Schlafsucht, Alkohol, geheimnisvolle Begegnungen drei Geschichten von der Nacht und vom Wiedererwachen aus tiefem Schlaf, drei Geschichten über Frauen, deren Herzen und Seelen nicht zur Ruhe kommen. »Diese drei Geschichten sind sozusagen Geschwister in gewissem Sinne könnte man sie vielleicht sogar als eine einzige große Erzählung ansehen.« Banana Yoshimoto"
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.1998Schläfrig in Tokio
Banana Yoshimoto kämpft mit den Kissen
Eine eigentümliche, schicksalsergebene Müdigkeit kennzeichnet die Figuren von Banana Yoshimoto. Melancholisch bemerken sie, daß die Fernsehsendung zu Ende geht, traurige Popsongs zu hören, macht sie nicht wacher. Dieser Wesenszug der Charaktere ist im neuen Erzählband der japanischen Autorin, "Dornröschenschlaf. Drei Erzählungen von der Nacht", zum thematischen roten Faden geworden. Im Alltag wollen die spätpubertären und schon so abgeschlafften Heldinnen die müden Glieder kaum noch dem Streß eines Aushilfsjobs aussetzen, und selbst das Aalfischessen mit dem Geliebten wird ihnen zur Kraftanstrengung. Die energischsten Bewegungsabläufe von Terako, Shibami und Fumi bestehen darin, daß sie sich aufs Bett werfen, um einzuschlafen.
Die internationale, vorwiegend junge Leserschaft, die sich mit Banana Yoshimotos Romanen aufs Bett wirft, um vor dem Einschlafen noch zu lesen, hat der Autorin Millionenauflagen beschert. Bereits der Erstling "Kitchen" war ein Bestseller. Im Nachwort zu ihrem Roman "N.P." nennt Banana Yoshimoto ihre Lieblingssujets: "Liebe, inzestuöse Beziehungen, Telepathie und Symphatie, Okkultismus, Religiosität etc.". In den drei Romanen, die bislang ins Deutsche übersetzt wurden, hat sie diese Mixtur immer wieder variiert und ihren Erfolg wiederholt. Auch in "Dornröschenschlaf" bleibt sie dieser kruden Mischung treu - leider, muß man sagen. Allzu vieles wirkt in den einzelnen Geschichten beliebig aneinandergebastelt. Es scheint, als habe die Autorin, die in Japan ein Buch nach dem anderen veröffentlicht, sich einfach nicht genug Zeit gelassen. Das Reflexionsniveau bleibt konstant auf Futonhöhe.
Die Schlafsucht der Ich-Erzählerinnen ist das Ergebnis von Depressionen unterschiedlicher Stärke. Im Traum erscheinen den Heldinnen einige der Personen wieder, mit denen sie im Alltag zu tun haben. Aber was in der Realität nicht sonderlich spannend ist, wirkt im Traum verfremdet, mystifiziert und wird interessant. Vor allem jüngst Verstorbene bevölkern den Schlaf von Terako, Shibami und Fumi mit fröhlicher Penetranz; mit ihren Schicksalen beschäftigen die Heldinnen sich, weil sie nicht über ihre eigene Leere nachgrübeln wollen. Nach mäßigem Erschrecken über die Traumbotschaften aus dem Totenreich gehen die Heldinnen dann zu solider Interpretation über. In der Erzählung "Eine geheimnisvolle Erfahrung" erkennt Fumi beispielsweise, daß das Auftauchen der an übermäßigem Alkoholgenuß gestorbenen Haru als Warnung vor dem Trinken verstanden werden will, und sie beschließt, fortan Maß zu halten. So ist das Ich wieder Herr im eigenen Haus.
