Driver ist kein Verbrecher. Jedenfalls nicht im engeren Sinne. Er ist nur der beste Stuntfahrer, den man in Hollywood kriegen kann. Und manchmal fährt er bei Raubüberfällen den Fluchtwagen, obwohl ihn das gar nicht so richtig interessiert. Genauso wenig wie die Hollywoodfilme. Eigentlich will er nur fahren. Aber dann läuft einer dieser Überfälle schief, und Driver findet sich in einem schäbigen Motel in Arizona wieder, mit mehreren Leichen im Zimmer und einer Tasche voller Geldscheine. Eigentlich sollte auch er tot sein, denn der Raubüberfall war eine abgekartete Sache ... "Driver" von James Sallis ist ein literarischer Glücksfall: ein fesselnder, atmosphärisch dichter und zugleich virtuos erzählter Kriminalroman, eine Hommage an den klassischen Roman noir, die fast beiläufig zu großer Literatur wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2007Tarantinnitus
Das abgeschnittene Ohr aus "Reservoir Dogs", die kernigen Sprüche aus "Pulp Fiction", die durcheinandergeratene Chronologie der Episoden aus "Jackie Brown" und schließlich den Stuntman als Hauptfigur aus "Death Proof": alle diese Zutaten aus den Filmen Quentin Tarantinos vereint James Sallis in seinem Kriminalroman "Driver". Der so getaufte junge Titelheld tut nichts, will eigentlich nur Fluchtwagen fahren - bis man ihm ans Leder geht und er sich zwangsläufig verteidigen muss. Dies unternimmt er mit größter Kaltblütigkeit, etwa so, wie man es bei "Kill Bill" sehen konnte: bis auch der letzte Gegner dahingemetzelt ist. Gegen die unappetitliche Gewalt setzt Sallis zwar noch die kulinarische Vielfalt Südkaliforniens; das ist jedoch schwer genießbar, wenn man so viel Blut vor Augen und das Lied vom Tod ständig im Ohr hat. (James Sallis: "Driver". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Bürger. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2007. 159 S., geb., 16,90 [Euro].) wiel
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das abgeschnittene Ohr aus "Reservoir Dogs", die kernigen Sprüche aus "Pulp Fiction", die durcheinandergeratene Chronologie der Episoden aus "Jackie Brown" und schließlich den Stuntman als Hauptfigur aus "Death Proof": alle diese Zutaten aus den Filmen Quentin Tarantinos vereint James Sallis in seinem Kriminalroman "Driver". Der so getaufte junge Titelheld tut nichts, will eigentlich nur Fluchtwagen fahren - bis man ihm ans Leder geht und er sich zwangsläufig verteidigen muss. Dies unternimmt er mit größter Kaltblütigkeit, etwa so, wie man es bei "Kill Bill" sehen konnte: bis auch der letzte Gegner dahingemetzelt ist. Gegen die unappetitliche Gewalt setzt Sallis zwar noch die kulinarische Vielfalt Südkaliforniens; das ist jedoch schwer genießbar, wenn man so viel Blut vor Augen und das Lied vom Tod ständig im Ohr hat. (James Sallis: "Driver". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Bürger. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2007. 159 S., geb., 16,90 [Euro].) wiel
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2008Ich bin nur der Fahrer
Klingt kurios, funktioniert aber großartig: „Driver” von James Sallis
Am Steuer eines Autos ist Driver so gut wie kein Zweiter. Mehrere Jahre war er der begehrteste Stuntman der Traumfabrik, bis er feststellte, dass man auch anders Geld verdienen kann. Wenn irgendwo an der Westküste ein großer Überfall steigt, ist er dabei – und versucht zugleich am Rande zu bleiben. Sein Credo lautet: „Ich beteilige mich an nichts, ich kenne niemanden, ich bin unbeteiligt. Ich fahre.” Dann aber geht eines Tages alles schief. Um zu überleben, muss der von der Mafia Gejagte plötzlich tun, was er zuvor vermieden hat: Er muss handeln. Und töten.
