Wir schreiben das Jahr 2025: Der Treibhauseffekt hat voll zugeschlagen, im Loiretal wird nicht mehr Wein, sondern Reis angebaut, die meisten Säugetiere sind ausgestorben und das Essen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Ty Tierwater, militanter Umweltschützer, verbrachte mehr Zeit im Knast als in der freien Natur. Da taucht eines Tages seine zweite Frau Andrea mit einem ganz besonderen Anliegen auf...
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"Mit Sarkasmus und Witz schildert Boyle eine verwüstete, zerstörte Welt, in der noch immer ein Fünkchen Hoffnung keimt." ZDFtext
"Eigentlich tragisch - und dennoch werden permanent die Lachmuskeln strapaziert, denn Boyle begnügt sich nicht mit dem üblichen satirischen Fallobst, sondern pirscht auf der Suche nach dem Komischen in weit entlegene Zonen." Erich Demmer in der 'Presse'
"Wie so oft bei T. C. Boyle stürzt der Held von einer Katastrophe in die nächste. Und wie immer kann man von so viel schaurig-schönem Unglück gar nicht genug bekommen." Brigitte
"T. C. Boyle läuft zur gewohnten Hochform auf ... man schaudert vergnügt aufs neue, den Meister am Werk zu sehen." Joachim Scholl in der 'Welt'
"T. C. Boyle ist ein aufregendes Buch gelungen, das jenseits von Optimismus und Pessimismus einfach nur von unlösbaren Problemen handelt. Es ist diese Art von Unlösbarkeit, von deren Wahrnehmung unser pausbäckiger Realismus nicht mal zu träumen wagt." Walter van Rossum in der 'Zeit' (Literaturbeilage)
"Eigentlich tragisch - und dennoch werden permanent die Lachmuskeln strapaziert, denn Boyle begnügt sich nicht mit dem üblichen satirischen Fallobst, sondern pirscht auf der Suche nach dem Komischen in weit entlegene Zonen." Erich Demmer in der 'Presse'
"Wie so oft bei T. C. Boyle stürzt der Held von einer Katastrophe in die nächste. Und wie immer kann man von so viel schaurig-schönem Unglück gar nicht genug bekommen." Brigitte
"T. C. Boyle läuft zur gewohnten Hochform auf ... man schaudert vergnügt aufs neue, den Meister am Werk zu sehen." Joachim Scholl in der 'Welt'
"T. C. Boyle ist ein aufregendes Buch gelungen, das jenseits von Optimismus und Pessimismus einfach nur von unlösbaren Problemen handelt. Es ist diese Art von Unlösbarkeit, von deren Wahrnehmung unser pausbäckiger Realismus nicht mal zu träumen wagt." Walter van Rossum in der 'Zeit' (Literaturbeilage)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2001Naturfreund, Volksfeind
Biomachismo: T.C. Boyles Horrortrip · Von Heinrich Detering
Was im Jahr 2026 vom blauen Planeten übrigbleibt, ist "das Sabbern der Hyänen". Es ist die Zeit der Aasfresser: Die Überlebenden nähren sich von den Resten einstigen Lebens. In der kollabierenden Biosphäre vegetiert eine immer noch wachsende Weltbevölkerung zwischen Sintflut und Dürre, Wirbelstürmen und Müllbergen. Wo offenes Land war, fressen sich Riesenstraßen durch Rodungsgebiete und über abrutschende Berghänge; in einstigen Reservaten breiten sich Neubaugebiete und Einkaufszentren aus, Millionenstädte sind der urbane Normalfall geworden. Nashörner und Elefanten sind Legenden der Vergangenheit, die Wälder gerodet, und was vom europäischen Weinanbau übrig ist, hat sich zurückgezogen ins Umland von Oslo. In Kalifornien ist derweil alles "naß und verschimmelt, Bücher zerfallen auf den Regalen, Nacktschnecken kriechen aus der Teekanne". Während hier die letzten amerikanischen Helden durch eine Welt waten, in der es nach "Endzeitschimmel" riecht, denken sie wehmütig zurück an die Zeiten, in denen noch über Wörter wie Global Warming oder El Niño debattiert wurde.
