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© BÜCHERmagazin, Tina Muffert (tm)
Vom Dienstmädchen zur gefeierten Schriftstellerin: Graham Swifts englischer Aufstiegsroman "Festtag"
Den eigentlichen Roman bleibt Graham Swift uns schuldig in diesem als Mosaik aus Gegenwart und Vergangenheit angelegten "Festtag": Den Aufstieg des Dienstmädchens Jane zur gefeierten Schriftstellerin und zur Heirat mit einem beliebten Oxforder Philosophen skizziert er nur flüchtig mit den fast widerwillig gegebenen Auskünften in einem Interview, das die alte Schriftstellerin gibt. Mit geradezu penibler Ausführlichkeit schildert er dagegen, was am Anfang ihrer Karriere, dem Bewusstwerden der jungen Frau über ihren Standpunkt, begann, einem "Festtag" im Mai 1924, Muttertag außerdem. "Das moderne Zeitalter war angebrochen", der Erste Weltkrieg hatte die englische Klassengesellschaft erschüttert und ihren Reichtum dezimiert. Alles war möglich, vielleicht auch ein Aufstieg in die gesellschaftlich oberen Ränge.
Noch scheint die Kluft unüberbrückbar. Swift schildert sie in wenigen Sätzen. Zwei junge Menschen allein in einem großbürgerlichen englischen Stadthaus. Beide sind nackt, abgesehen von dem Siegelring, den er trägt, und ihren billigen Ohrringen. Knapper geht es kaum, um das gesellschaftliche Gefälle zwischen dem Paar zu beschreiben. Noch nie hat Jane das Elternhaus ihres Liebhabers durch den Vordereingang betreten, noch nie hat sie in seinem Bett gelegen. Noch nie hat sie sich vorgestellt, seine Braut Emma Hobday zu sein, die er in wenigen Tagen zu heiraten beabsichtigt. Doch ihr Traum löst sich auf mit jedem Kleidungsstück, das er nun sorgfältig anlegt, um sich wie verabredet mit seiner Verlobten in einem Restaurant zu treffen, während Jane immer noch nackt und reglos auf dem Bett liegen bleibt und überlegt, ob er ihren Liebesdienst wieder wortlos mit einem Sixpence bezahlt.
Jane besitzt nur ihren schönen Körper und ihren Verstand. Mit beiden gelingt es ihr, so weit zu kommen, dass sie als alte Frau auf ein gelungenes Leben zurückblicken kann. Bücher und insbesondere die von Joseph Conrad haben ihr geholfen, sich weiterzuentwickeln. Zumindest darüber kann sie reden. Alles, was an dem "Festtag im Mai" geschah, bleibt ihr Geheimnis. Auch vom tragischen Ende ihres Liebhabers, der mit seinem Sportwagen auf der Fahrt zu seiner Braut tödlich verunglückte, wird sie ihren Interviewpartnern nichts erzählen.
Graham Swift hat in diesem schmalen Buch mit einem faszinierenden Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit, von geheimen Gedanken und lakonischen Sentenzen ein unvergessliches Gesellschaftbild entworfen.
MARIA FRISÉ.
Graham Swift: "Ein Festtag". Roman.
Aus dem Englischen von Susanne Höbel.
Dtv, München 2017. 142 S., geb., 18,50 [Euro].
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