Miguel de Cervantes' Werk 'Don Quijote von der Mancha' ist ein monumentales Meisterwerk der Weltliteratur. Das Buch erzählt die Geschichte des alternden und geisteskranken Edelmanns Don Quijote, der sich selbst zum Ritter ernannt hat und auf seinem mageren Pferd Rosinante Abenteuer erlebt. Cervantes' literarischer Stil ist sowohl humorvoll als auch tiefgründig, mit einer Vielzahl von satirischen Elementen, die die Gesellschaft seiner Zeit kritisch reflektieren. 'Don Quijote von der Mancha' ist ein bahnbrechender Roman der spanischen Renaissance und hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Weltliteratur ausgeübt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.12.2010Mit Pferd und doppeltem Boden
„Im Wahn bin ich, und im Wahn will ich bleiben.“ – Klaus Buhlert vertraut den Stimmen
und arrangiert den „Don Quijote“ des Cervantes zu einer szenischen Lesung
In den Roman „Don Quijote“ liest man sich hinein wie in eine weite Landschaft. Während man an prügelnden Bauern und Windmühlenflügeln vorbeikommt, reist man zugleich immer tiefer in das Innere des Ritters von der traurigen Gestalt hinein. Auch dieses Innere ist eine weite Landschaft, und der leichtgläubige Leser, dem die Romane den Kopf verwirrt haben, ist darin nur eine von vielen Figuren. Und ganz tritt man in die innere Landschaft Don Quijotes erst ein, wenn man ins Grübeln darüber gerät, von welche Art Wahn eigentlich jemand befallen ist, der Sätze wie diesen sagt: „Im Wahn bin ich, und im Wahn will ich bleiben.“
Der Hörspielregisseur Klaus Buhlert hat jetzt auf der Grundlage von Susanne Langes 2008 erschienener Neuübersetzung eine Bearbeitung des „Don Quijote“ eingespielt. Sie ist eher eine szenische Lesung als ein Hörspiel. Denn sie lässt den Kern des Romans unangetastet: die Erzählerstimme. Diesem Erzähler ist freilich ein Gutteil seines Stoffes abhanden gekommen: der zweite Teil des Romans. Auch vom ersten kann nur einen Auszug geben, wer sich vornimmt, mit sechs CDs, also fünfeinhalb Stunden auszukommen.
Es gehört zum Unverwüstlichen großer Romane und ihrer Helden, dass sie auch als Umrisszeichnung ihre Kraft nicht verlieren. Es muss nur diese Zeichnung etwas Wesentliches treffen. Das ist hier der Fall. Denn Buhlert macht den Hallraum, der im Studio die Stimmen umgibt, zum Schauplatz einer Reise. Sancho Panzas Grauer, Don Quijotes Rosinante sind hörbar mit von der Partie, und ein leicht verfremdeter Flamenco-Gitarrenton gibt dem Roadmovie, das in „Don Quijote“ steckt, seine spanische Färbung.
An sie stellt das Konzept Buhlerts hohe Ansprüche. Es lässt zwar die Erzählerfigur unangetastet, aber dafür wandert der Dialog in die Erzählerstimme ein: Rufus Beck ist nicht nur Don Quijote, sondern auch der Erzähler Don Quijotes, Thomas Thieme nicht nur Sancho Panza, sondern auch der Erzähler Sancho Panzas, und Anna Thalbach nicht nur die schöne Dorotea der in den Roman eingebauten Novelle, sondern auch die Erzählerin Doroteas. Buhlert hält sich nicht sklavisch an dieses Konzept, aber oft übernimmt die Erzählerstimme derjenige, von dem gerade die Rede ist. Das schafft eine reizvolle akustische Entsprechung zu den Spiegeleffekten, die Cervantes in seinen Roman eingebaut hat, und es hat den Vorteil, dass die dergestalt vervielfachte Erzählerstimme über den Figuren schwebt, zugleich aber in die erzählte Welt hineingezogen wirkt.