Aus dieser Welt blickt der mittlerweile fünfundsiebzigjährige Naturschutzaktivist Ty auf die Jahre zurück, in denen alles anfing, damals, Anfang der Neunziger. Da stand auf seiner Visitenkarte als Berufsangabe nur "Ökoagitator". Damals vertraute die Ökobewegung noch auf die Vereinigung von Biologie und Esoterik, auf das Bündnis von "Tantra-Tussi" mit "Mutter Erde". Wer "mit dem inneren Selbst Kontakt aufgenommen" hatte, Batikshirts trug und zur Musik der Grateful Dead in Thoreaus Essays las, war damals dem Paradies nicht mehr fern; außer gutem Marihuana fehlten dazu nur noch Joghurt-Dips und Sojaburger. Seit jenen friedensbewegten Anfängen aber hat sich nicht nur der Ökoagitator gewandelt, sondern auch die Welt um ihn herum. Mit der Blockade eines Waldes in Oregon hat der Ausstieg in die Illegalität begonnen, und seither ist der Aktivist zum Desperado und Medienstar geworden, zum Einzelkämpfer gegen die Konzerne und, so sein sensationsträchtiger Beiname, zur "menschlichen Hyäne".
Übertroffen wird Tys Ruhm nur noch durch den seiner Tochter, der Hungerkünstlerin und heiligen Märtyrerin der Bäume. "Damals", im Sommer 2001, ist sie nach dreijähriger Besetzung eines Redwoodbaumes entkräftet zu Tode gestürzt. Ein Vierteljahrhundert später führt nun der Vater ein Manuskript zu Ende, das einmal das Leben und Sterben der Tochter medienwirksam verklären sollte. Der Text gerät ihm zur desillusionierten Geschichte seiner Kämpfe zur Rettung der Erde - in jenem Augenblick, in dem beide am Ende sind. Im Wechsel zwischen vorher und nachher, zwischen Innen- und Außenansicht des Helden entsteht dabei ein schauerlich-tragikomisches Kippbild. Und unversehens gerät Tys wüste Geschichte zur Parabel über Avantgarde und Demokratie, Moral und Macht.
Dabei besteht an krassem Realismus sowenig Mangel wie an grotesken Szenerien. Einen nicht geringen Teil seiner Überzeugungskraft bezieht Boyles Roman aus der Genauigkeit, mit der er die großen Visionen zuschanden werden läßt an der Gebrechlichkeit des Körpers. Wie fühlt es sich an, wenn man in der Mittagshitze auf einem entlegenen Forstweg ausharrt, mit betongefüllten Windeln eingemauert in eine Straßensperre? Wie verzehrt man Insekten? Und wie inszeniert man eine spektakuläre Flucht aus dem Gefängniskrankenhaus, wenn man dabei ein hinten offenes Nachthemd trägt? Daß sich im Adam-und-Eva-Experiment die reale Wildnis nicht als Paradies, sondern als Höllenort erweist, müssen die Fans nicht wissen, die den Provokateuren zujubeln wie Propheten eines besseren Lebens - auch nicht, daß das Unternehmen einer Arche Noah in der Luxusvilla ein im Wortsinne bestialisches Ende nehmen wird. Nein, nicht nur die tote Tochter ist zum Opfer eines zunehmend wahnhaften Privatkriegs geworden, sondern auch Ty selbst. Es gehörte zu seiner revolutionären Strategie, das Private öffentlich zu machen. Daß er es dann restlos an die Öffentlichkeit verliert, war nicht eingeplant.
Aus Empörung über das, was er die planetarische "Endlösung" nennt, nimmt der Held so die Zerstörung seiner Familie, seines Lebens in Kauf. Was bedeutet schließlich "eine Ehe, eine Tochter, ein Spießerleben im Vergleich zum Schicksal der Erde?" Es ist die vielleicht bemerkenswerteste Leistung dieses Romans, daß er diese Frage bis zum Schluß offenläßt. Denn daß Ty im Unrecht war, gibt seinen Gegnern keineswegs recht. Im Gegenteil. Die anonyme und allgegenwärtige Macht, der er sich gegenübersieht, macht sehr begreiflich, wie hier Gewalt entsteht und warum sie zu nichts führen kann.