"Dornröschenschlaf", die Titelgeschichte, handelt von Shiori, der toten Freundin der Ich-Erzählerin Terako. Shiori übt den Beruf der "Bei-Schläferin" aus: Sie hilft Leuten, die nachts nicht allein in ihrem Bett liegen wollen. Allerdings erwarten sie nicht die Erfüllung erotischer Träume, sondern lediglich, daß Shiori über Nacht bei ihnen bleibt, um das Gefühl der Einsamkeit zu ersticken, wenn sie aufwachen sollten. Terako erinnert sich an die Freundin, weil sie sich selbst einsam und unglücklich fühlt. Sie könnte den Beistand der Freundin gebrauchen, die es verstand, "die Finsternis der Seelen" ihrer Kunden einzuatmen. Ohne Shioris Hilfe bleibt Terako nur die Flucht in den Schlaf, mit dem sie ihren Kummer betäubt.
Die Erzählung ist originell und aufgrund vieler atmosphärisch dicht geschilderter Situationen wohl die gelungenste. Doch wie bei den beiden anderen Texten stört auch in "Dornröschenschlaf" der platte Jugendjargon. Terako, Shibami und Fumi sind "ziemlich stark abgelenkt", oder sie "markieren den Fan", sind auch mal "total besoffen" oder "total frustriert". Yoshimotos Sprache zwingt offenbar auch die Übersetzer in die Knie. Für jede Erzählung zeichnet eine andere Übersetzerin verantwortlich. Neben dieser sprachlichen Saloppheit ist es vor allem der Hang zur Mystifikation, der den Kitschverdacht verstärkt. So wird mit billigen Mitteln eine gespenstische Stimmung erzielt. In den Nachworten zu ihren Büchern spricht Banana Yoshimoto ihre Leser an, als wären es alte Bekannte. Diesmal teilt sie ihnen mit, sie streife "schon wieder unermüdlich umher auf der Suche nach neuen Erfahrungen des Herzens". Bislang führten diese Streifzüge vor allem auf die Pfade des Kitsches. SILKE SCHEUERMANN
Banana Yoshimoto: "Dornröschenschlaf. Drei Erzählungen von der Nacht". Aus dem Japanischen übersetzt von Annelie Ortmanns, Gisela Ogasa und Anita Brockmann. Diogenes Verlag, Zürich 1998. 166 S., geb., 29,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Banana Yoshimoto kämpft mit den Kissen
Eine eigentümliche, schicksalsergebene Müdigkeit kennzeichnet die Figuren von Banana Yoshimoto. Melancholisch bemerken sie, daß die Fernsehsendung zu Ende geht, traurige Popsongs zu hören, macht sie nicht wacher. Dieser Wesenszug der Charaktere ist im neuen Erzählband der japanischen Autorin, "Dornröschenschlaf. Drei Erzählungen von der Nacht", zum thematischen roten Faden geworden. Im Alltag wollen die spätpubertären und schon so abgeschlafften Heldinnen die müden Glieder kaum noch dem Streß eines Aushilfsjobs aussetzen, und selbst das Aalfischessen mit dem Geliebten wird ihnen zur Kraftanstrengung. Die energischsten Bewegungsabläufe von Terako, Shibami und Fumi bestehen darin, daß sie sich aufs Bett werfen, um einzuschlafen.
Die internationale, vorwiegend junge Leserschaft, die sich mit Banana Yoshimotos Romanen aufs Bett wirft, um vor dem Einschlafen noch zu lesen, hat der Autorin Millionenauflagen beschert. Bereits der Erstling "Kitchen" war ein Bestseller. Im Nachwort zu ihrem Roman "N.P." nennt Banana Yoshimoto ihre Lieblingssujets: "Liebe, inzestuöse Beziehungen, Telepathie und Symphatie, Okkultismus, Religiosität etc.". In den drei Romanen, die bislang ins Deutsche übersetzt wurden, hat sie diese Mixtur immer wieder variiert und ihren Erfolg wiederholt. Auch in "Dornröschenschlaf" bleibt sie dieser kruden Mischung treu - leider, muß man sagen. Allzu vieles wirkt in den einzelnen Geschichten beliebig aneinandergebastelt. Es scheint, als habe die Autorin, die in Japan ein Buch nach dem anderen veröffentlicht, sich einfach nicht genug Zeit gelassen. Das Reflexionsniveau bleibt konstant auf Futonhöhe.