Dieses Doppelspiel funktioniert nur, wenn die Sprecher ihre Erzähl- und ihre Dialogstimme voneinander absetzen. Rufus Beck kann das natürlich, aber das Strahlungszentrum dieser Produktion ist die Stimme von Thomas Thieme. Er ist als Sancho Panza wie als Sancho-Panza-Erzähler eine Idealbesetzung. Vielleicht liegt es an der Virtuosität, mit der Thiemes Stimme die Bandbreite des plebejisch trockenen Witzes im Dialog wie als Erzähler entfaltet, dass Anna Thalbachs Stimme auch dort, wo sie sich an Don Quijote und Sancho Panza als ihre leibhaftigen Zuhörer wenden müsste, so wirkt, als lese sie ihren Part aus einem Buch vor.
LOTHAR MÜLLER
Miguel de Cervantes
Don Quijote von der Mancha
Übersetzt von Susanne Lange. Sprecher: Rufus Beck, Thomas Thieme,
Anna Thalbach u.a. Regie: Klaus
Buhlert. Hörverlag, München 2010.
6 CD, 332 Min., 29,95 Euro.
Honoré Daumiers Bild des berühmten Paares © The Bridgeman Art Library
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Im Wahn bin ich, und im Wahn will ich bleiben.“ – Klaus Buhlert vertraut den Stimmen
und arrangiert den „Don Quijote“ des Cervantes zu einer szenischen Lesung
In den Roman „Don Quijote“ liest man sich hinein wie in eine weite Landschaft. Während man an prügelnden Bauern und Windmühlenflügeln vorbeikommt, reist man zugleich immer tiefer in das Innere des Ritters von der traurigen Gestalt hinein. Auch dieses Innere ist eine weite Landschaft, und der leichtgläubige Leser, dem die Romane den Kopf verwirrt haben, ist darin nur eine von vielen Figuren. Und ganz tritt man in die innere Landschaft Don Quijotes erst ein, wenn man ins Grübeln darüber gerät, von welche Art Wahn eigentlich jemand befallen ist, der Sätze wie diesen sagt: „Im Wahn bin ich, und im Wahn will ich bleiben.“
Der Hörspielregisseur Klaus Buhlert hat jetzt auf der Grundlage von Susanne Langes 2008 erschienener Neuübersetzung eine Bearbeitung des „Don Quijote“ eingespielt. Sie ist eher eine szenische Lesung als ein Hörspiel. Denn sie lässt den Kern des Romans unangetastet: die Erzählerstimme. Diesem Erzähler ist freilich ein Gutteil seines Stoffes abhanden gekommen: der zweite Teil des Romans. Auch vom ersten kann nur einen Auszug geben, wer sich vornimmt, mit sechs CDs, also fünfeinhalb Stunden auszukommen.
Es gehört zum Unverwüstlichen großer Romane und ihrer Helden, dass sie auch als Umrisszeichnung ihre Kraft nicht verlieren. Es muss nur diese Zeichnung etwas Wesentliches treffen. Das ist hier der Fall. Denn Buhlert macht den Hallraum, der im Studio die Stimmen umgibt, zum Schauplatz einer Reise. Sancho Panzas Grauer, Don Quijotes Rosinante sind hörbar mit von der Partie, und ein leicht verfremdeter Flamenco-Gitarrenton gibt dem Roadmovie, das in „Don Quijote“ steckt, seine spanische Färbung.
An sie stellt das Konzept Buhlerts hohe Ansprüche. Es lässt zwar die Erzählerfigur unangetastet, aber dafür wandert der Dialog in die Erzählerstimme ein: Rufus Beck ist nicht nur Don Quijote, sondern auch der Erzähler Don Quijotes, Thomas Thieme nicht nur Sancho Panza, sondern auch der Erzähler Sancho Panzas, und Anna Thalbach nicht nur die schöne Dorotea der in den Roman eingebauten Novelle, sondern auch die Erzählerin Doroteas. Buhlert hält sich nicht sklavisch an dieses Konzept, aber oft übernimmt die Erzählerstimme derjenige, von dem gerade die Rede ist. Das schafft eine reizvolle akustische Entsprechung zu den Spiegeleffekten, die Cervantes in seinen Roman eingebaut hat, und es hat den Vorteil, dass die dergestalt vervielfachte Erzählerstimme über den Figuren schwebt, zugleich aber in die erzählte Welt hineingezogen wirkt.