Boyles wilde Erzählung ist ein kalkulierter Horrortrip, und daß das Kalkül so präzise aufgeht, verdankt sich einem weltliterarischen Modell, das im Text versteckt ist wie ein Bilderrätsel. "Um ein Freund der Erde zu sein", lautet das titelgebende Credo des Einzelkämpfers, "muß man ein Feind der Menschen werden." Da er im Laufe des Romans nicht nur Kafka und Bob Dylan zitiert, sondern auch Ibsens Autonomiedrama "Nora" und Molières "Menschenfeind", ergibt sich im Schnittpunkt der Anspielungen das Lösungswort beinahe von selbst. Es ist Henrik Ibsens "Volksfeind". Man erinnert sich: Als Doktor Stockmann entdeckt, daß das Wasser des Badeortes lebensbedrohlich verseucht ist, will ihn niemand anhören. So unüberwindlich ist das politische Bündnis von Dummheit und Habgier, daß der wohlmeinende Aufklärer am Ende tatsächlich zu jenem Volksfeind wird, als den ihn eine demagogische Presse schon von Beginn an dargestellt hat. In wüsten Ausrottungs- und Züchtungsphantasien ergeht sich der Ohnmächtige; und während er mitsamt seiner Familie vor die Hunde geht, wütet das ökologische Übel ungehindert fort.
T.C. Boyle hat Ibsens ambivalentes Lehrstück aus der norwegischen Provinz ins Planetarische übertragen, und er hat mit den Schauplätzen auch die Konflikte ins Globale vergrößert. Sein Roman ist monströs und böse, ein grelles, grausiges Spektakel. Doch wie im Theater der norwegischen Sphinx, so waltet auch hier unter dem Zynismus eine verteufelte Humanität. Kein Zweifel, Ty ist ein Scheusal wie Ibsens Stockmann. Aber man kann nicht umhin, ihn zu mögen. Oder wollen wir es etwa mit jener kompakten Majorität halten, die sich noch in Sichtweite des eigenen Exitus feixend Buttons ansteckt mit Slogans wie "Arbeiten Sie für Ihr Geld, oder sind Sie Umweltschützer?" Einmal angekommen aber auf der Seite der Besserwissenden, finden wir uns bei Ibsen wie bei Boyle unversehens in einer Avantgarde wieder, die den Kampf gegen eine selbstmörderische Ökonomie mit selbstmörderischen Mitteln betreibt.
Wenn allerdings den Autobiographen Ty zunehmend das Gefühl beschleicht, er sei weniger Aktivist als vielmehr Akteur einer Schmierenkomödie, dann handelt es sich dabei nicht allein um ein moralisches Problem, sondern leider auch um ein ästhetisches. Passagenweise gerät der dirty old man beim Erzählen seiner Geschichte derart ins Chargieren (und seinem Autor außer Kontrolle), daß der Overkill seiner Metaphern sich wie eine Parodie auf den Stil der hard-boiled novels liest. Da zeigt sich der Ozean "frisch gestärkt und blau wie ein Gewehrlauf", eine Frau betört durch ihr "Dreihundertwattlächeln und Radaraugen", und eine andere blickt mit "Augen wie zwei kalte Planeten, die in der Nacht glitzern". Doch selbst die lärmende Erzählweise gewinnt auf die Dauer eine verblüffende Plausibilität. In ihr zeigt sich der pazifistische Erdfreund als egomanischer Macho - und als überforderter Retter, der seine Selbstzweifel dröhnend übertönt. "Alt und kaputt" sei er, notiert er, "ein Schwein, und ich weiß es". Daß man ihm recht geben muß, tut der Sympathie keinen Abbruch.
Erschienen ist Boyles tragikomische Groteske übrigens im amerikanischen Wahljahr 2000, damals, als es noch schwer vorstellbar schien, daß ein amerikanischer Präsident die Kyoto-Vereinbarung aufkündigen und die Reste ökologischer Verantwortung der globalen Ökonomie überlassen würde.
T.C. Boyle: "Ein Freund der Erde". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Werner Richter. Carl Hanser Verlag, München 2001. 355 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Biomachismo: T.C. Boyles Horrortrip · Von Heinrich Detering
Was im Jahr 2026 vom blauen Planeten übrigbleibt, ist "das Sabbern der Hyänen". Es ist die Zeit der Aasfresser: Die Überlebenden nähren sich von den Resten einstigen Lebens. In der kollabierenden Biosphäre vegetiert eine immer noch wachsende Weltbevölkerung zwischen Sintflut und Dürre, Wirbelstürmen und Müllbergen. Wo offenes Land war, fressen sich Riesenstraßen durch Rodungsgebiete und über abrutschende Berghänge; in einstigen Reservaten breiten sich Neubaugebiete und Einkaufszentren aus, Millionenstädte sind der urbane Normalfall geworden. Nashörner und Elefanten sind Legenden der Vergangenheit, die Wälder gerodet, und was vom europäischen Weinanbau übrig ist, hat sich zurückgezogen ins Umland von Oslo. In Kalifornien ist derweil alles "naß und verschimmelt, Bücher zerfallen auf den Regalen, Nacktschnecken kriechen aus der Teekanne". Während hier die letzten amerikanischen Helden durch eine Welt waten, in der es nach "Endzeitschimmel" riecht, denken sie wehmütig zurück an die Zeiten, in denen noch über Wörter wie Global Warming oder El Niño debattiert wurde.
