Breslau 1908: Als eine der mittleren Töchter einer kinderreichen deutsch-polnischen Familie führt Erna Eltzner ein eher unauffälliges Leben. Alles ändert sich, als sie wenige Tage nach ihrem fünfzehnten Geburtstag am Mittagstisch ohnmächtig wird. Nicht nur hört sie Stimmen, auch ein Geist erscheint ihr. Frau Eltzner ist in heller Aufregung: Zeigen sich in ihrer Erna, der sie sich am nächsten fühlt von allen Kindern, die medialen Fähigkeiten, über die auch sie zu verfügen meint? Ernas Vater Friedrich Eltzner gehen die Belange seiner Kinder nicht wirklich etwas an. Doktor Löwe besucht die Kranke, wenngleich er für Übersinnliches wenig übrighat, und rät, nach einem Exorzisten zu schicken. Der wundersame Walter Frommer wird zurate gezogen, seines Zeichens Okkultist und bewandert in esoterischen Belangen. Und Joachim Vogel, zweifellos ein Experte auf seinem Gebiet, der sehr modern über psychische Krankheiten denkt. Wenn Frau Eltzner nun zu Séancen lädt, herrscht feierliche Stille in der Wohnung. Tritt die Tochter mit den Seelen der Verstorbenen in Kontakt, ist die verwitwete Frau Schatzmann, die ihren Mann vermisst, ebenso fasziniert wie ihr Sohn Arthur, der ein großer Physiologe werden will. Handelt es sich um eine Gabe, oder ist Erna dem Wahnsinn verfallen, gar hysterisch? Die Fünfzehnjährige wird zum Phänomen, zum Fall E.E.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Tanya Lieske kann mit diesem frühen Roman von Olga Tokarczuk den Werdegang der Autorin nachvollziehen, ihre Entscheidung, nicht mehr als Psychotherapeutin, sondern als Schriftstellerin zu arbeiten, und die Entwicklung ihrer literarischen Mittel, die sich schon hier erkennen lassen, wie Lieske findet. Die Geschichte einer jungen Frau, die im Breslau um 1900 mediale Fähigkeiten entwickelt und damit das Interesse von Wissenschaftlern und Spiritisten weckt, erzählt die Autorin laut Lieske multiperspektivisch entlang der Frage, ob die Wissenschaft in der Lage sei, Okkultes zu erfassen. Dabei webt sie zeitgenössische Debatten und Theorien ein und entwirft so ein Sittenbild des Bürgertums von Breslau, erklärt Lieske. Ein psychologischer Roman ist das Buch allerdings nicht, findet sie. Dafür sind die Figuren nicht lebendig genug, meint sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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