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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
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Wolf Haas' Roman "Eigentum" über das Sterben und Leben seiner Mutter ist voller Slapstick, Komik und bitterer Sozialgeschichte. "Eigentum" heißt das Buch in rätselhaft-nominaler Kürze, und die graphische Gestaltung macht ein Interpretationsangebot. Denn der Umschlag erinnert an braunes Packpapier, und Haas' Name und Buchtitel sind wie aufgestempelt. Dieser imitierte Eigentumsstempel markiert Verfügungs- und Nutzungsgewalt des Autors, dessen Buch wir Leser jetzt kaufen dürfen, und das doch beim Autor bleibt. Eine unerfüllbare Teilhabe wird angedeutet.
Seine Mutter Marianne Haas, von der das Buch in entwaffnend ehrlicher Weise handelt, wurde vierundneunzig Jahre alt, und ihre größte Sehnsucht blieb unerfüllt, nämlich der Wunsch nach einer Grundbucheintragung von Eigentum, ein Stück Land, ein Haus, eine Wohnung für sich selbst zu erwerben. "Eigentum" erzählt in eindringlicher Weise von diesem unerfüllten Begehren, belegt die Unerreichbarkeit eines simplen Wunsches für eine in einfachen Verhältnissen aufgewachsene österreichische Frau vom Land. Im Kern geht es um Selbstbestimmung und liberale Freiheitsideologie.
"Freiheit und Eigentum" lauten die großen Verfassungsversprechen bürgerlicher Gesellschaften. Oft Zwillingsformel in der politischen Theorie, bezeichnen sie höchste Rechte des Individuums. Ihre Pointe war die absolute Geltung gegen den Staat und gegen Dritte. In Reinhart Kosellecks "Geschichtlichen Grundbegriffen" verfasste der Regensburger Jurist Dieter Schwab vor mehr als fünfzig Jahren den instruktiven Eintrag "Eigentum", der dessen Dimensionen politischer Herrschaft und bürgerlicher Freiheit klärt. Das ist immer noch lehrreich zu lesen und öffnet ein tieferes Verständnis jenes Zielworts des politischen Liberalismus. Denn Eigentum ist nicht nur eine Rechtsfigur, sondern hat außerrechtliche Bedeutungsebenen. Diese Sinngehalte reichen hinab bis in die kleinräumigen, bäuerlichen Verhältnisse, wo Grundeigentum der Anfang jeder Selbstbestimmung geblieben ist. Und heute mündete es in die katastrophale Flächenversiegelung auf dem Land.
Eigentum machte in der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft mündig - politisch und wirtschaftlich. Es beruhte auf Arbeit, aber dieses Versprechen konnte auch ins Leere laufen. Diese Frustration hat ihre privaten und politischen Seiten. Bei Wolf Haas kann man erfahren, wie einer Frau aus der ländlichen österreichischen Gesellschaft, geboren 1923 in der Hyperinflation der Zwischenkriegszeit, trotz eisernen Willens, Tüchtigkeit und lebensweltlicher Klugheit die Verwirklichung dieser Freiheit versagt bleibt. Seine Mutter, geboren als Maria Anna Mayer, ist erst Hausmädchen, wird Serviererin, macht Hotelfachschule, kellnert im Ausland und Inland. Weil es keine Rotweingläser gibt, übt man das Kellnern mit Zetteln, auf denen "Rotweinglas" steht. Sie spart, sammelt Informationen über Aussichten für Grunderwerb. Der Sohn ist ihr Ohrenzeuge und hört von klein auf ihr Mantra "Arbeit, Arbeit, Arbeit", und Sorgen, Sorgen, Sorgen bereiten in ihrem Leben die Männer und die Inflation.
Politische Teilhabe will Marianne Haas eigentlich nicht erwerben, aber es ist eine seltsame Ironie der ländlichen Sprache ihrer Herkunft, dass das Bauerngut im örtlichen Salzburger Dialekt "Lehen" genannt wird (ausgesprochen: Lechn). Denn genau darin bildet sich auch eine Herrschaftsdimension in seinen feudal-mittelalterlichen Ursprüngen ab, die dem Eigentum innewohnt. Grundherrschaft ist in dieser semantischen Variante auch eine Herrschaft über Menschen, nicht nur über Sachen, in der es öffentlich-rechtliche Befugnisse gibt.