Dieses Doppelspiel funktioniert nur, wenn die Sprecher ihre Erzähl- und ihre Dialogstimme voneinander absetzen. Rufus Beck kann das natürlich, aber das Strahlungszentrum dieser Produktion ist die Stimme von Thomas Thieme. Er ist als Sancho Panza wie als Sancho-Panza-Erzähler eine Idealbesetzung. Vielleicht liegt es an der Virtuosität, mit der Thiemes Stimme die Bandbreite des plebejisch trockenen Witzes im Dialog wie als Erzähler entfaltet, dass Anna Thalbachs Stimme auch dort, wo sie sich an Don Quijote und Sancho Panza als ihre leibhaftigen Zuhörer wenden müsste, so wirkt, als lese sie ihren Part aus einem Buch vor.
LOTHAR MÜLLER
Miguel de Cervantes
Don Quijote von der Mancha
Übersetzt von Susanne Lange. Sprecher: Rufus Beck, Thomas Thieme,
Anna Thalbach u.a. Regie: Klaus
Buhlert. Hörverlag, München 2010.
6 CD, 332 Min., 29,95 Euro.
Honoré Daumiers Bild des berühmten Paares © The Bridgeman Art Library
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Yaak Karsunke ruft uns die Vorzüge dieses ganz anderen Ritterromans ins Gedächtnis. Der aus dem sprichwörtlich gewordenen Realitätsverlust des Helden und der (sprachlichen) Gegensätzlichkeit von Herr und Knappe resultierenden Komik verfallen Kritik und Leserschaft offensichtlich noch immer spielend. Ganz besonders, so macht Karsunke unmissverständlich klar, mit der Neu-Übertragung von Susanne Lange und den begleitenden Informationen der Übersetzerin im Anmerkungsteil und im Nachwort. Nicht nur erkennt Karsunke in Lange eine gebildete Kennerin ihres Gegenstands. Ihre sprachliche Fantasie und Fomulierungslust, ihr Sinn für Rhythmus und Witz lassen Apel den 400 Jahre alten Ritter "wie neu geboren" erscheinen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Don Quijote von Miguel de Cervantes ist das Wunderelixier gegen die Tristesse des Daseins. Das Werk über Heldensehnsucht in unheroischen Zeiten wurde famos neu übersetzt." Manfred Schwarz, Welt am Sonntag, 12.10.08 "Jedes Jahrhundert braucht seinen Quijote - wir haben unseren jetzt: Susanne Langes Cervantes-Übertragung." Hans-Martin Gauger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.08 "Nichts für Weichlinge: Der geistvolle Hidalgo Don Quijote verachtet den Alltag, seinen Komfort und seine schlechten Gewohnheiten. Die neue Übersetzung von Susanne Lange bewahrt Rhythmus und Genauigkeit, Witz und Opulenz des Miguel de Cervantes Saavedra." Heinz Schlaffer, Süddeutsche Zeitung, 14.10.08 "Die große Leistung von Cervantes, beinahe ein Wunder, ist nun, dass uns seine Riesenerzählung noch immer bezaubert. Ein Sprachwunder!" Hans-Martin Gauger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.08 "Susanne Langes Neuübersetzung von Cervantes war überfällig. Übersetzungen altern, Originale nicht." Sabine Küchler, Der Tagesspiegel, 11.10.08 "Susanne Lange hat eine Übersetzung von Cervantes Klassiker vorgelegt, die erstmals den ganzen Reichtum dieses Wunderbuches bewahrt." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 16.12.2008 "Der von Susanne Lange ingeniös ins Deutsche übertragene "Don Quijote" dürfte ein Meilenstein der Cervantes-Rezeption werden." Georges Güntert, Neue Zürcher Zeitung, 24.01.09 "Musikalisch. Witzig. Kongenial." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 22.03.09
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021Kampf gegen Lehrpläne
Das Erste, was lateinamerikanische genau wie spanische Schülerinnen und Schüler von "Don Quijote" erfahren, sind Superlative: "Der erste Roman der Moderne!" "Das größte Buch des Spanischen!". Sein Autor, Cervantes, der "Vater der Sprache"! Glauben Lehrpläne wirklich, junge Leute würden sich davon begeistern lassen? So erreichte die Pflicht, "Don Quijote" zu bewundern, in meiner kolumbianischen Kindheit zunächst das Gegenteil: Ich stellte mir das Werk als einen verstaubten Wälzer vor, der Dinge enthält, die nichts mit mir zu tun hatten.
