findet Heinzl. Dass sich der von einem Faktotum versorgte Protagonist immer wieder in die Badewanne als Schutzort und Schlafstatt zurückzieht, ist nur eine der Seltsamkeiten, die die Hauptfigur umgeben, erklärt Heinzl. Nebenher ensteht das Bild eines Opernkünstlers, meint sie. Stilistisch überzeugt der Text sie mit Präzision und Rhythmus. Nur manchmal ufern die Details allzu sehr aus, so Heinzl.
© Perlentaucher Medien GmbH
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