Die meisten Geschichten erzählen von großen, ungewöhnlichen Freundschaften. Von Freunden, die durch dick und dünn gehen und sich niemals im Stich lassen. Hilary Smith erzählt eine Freundschaftsgeschichte mal ganz anders: Denn kann das Ende einer Freundschaft nicht auch ein Beginn sein? Annabeth und Noe. Noe und Annabeth. So war es schon immer. Gemeinsam schmiedeten sie Pläne für die Studentenzeit in Paris. Sie würden einen Goldfisch besitzen, die Nächte durchquatschen und lauter wilde Partys feiern. Als sich die Schulzeit dem Ende nähert, ist Annabeth daher bereit - bereit für alles. Für eine gemeinsame Zukunft mit ihrer besten Freundin. Doch plötzlich ändert Noe ihre Pläne. Es gibt einen Jungen an ihrer Seite, eine andere Universität ist im Gespräch und die gemeinsamen Nachmittage finden immer seltener statt. Die Freundschaft erscheint wie ein alter Lieblingspulli: ehemals heiß und innig geliebt, jetzt kratzig und viel zu eng. Annabeth muss sich fragen, ob sie bereit ist, Noe aufzugeben, um der Mensch zu werden, der sie wirklich sein will.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, CY, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, IRL, I, L, M, NL, P, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2017Das Monster in mir
Hilary T. Smiths Heldin lernt, zu sich selbst zu stehen
Ihr Vater war gemein zu ihrer Mutter, deshalb ist sie nicht mit ihm zusammengeblieben: So viel hatte Annabeth schon über ihre Eltern gewusst, bevor sie auf die Highschool kam. Dann war, fand ihre Mutter, die richtige Zeit, ihr zu sagen, was wirklich war. So behutsam wie möglich. Dass es nicht nur irgendeine Gemeinheit war, sondern Vergewaltigung, bei einer Kanu-Expedition der Uni. Aber da war Annabeth schon eine Woche lang das Wort Monster im Kopf herumgegangen, als ihre Mutter mit ihr sprach. Ihre Cousine Ava hatte etwas aufgeschnappt und Annabeth genüsslich mit der Neuigkeit gequält: "Muss sich für sie wie in ,Alien' angefühlt haben, dass da was in ihr heranwächst, was sie gar nicht haben wollte."
Diese unerwartete Grausamkeit war ein Tiefschlag für die damals dreizehn Jahre alte Ich-Erzählerin, die sich seitdem als Monster fühlt. Sie ist ein Tiefschlag auch für die Leser, die Annabeth in Hilary T. Smiths Jugendroman "Du & ich - Best friends for never" durch ihr letztes Highschool-Jahr begleiten und nach ein paar Andeutungen möglicher Probleme und ein paar unerklärlichen Sarkasmen auf einmal eine Idee davon bekommen, warum sie sich auch im Sommer anziehen möchte, als könnte sie in einen Schneesturm geraten, warum sie immer mit einem Buch mit Überlebenstricks in der Wildnis herumläuft und was ihr an der quirligen Noe so wichtig ist.
"Die Freundschaft mit Noe war mein Schatz, den ich wie ein Drache bewachte, ein Juwel, das ich immer fest in der Faust hielt", so beschreibt Annabeth auf den ersten Seiten, was beide verbindet, "keine Ahnung, wer ich ohne den ständigen Abdruck dieses Juwels in meiner Handfläche gewesen wäre, ohne seinen kühlen Glanz, der meinen Weg beleuchtete". Dabei lässt sie sich von Noe nur deshalb dazu überreden, mit ins Turn-Team der Schule zu kommen, um ihrer Freundin nah zu sein. Dabei stellt sich heraus, dass Noe eine ganze Reihe von gemeinsamen Träumereien, die Annabeth für gegenseitige Versprechen hält, nicht so ernst nimmt: die gemeinsame Entscheidung für einen Studienort, das gemeinsame Wohnheimzimmer, das Jahr in Paris. Dabei weiß Annabeth mit Noes Freunden in der Regel nicht viel anzufangen, und als sie sich dann doch ganz gut mit Steven versteht, auf eine eigene, überraschende Weise, ist es Noe, die damit nicht viel anzufangen weiß.
Vielleicht würden die Spannungen und Spinnereien dieses Trios einen Jugendroman schon tragen, zumal, wenn sie so genau erzählt werden, wie Hilary T. Smith es macht. Doch die Autorin aus Oregon setzt ihre Geschichte mit einer weiteren Wendung unter Strom: Annabeth wird schwanger, nach einem übermütigen ersten Mal mit einem flüchtig bekannten Jungen. Auch wenn sie sich in dieser Nacht im Orchideenhaus immer wieder vergewissert haben, dass beide wollen, was gerade geschieht: Die Parallele zu den Erlebnissen ihrer Mutter sind Annabeth klar. So klar wie der Entschluss, ohne deren Wissen eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
Wie Annabeth und ihre Mutter danach und überhaupt mit ihren widersprüchlichen und vielen bislang unausgesprochenen Gefühlen wieder zueinanderfinden, ist der emotionale Schwerpunkt des Buchs: Wenn es ein Monster in dieser Geschichte gibt, dann ist es das Monster des Schweigens über die Vergewaltigung. Dass es einen Weg gibt, sich von einem solchen Erlebnis die Lebensenergie nicht nehmen zu lassen, als Mutter und als Tochter, zeigt dieses Buch mit seinen Themen wie Eigenständigkeit und Vertrauen genauso unkompliziert und unaufdringlich wie den Umstand, dass auch andere Siebzehnjährige ihre dunklen Geheimnisse und bedrückenden Probleme haben.