Cervantes sprach da über irgendwelche kastilischen Gasthäuser und trockenen Landschaften, die einem Jungen aus der Millionenstadt Bogotá, der kein einziges Mal in seinem Leben eine echte Windmühle gesehen hatte, nicht fremder hätten erscheinen können. Und dann diese verfluchte, altertümliche Sprache, die ich nicht als meine eigene erkennen konnte! Jugend ist ungeduldig. Und so hätte ich mir damals nicht denken können, dass das alte Spanisch eigentlich auch heute noch wirken kann, wenn man sich darauf einlässt.
Doch ein paar Jahre später empfahl uns ein Lehrer einen Autor, der nicht auf dem Lehrplan stand: den Argentinier Jorge Luis Borges.
Ich war sofort fasziniert. Bei Borges las ich von einer Stelle im ersten Teil des "Quijote", bei der eine Figur über Cervantes spöttisch spricht; und vom zweiten Teil, später erschienen, wo viele Protagonisten den ersten Teil bereits gelesen haben! Plötzlich war das Buch nicht mehr das "wichtigste nach der Bibel", keine Sammlung von Archaismen, sondern ein verrückter postmoderner Roman und die Möglichkeit, nach Borges, "der Freundschaft und der Freude". Langsam näherte ich mich "Don Quijote" wieder an. Nun mit mehr Neugier als Ehrfurcht. Ich habe gelacht. Mitgefiebert. Gestaunt! Der Lehrplan hatte es nicht geschafft, mir den Spaß zu verderben. Dank eines Lehrers, der mir einen anderen Lehrer empfohlen hat: Borges.
Hernán D. Caro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Erste, was lateinamerikanische genau wie spanische Schülerinnen und Schüler von "Don Quijote" erfahren, sind Superlative: "Der erste Roman der Moderne!" "Das größte Buch des Spanischen!". Sein Autor, Cervantes, der "Vater der Sprache"! Glauben Lehrpläne wirklich, junge Leute würden sich davon begeistern lassen? So erreichte die Pflicht, "Don Quijote" zu bewundern, in meiner kolumbianischen Kindheit zunächst das Gegenteil: Ich stellte mir das Werk als einen verstaubten Wälzer vor, der Dinge enthält, die nichts mit mir zu tun hatten.
Cervantes sprach da über irgendwelche kastilischen Gasthäuser und trockenen Landschaften, die einem Jungen aus der Millionenstadt Bogotá, der kein einziges Mal in seinem Leben eine echte Windmühle gesehen hatte, nicht fremder hätten erscheinen können. Und dann diese verfluchte, altertümliche Sprache, die ich nicht als meine eigene erkennen konnte! Jugend ist ungeduldig. Und so hätte ich mir damals nicht denken können, dass das alte Spanisch eigentlich auch heute noch wirken kann, wenn man sich darauf einlässt.
Doch ein paar Jahre später empfahl uns ein Lehrer einen Autor, der nicht auf dem Lehrplan stand: den Argentinier Jorge Luis Borges.
Ich war sofort fasziniert. Bei Borges las ich von einer Stelle im ersten Teil des "Quijote", bei der eine Figur über Cervantes spöttisch spricht; und vom zweiten Teil, später erschienen, wo viele Protagonisten den ersten Teil bereits gelesen haben! Plötzlich war das Buch nicht mehr das "wichtigste nach der Bibel", keine Sammlung von Archaismen, sondern ein verrückter postmoderner Roman und die Möglichkeit, nach Borges, "der Freundschaft und der Freude". Langsam näherte ich mich "Don Quijote" wieder an. Nun mit mehr Neugier als Ehrfurcht. Ich habe gelacht. Mitgefiebert. Gestaunt! Der Lehrplan hatte es nicht geschafft, mir den Spaß zu verderben. Dank eines Lehrers, der mir einen anderen Lehrer empfohlen hat: Borges.
Hernán D. Caro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main