Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Hegel, als er die Geschichte erfand, wünschte sich wie alle Väter, dass sein Baby über die Maßen mit Vernunft gesegnet sei. Mit einem kleinen hygienischen Eingriff half er nach, indem er Leiden, Schmutz und Aberglaube kurzerhand ausschloss. Nicht nur das ungezähmte Afrika flog so aus der Weltgeschichte heraus, auch Sibirien: "Die ganze Beschaffenheit des Landes ist nicht derart, dass es ein Schauplatz geschichtlicher Kultur wäre." Ausgehend von der Unterstellung, der nach Sibirien verbannte Dostojewskij könnte 1854 in Semipalatinsk ebendiesen Passus gelesen haben, der ihn gewissermaßen noch einmal verbannte, ja geradezu negierte, hat László Földényi einen wunderbar intelligenten und stilistisch brillanten Essay verfasst, der sich zum Plädoyer für die Denkfreiheit weitet. Földényi liest dabei Dostojewskijs "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" (die "Bibel des Aufbegehrens") als Replik auf das alle Zufälligkeiten und damit das bunte Leben selbst ausschließende, absolute Geschichtsverständnis. Jetzt scheint die Vernunft der eigentliche Kerker zu sein, ängstlich abgegrenzt zu allen Seiten hin. Dostojewskij hingegen sei, weil er die Hölle wahrzunehmen gezwungen war - die bunte Sibiriens und die graue der modernen Zivilisation -, für die Überschreitung der Spiel- und Einbahnstraße Aufklärung auch zur anderen Seite hin offen gewesen: "Wir könnten es als göttliche List verstehen, dass sich Dostojewskij gerade in Sibirien (. . .) von der Existenz Gottes (. . .) überzeugte." (László Földényi: "Dostojewskij liest in Sibirien und bricht in Tränen aus". Aus dem Ungarischen übersetzt von Hans Skirecki. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2008. 64 S., 10,- [Euro].) oju
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH