Dieses Buch hat mich auf vielerlei Weise berührt, da es die Themen tiefe Trauer und Bindungsängste aufgreift, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte ziehen. Zudem fand ich es spannend, ein Buch komplett aus der Sicht einer Nigerianerin zu lesen. Das begann bereits mit den
Haarfrisuren (Braids, Locs) und setzte sich mit der beschriebenen Kleidung fort. Einige Dinge musste ich…mehrDieses Buch hat mich auf vielerlei Weise berührt, da es die Themen tiefe Trauer und Bindungsängste aufgreift, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte ziehen. Zudem fand ich es spannend, ein Buch komplett aus der Sicht einer Nigerianerin zu lesen. Das begann bereits mit den Haarfrisuren (Braids, Locs) und setzte sich mit der beschriebenen Kleidung fort. Einige Dinge musste ich erst einmal googeln, um eine optische Vorstellung davon zu bekommen. Erwähnenswert ist hier auch der spannende Bezug zu Künstlerinnen und Kunstwerken der erwähnten Ethnie.
Der Einstieg ins Buch beginnt mit einer Sexszene. Feyi hat nach fünf Jahren das erste Mal wieder Sex. So lange ist es her, dass ihr Ehemann verunglückt ist. Ihr erstes Mal ist ungeschützt und frei von emotionaler Bindung und doch ist es genau das, was Feyi braucht, um kein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem toten Ehemann zu haben, aber dennoch wieder im Leben und damit auch ihrem Körper anzukommen und sich selbst wieder als sexuelles Wesen wahrzunehmen.
»Wenn sie losließ und nur im Hier und Jetzt, ohne Vergangenheit existierte, ging es. Es machte sogar Spaß.«
Eine Weile wirkte Feyis Leben für mich, als gebe es nichts Wichtigeres als Sex, Party, Klamotten und Haare. Das habe ich durchaus nicht als negativ empfunden, es hat mich nur gewundert und dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, ob das möglicherweise ein kultureller Unterschied dazu ist, wie ich aufgewachsen bin, der mir so noch gar nicht bewusst war. Im Deutschland meiner Generation war Arbeit immer das wichtigste Element. Spaß durfte man haben, diesen aber nicht überbewerten. Also ist es möglicherweise ein Generationending, wie viel Spaß erlaubt ist, und ich bin da durchaus offen für mehr Spaß. :)
Feyi selbst hat nicht den typischen Job – ein weiterer spannender Aspekt dieses Buches –, sondern ist Künstlerin, die ihre Kunst nutzt, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.
So richtig tiefsinnig wird der Roman, als Feyi Alim begegnet, der sie von Anfang an wie magnetisch anzieht.
»›War es nur ein Kuss?‹, drängte sie schroff, damit sie der Mut nicht verließ.«
Wirkt das anfänglich oberflächlich, so wird im Laufe der Geschichte klar, dass die seelische Anziehungskraft die körperliche bei Weitem übersteigt. Im Laufe vieler Gespräche stellt Feyi Alim Fragen, die allzu oft in Beziehungen oder bei der Anbahnung von Beziehungen gerade eben nicht gestellt werden. Feyi konfrontiert sich dabei immer wieder mit ihrer Verletzlichkeit, dem alten Schmerz und den neuen und alten Ängsten. Und das ist es, was mich wirklich nachhaltig berührt hat: Diese Ehrlichkeit, diese Schonungslosigkeit beim immer wieder Nachfragen. Dieses nicht darauf vertrauen, dass der andere schon versteht, was ich meine. Dieses Klarstellen und Dranbleiben, auch und besonders wenn es wehtut. Und Alim bietet ihr dafür den perfekten Sparringspartner, denn er betont nicht nur immer wieder, dass er da bleibt, was er will und was er sich wünscht, sondern er wirft Feyi auch wieder auf sich zurück, wenn sie sich hinter Ausflüchten versteckt.
»Woran merken wir, ob’s echt ist? Ich hab Angst, dass du plötzlich aufwachst, mich ansiehst und denkst: Was zur Hölle war mit mir los? Ich habe Angst, dass du aufwachst und ich nicht.« …
»Was passiert, wenn du genug von mir hast?« …
»Du glaubst nicht, dass ich die Wahrheit sage.« …
»Ich glaube, du denkst, dass du die Wahrheit sagst. … Das entspricht vielleicht jetzt gerade deinen Gefühlen.«
»Ich kann dich nicht zwingen, mir zu glauben, Feyi. Den Schritt musst du selbst gehen.«
Alles in allem eine sehr lesenswerte, etwas andere New-Adult-Geschichte mit Protagonisten kurz vor der 30, die bei Weitem nicht so queer wie erwartet ist. Obgleich die Liebesgeschichte letztendlich eher konventionell ist, spricht sie genau das an, woran es in vielen Beziehungen krankt, nämlich auch in einer Beziehung für sich selbst zu sorgen und in allem klar zu sein, gerade bei den Aspekten, bei denen einem das am schwersten fällt. Ein kleiner Bonus sind die leckeren Gerichte, die der Zwei-Sterne-Koch zaubert, die mich direkt inspiriert haben, selbst wieder ein wenig ausgefallener zu würzen.