Einmal hat er am Remake eines Films von Robert Mitchum mitgewirkt. Das passt. Driver ist so gebrochen, so stoisch wie die Männer, die der ungewöhnlichste aller männlichen Stars des alten Hollywood in seinen besten Rollen verkörpert hat. Worte macht der Einzelgänger nicht viele, und auch sein Autor tut dies nicht. Gerade in den dramatischsten Momenten nimmt James Sallis sich gerne zurück. Wenn ein mit Schrotflinte bewaffneter Gangster in einem Fenster stecken bleibt, heißt es nur: „Driver sah das Rasiermesser neben dem Waschbecken liegen. Er benutzte es.”
Von der Gegenwart, in der sich Driver aus dem Schlamassel, in das er geraten ist, zu befreien sucht, wird immer wieder in verschiedene Schichten der Vergangenheit zurückgeblendet. Das dient der Spannungssteigerung und macht in unaufdringlicher Weise deutlich, wie die Hauptfigur zu dem wurde, was sie ist. Der einzige Freund Drivers, ein freakiger Drehbuchautor, arbeitet an einem Film, der „etwas total Neues” sein soll: „Virginia Woolf, plus Leichen und heiße Verfolgungsjagden.” Das klingt kurios. Aber so ähnlich funktioniert dieses Buch. Und es ist wunderbar.CHRISTOPH HAAS
JAMES SALLIS: Driver. Roman. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2007. 160 Seiten, 16,90 Euro.
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Klingt kurios, funktioniert aber großartig: „Driver” von James Sallis
Am Steuer eines Autos ist Driver so gut wie kein Zweiter. Mehrere Jahre war er der begehrteste Stuntman der Traumfabrik, bis er feststellte, dass man auch anders Geld verdienen kann. Wenn irgendwo an der Westküste ein großer Überfall steigt, ist er dabei – und versucht zugleich am Rande zu bleiben. Sein Credo lautet: „Ich beteilige mich an nichts, ich kenne niemanden, ich bin unbeteiligt. Ich fahre.” Dann aber geht eines Tages alles schief. Um zu überleben, muss der von der Mafia Gejagte plötzlich tun, was er zuvor vermieden hat: Er muss handeln. Und töten.
Einmal hat er am Remake eines Films von Robert Mitchum mitgewirkt. Das passt. Driver ist so gebrochen, so stoisch wie die Männer, die der ungewöhnlichste aller männlichen Stars des alten Hollywood in seinen besten Rollen verkörpert hat. Worte macht der Einzelgänger nicht viele, und auch sein Autor tut dies nicht. Gerade in den dramatischsten Momenten nimmt James Sallis sich gerne zurück. Wenn ein mit Schrotflinte bewaffneter Gangster in einem Fenster stecken bleibt, heißt es nur: „Driver sah das Rasiermesser neben dem Waschbecken liegen. Er benutzte es.”
Von der Gegenwart, in der sich Driver aus dem Schlamassel, in das er geraten ist, zu befreien sucht, wird immer wieder in verschiedene Schichten der Vergangenheit zurückgeblendet. Das dient der Spannungssteigerung und macht in unaufdringlicher Weise deutlich, wie die Hauptfigur zu dem wurde, was sie ist. Der einzige Freund Drivers, ein freakiger Drehbuchautor, arbeitet an einem Film, der „etwas total Neues” sein soll: „Virginia Woolf, plus Leichen und heiße Verfolgungsjagden.” Das klingt kurios. Aber so ähnlich funktioniert dieses Buch. Und es ist wunderbar.CHRISTOPH HAAS
JAMES SALLIS: Driver. Roman. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2007. 160 Seiten, 16,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Allzu klar ist Tobias Gohlis' Nacherzählung des Thrillers nicht. Vielleicht ist es die Ergriffenheit, die ihn noch um Worte ringen lässt. Denn dass er "Driver" meisterhaft findet - daran lässt der Rezensent keinen Zweifel. Es geht noch mal um einen einsamen amerikanischen Helden wie aus dem Kino, einen "Driver", der in Hollywood mit Virtuosität Autos zu Schutt fährt, der hier in eine unklare Rachehandlung gerät und dabei stets ein kühler Beobachter bleibt. Nebenbei findet er Zeit, mit seinem Wohnungsgenossen, einem Drehbuchschreiber, Gespräche über Celan zu führen. Sind nur 160 Seiten, aber sie haben Gohlis gepackt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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