Das Eigentumsverständnis der bürgerlichen Gesellschaft ist nüchterner und sehnt sich nach prinzipieller Freiheit durch Individualeigentum als einer politischen Schöpfung. Ihr Grund ist die menschliche Personalität, ihr Ausfluss eine beliebige Verfügungsgewalt über Sachen. Die Sozialbindung wird erst später entdeckt, und sie bleibt merkwürdig schwach ausgeprägt, verglichen mit dem vorgängigen Prinzip der Unantastbarkeit des Eigentums und seiner Ungebundenheit sowie der beliebigen Verfügungsgewalt des Eigentümers. Man kann sich vorstellen, dass für jeden Mann, in seiner Unerreichbarkeit mehr noch aber für Frauen, Grundeigentum ein Sehnsuchtswort war, in dem sich größere, symbolische Ambitionen spiegelten.
Haas' Erzählung spielt in einem vorpolitischen Raum des zwanzigsten Jahrhunderts und ist zugleich Zeugnis einer ungleichen, patriarchalen Gesellschaft, die Unfreiheit generationell und in Geschlechterrollen fortschreibt. Am Ende des lebenslangen Sparens bleibt der Mutter ein "auf immerhin 1,7 m2 angewachsenes Grundstück", das allein ihr gehört, "beste Lage", nämlich auf dem Friedhof. MILOS VEC
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"Ein Sprachspiel und intellektueller Genuss ... eine zärtliche Liebeserklärung ... ein wunderbares Buch." Stefan Kuzmany, Der Spiegel, 02.09.2023
"Wolf Haas kann es, vom Leben schreiben und vom Tod. Und dies so gelungen, wie derzeit selten zu lesen in der autofiktional engagierten Gegenwartsliteratur. ... Wolf Haas verlässt sich trittsicher auf sein erzählerisches Vermögen und schafft einen Sog, der immer wieder kurz stockt, wenn die Abwesenheit auftritt. Nicht zuletzt ist dieser Roman ein so noch nicht gelesenes Buch der Trauer." Aus der Jurybegründung zur Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2023
"Eine helle intellektuelle Freude... Diese Übersetzung von der Immobilie... in das wahre Eigentum von Wolf Haas, das ist schon sensationell gut gelöst." Denis Scheck, SWR lesenswert, 17.12.23
"Wolf Haas ist ein Formkünstler sondergleichen... Das ist alles von höchster Kunstfertigkeit getrieben und doch eine anrührende Mutter-Sohn Geschichte... Die hochartistische Sprache von Wolf Haas verbindet sich so wunderbar mit der tatsächlich auch dialektal aufgeschriebenen Sprache der Mutter - allein das ist schon ein Kunstwerk." Ijoma Mangold
"Wolf Haas hat einen so humorvollen wie tiefsinnigen Roman geschrieben: Ein präzises Sprachkunstwerk - humorvolle Mutterbeschimpfung und lakonische Lobpreisung in einem, von Trauer und Erleichterung gleichermaßen getragen und vor allem durch und durch ein echter Wolf Haas." Andrea Gerk, WDR3 Lesestoff, 30.10.23
"Ja, Wolf Haas kann vom Leben schreiben - und wie! ... Die Bücher leben von ihrem sprachlichen Witz, vom Schmäh, von der Lässigkeit, mit der Haas scheinbar wie nebenbei sozial relevante Themen in eine anarchische Textstruktur und in manchmal abstrus wirkende Plots verpackt." Christoph Schröder, Deutschlandfunk Büchermarkt, 05.09.23
"Auf knapp 160 Seiten gelingt Wolf Haas das Wunder, den eigenen Sound zu bewahren und trotzdem zu trauern. Lachen und weinen gleichzeitig." Barbara Beer, Kurier, 03.09.23