Am Ende findet Hilary T. Smith ein überzeugendes Bild des Abschieds für Annabeth und Noe - und eines für den Aufbruch von Mutter und Tochter in ein freieres Leben. In das Annabeth das Buch ihrer Mutter mit den Überlebenstipps für die Wildnis sicher begleiten wird. Schließlich hat es sich doch schon als Rettungsinsel beim Überleben in der Highschool bewährt.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Hilary T. Smith: "Du & ich - Best friends for never".
Aus dem Englischen
von Jenny Merling.
Fischer FJB, Frankfurt am Main 2017. 368 S., br.,
16,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hilary T. Smiths Heldin lernt, zu sich selbst zu stehen
Ihr Vater war gemein zu ihrer Mutter, deshalb ist sie nicht mit ihm zusammengeblieben: So viel hatte Annabeth schon über ihre Eltern gewusst, bevor sie auf die Highschool kam. Dann war, fand ihre Mutter, die richtige Zeit, ihr zu sagen, was wirklich war. So behutsam wie möglich. Dass es nicht nur irgendeine Gemeinheit war, sondern Vergewaltigung, bei einer Kanu-Expedition der Uni. Aber da war Annabeth schon eine Woche lang das Wort Monster im Kopf herumgegangen, als ihre Mutter mit ihr sprach. Ihre Cousine Ava hatte etwas aufgeschnappt und Annabeth genüsslich mit der Neuigkeit gequält: "Muss sich für sie wie in ,Alien' angefühlt haben, dass da was in ihr heranwächst, was sie gar nicht haben wollte."
Diese unerwartete Grausamkeit war ein Tiefschlag für die damals dreizehn Jahre alte Ich-Erzählerin, die sich seitdem als Monster fühlt. Sie ist ein Tiefschlag auch für die Leser, die Annabeth in Hilary T. Smiths Jugendroman "Du & ich - Best friends for never" durch ihr letztes Highschool-Jahr begleiten und nach ein paar Andeutungen möglicher Probleme und ein paar unerklärlichen Sarkasmen auf einmal eine Idee davon bekommen, warum sie sich auch im Sommer anziehen möchte, als könnte sie in einen Schneesturm geraten, warum sie immer mit einem Buch mit Überlebenstricks in der Wildnis herumläuft und was ihr an der quirligen Noe so wichtig ist.
"Die Freundschaft mit Noe war mein Schatz, den ich wie ein Drache bewachte, ein Juwel, das ich immer fest in der Faust hielt", so beschreibt Annabeth auf den ersten Seiten, was beide verbindet, "keine Ahnung, wer ich ohne den ständigen Abdruck dieses Juwels in meiner Handfläche gewesen wäre, ohne seinen kühlen Glanz, der meinen Weg beleuchtete". Dabei lässt sie sich von Noe nur deshalb dazu überreden, mit ins Turn-Team der Schule zu kommen, um ihrer Freundin nah zu sein. Dabei stellt sich heraus, dass Noe eine ganze Reihe von gemeinsamen Träumereien, die Annabeth für gegenseitige Versprechen hält, nicht so ernst nimmt: die gemeinsame Entscheidung für einen Studienort, das gemeinsame Wohnheimzimmer, das Jahr in Paris. Dabei weiß Annabeth mit Noes Freunden in der Regel nicht viel anzufangen, und als sie sich dann doch ganz gut mit Steven versteht, auf eine eigene, überraschende Weise, ist es Noe, die damit nicht viel anzufangen weiß.
Vielleicht würden die Spannungen und Spinnereien dieses Trios einen Jugendroman schon tragen, zumal, wenn sie so genau erzählt werden, wie Hilary T. Smith es macht. Doch die Autorin aus Oregon setzt ihre Geschichte mit einer weiteren Wendung unter Strom: Annabeth wird schwanger, nach einem übermütigen ersten Mal mit einem flüchtig bekannten Jungen. Auch wenn sie sich in dieser Nacht im Orchideenhaus immer wieder vergewissert haben, dass beide wollen, was gerade geschieht: Die Parallele zu den Erlebnissen ihrer Mutter sind Annabeth klar. So klar wie der Entschluss, ohne deren Wissen eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
Wie Annabeth und ihre Mutter danach und überhaupt mit ihren widersprüchlichen und vielen bislang unausgesprochenen Gefühlen wieder zueinanderfinden, ist der emotionale Schwerpunkt des Buchs: Wenn es ein Monster in dieser Geschichte gibt, dann ist es das Monster des Schweigens über die Vergewaltigung. Dass es einen Weg gibt, sich von einem solchen Erlebnis die Lebensenergie nicht nehmen zu lassen, als Mutter und als Tochter, zeigt dieses Buch mit seinen Themen wie Eigenständigkeit und Vertrauen genauso unkompliziert und unaufdringlich wie den Umstand, dass auch andere Siebzehnjährige ihre dunklen Geheimnisse und bedrückenden Probleme haben.
Am Ende findet Hilary T. Smith ein überzeugendes Bild des Abschieds für Annabeth und Noe - und eines für den Aufbruch von Mutter und Tochter in ein freieres Leben. In das Annabeth das Buch ihrer Mutter mit den Überlebenstipps für die Wildnis sicher begleiten wird. Schließlich hat es sich doch schon als Rettungsinsel beim Überleben in der Highschool bewährt.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Hilary T. Smith: "Du & ich - Best friends for never".
Aus dem Englischen
von Jenny Merling.
Fischer FJB, Frankfurt am Main 2017. 368 S., br.,
16,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Autorin hat eine glaubhafte, ergreifende Freundschaftsgeschichte geschrieben. Buchsichten 20170516