Aus dieser Welt blickt der mittlerweile fünfundsiebzigjährige Naturschutzaktivist Ty auf die Jahre zurück, in denen alles anfing, damals, Anfang der Neunziger. Da stand auf seiner Visitenkarte als Berufsangabe nur "Ökoagitator". Damals vertraute die Ökobewegung noch auf die Vereinigung von Biologie und Esoterik, auf das Bündnis von "Tantra-Tussi" mit "Mutter Erde". Wer "mit dem inneren Selbst Kontakt aufgenommen" hatte, Batikshirts trug und zur Musik der Grateful Dead in Thoreaus Essays las, war damals dem Paradies nicht mehr fern; außer gutem Marihuana fehlten dazu nur noch Joghurt-Dips und Sojaburger. Seit jenen friedensbewegten Anfängen aber hat sich nicht nur der Ökoagitator gewandelt, sondern auch die Welt um ihn herum. Mit der Blockade eines Waldes in Oregon hat der Ausstieg in die Illegalität begonnen, und seither ist der Aktivist zum Desperado und Medienstar geworden, zum Einzelkämpfer gegen die Konzerne und, so sein sensationsträchtiger Beiname, zur "menschlichen Hyäne".
Übertroffen wird Tys Ruhm nur noch durch den seiner Tochter, der Hungerkünstlerin und heiligen Märtyrerin der Bäume. "Damals", im Sommer 2001, ist sie nach dreijähriger Besetzung eines Redwoodbaumes entkräftet zu Tode gestürzt. Ein Vierteljahrhundert später führt nun der Vater ein Manuskript zu Ende, das einmal das Leben und Sterben der Tochter medienwirksam verklären sollte. Der Text gerät ihm zur desillusionierten Geschichte seiner Kämpfe zur Rettung der Erde - in jenem Augenblick, in dem beide am Ende sind. Im Wechsel zwischen vorher und nachher, zwischen Innen- und Außenansicht des Helden entsteht dabei ein schauerlich-tragikomisches Kippbild. Und unversehens gerät Tys wüste Geschichte zur Parabel über Avantgarde und Demokratie, Moral und Macht.
Dabei besteht an krassem Realismus sowenig Mangel wie an grotesken Szenerien. Einen nicht geringen Teil seiner Überzeugungskraft bezieht Boyles Roman aus der Genauigkeit, mit der er die großen Visionen zuschanden werden läßt an der Gebrechlichkeit des Körpers. Wie fühlt es sich an, wenn man in der Mittagshitze auf einem entlegenen Forstweg ausharrt, mit betongefüllten Windeln eingemauert in eine Straßensperre? Wie verzehrt man Insekten? Und wie inszeniert man eine spektakuläre Flucht aus dem Gefängniskrankenhaus, wenn man dabei ein hinten offenes Nachthemd trägt? Daß sich im Adam-und-Eva-Experiment die reale Wildnis nicht als Paradies, sondern als Höllenort erweist, müssen die Fans nicht wissen, die den Provokateuren zujubeln wie Propheten eines besseren Lebens - auch nicht, daß das Unternehmen einer Arche Noah in der Luxusvilla ein im Wortsinne bestialisches Ende nehmen wird. Nein, nicht nur die tote Tochter ist zum Opfer eines zunehmend wahnhaften Privatkriegs geworden, sondern auch Ty selbst. Es gehörte zu seiner revolutionären Strategie, das Private öffentlich zu machen. Daß er es dann restlos an die Öffentlichkeit verliert, war nicht eingeplant.
Aus Empörung über das, was er die planetarische "Endlösung" nennt, nimmt der Held so die Zerstörung seiner Familie, seines Lebens in Kauf. Was bedeutet schließlich "eine Ehe, eine Tochter, ein Spießerleben im Vergleich zum Schicksal der Erde?" Es ist die vielleicht bemerkenswerteste Leistung dieses Romans, daß er diese Frage bis zum Schluß offenläßt. Denn daß Ty im Unrecht war, gibt seinen Gegnern keineswegs recht. Im Gegenteil. Die anonyme und allgegenwärtige Macht, der er sich gegenübersieht, macht sehr begreiflich, wie hier Gewalt entsteht und warum sie zu nichts führen kann.