Die Schlafsucht der Ich-Erzählerinnen ist das Ergebnis von Depressionen unterschiedlicher Stärke. Im Traum erscheinen den Heldinnen einige der Personen wieder, mit denen sie im Alltag zu tun haben. Aber was in der Realität nicht sonderlich spannend ist, wirkt im Traum verfremdet, mystifiziert und wird interessant. Vor allem jüngst Verstorbene bevölkern den Schlaf von Terako, Shibami und Fumi mit fröhlicher Penetranz; mit ihren Schicksalen beschäftigen die Heldinnen sich, weil sie nicht über ihre eigene Leere nachgrübeln wollen. Nach mäßigem Erschrecken über die Traumbotschaften aus dem Totenreich gehen die Heldinnen dann zu solider Interpretation über. In der Erzählung "Eine geheimnisvolle Erfahrung" erkennt Fumi beispielsweise, daß das Auftauchen der an übermäßigem Alkoholgenuß gestorbenen Haru als Warnung vor dem Trinken verstanden werden will, und sie beschließt, fortan Maß zu halten. So ist das Ich wieder Herr im eigenen Haus.
"Dornröschenschlaf", die Titelgeschichte, handelt von Shiori, der toten Freundin der Ich-Erzählerin Terako. Shiori übt den Beruf der "Bei-Schläferin" aus: Sie hilft Leuten, die nachts nicht allein in ihrem Bett liegen wollen. Allerdings erwarten sie nicht die Erfüllung erotischer Träume, sondern lediglich, daß Shiori über Nacht bei ihnen bleibt, um das Gefühl der Einsamkeit zu ersticken, wenn sie aufwachen sollten. Terako erinnert sich an die Freundin, weil sie sich selbst einsam und unglücklich fühlt. Sie könnte den Beistand der Freundin gebrauchen, die es verstand, "die Finsternis der Seelen" ihrer Kunden einzuatmen. Ohne Shioris Hilfe bleibt Terako nur die Flucht in den Schlaf, mit dem sie ihren Kummer betäubt.
Die Erzählung ist originell und aufgrund vieler atmosphärisch dicht geschilderter Situationen wohl die gelungenste. Doch wie bei den beiden anderen Texten stört auch in "Dornröschenschlaf" der platte Jugendjargon. Terako, Shibami und Fumi sind "ziemlich stark abgelenkt", oder sie "markieren den Fan", sind auch mal "total besoffen" oder "total frustriert". Yoshimotos Sprache zwingt offenbar auch die Übersetzer in die Knie. Für jede Erzählung zeichnet eine andere Übersetzerin verantwortlich. Neben dieser sprachlichen Saloppheit ist es vor allem der Hang zur Mystifikation, der den Kitschverdacht verstärkt. So wird mit billigen Mitteln eine gespenstische Stimmung erzielt. In den Nachworten zu ihren Büchern spricht Banana Yoshimoto ihre Leser an, als wären es alte Bekannte. Diesmal teilt sie ihnen mit, sie streife "schon wieder unermüdlich umher auf der Suche nach neuen Erfahrungen des Herzens". Bislang führten diese Streifzüge vor allem auf die Pfade des Kitsches. SILKE SCHEUERMANN
Banana Yoshimoto: "Dornröschenschlaf. Drei Erzählungen von der Nacht". Aus dem Japanischen übersetzt von Annelie Ortmanns, Gisela Ogasa und Anita Brockmann. Diogenes Verlag, Zürich 1998. 166 S., geb., 29,- DM.
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»Was für ein Talent! Banana Yoshimoto schreibt wunderbar subtile, wundersam verstörende Bücher, in denen Japans Jugend endlich Stimme bekommt.« Stern Stern