Boyles wilde Erzählung ist ein kalkulierter Horrortrip, und daß das Kalkül so präzise aufgeht, verdankt sich einem weltliterarischen Modell, das im Text versteckt ist wie ein Bilderrätsel. "Um ein Freund der Erde zu sein", lautet das titelgebende Credo des Einzelkämpfers, "muß man ein Feind der Menschen werden." Da er im Laufe des Romans nicht nur Kafka und Bob Dylan zitiert, sondern auch Ibsens Autonomiedrama "Nora" und Molières "Menschenfeind", ergibt sich im Schnittpunkt der Anspielungen das Lösungswort beinahe von selbst. Es ist Henrik Ibsens "Volksfeind". Man erinnert sich: Als Doktor Stockmann entdeckt, daß das Wasser des Badeortes lebensbedrohlich verseucht ist, will ihn niemand anhören. So unüberwindlich ist das politische Bündnis von Dummheit und Habgier, daß der wohlmeinende Aufklärer am Ende tatsächlich zu jenem Volksfeind wird, als den ihn eine demagogische Presse schon von Beginn an dargestellt hat. In wüsten Ausrottungs- und Züchtungsphantasien ergeht sich der Ohnmächtige; und während er mitsamt seiner Familie vor die Hunde geht, wütet das ökologische Übel ungehindert fort.
T.C. Boyle hat Ibsens ambivalentes Lehrstück aus der norwegischen Provinz ins Planetarische übertragen, und er hat mit den Schauplätzen auch die Konflikte ins Globale vergrößert. Sein Roman ist monströs und böse, ein grelles, grausiges Spektakel. Doch wie im Theater der norwegischen Sphinx, so waltet auch hier unter dem Zynismus eine verteufelte Humanität. Kein Zweifel, Ty ist ein Scheusal wie Ibsens Stockmann. Aber man kann nicht umhin, ihn zu mögen. Oder wollen wir es etwa mit jener kompakten Majorität halten, die sich noch in Sichtweite des eigenen Exitus feixend Buttons ansteckt mit Slogans wie "Arbeiten Sie für Ihr Geld, oder sind Sie Umweltschützer?" Einmal angekommen aber auf der Seite der Besserwissenden, finden wir uns bei Ibsen wie bei Boyle unversehens in einer Avantgarde wieder, die den Kampf gegen eine selbstmörderische Ökonomie mit selbstmörderischen Mitteln betreibt.
Wenn allerdings den Autobiographen Ty zunehmend das Gefühl beschleicht, er sei weniger Aktivist als vielmehr Akteur einer Schmierenkomödie, dann handelt es sich dabei nicht allein um ein moralisches Problem, sondern leider auch um ein ästhetisches. Passagenweise gerät der dirty old man beim Erzählen seiner Geschichte derart ins Chargieren (und seinem Autor außer Kontrolle), daß der Overkill seiner Metaphern sich wie eine Parodie auf den Stil der hard-boiled novels liest. Da zeigt sich der Ozean "frisch gestärkt und blau wie ein Gewehrlauf", eine Frau betört durch ihr "Dreihundertwattlächeln und Radaraugen", und eine andere blickt mit "Augen wie zwei kalte Planeten, die in der Nacht glitzern". Doch selbst die lärmende Erzählweise gewinnt auf die Dauer eine verblüffende Plausibilität. In ihr zeigt sich der pazifistische Erdfreund als egomanischer Macho - und als überforderter Retter, der seine Selbstzweifel dröhnend übertönt. "Alt und kaputt" sei er, notiert er, "ein Schwein, und ich weiß es". Daß man ihm recht geben muß, tut der Sympathie keinen Abbruch.
Erschienen ist Boyles tragikomische Groteske übrigens im amerikanischen Wahljahr 2000, damals, als es noch schwer vorstellbar schien, daß ein amerikanischer Präsident die Kyoto-Vereinbarung aufkündigen und die Reste ökologischer Verantwortung der globalen Ökonomie überlassen würde.
T.C. Boyle: "Ein Freund der Erde". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Werner Richter. Carl Hanser Verlag, München 2001. 355 S., geb., 39,80 DM.
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