Ein Jugendfreund für sechshundert Mark, ein Killer ohne Perspektive, eine Geisel im Glück, eine Suppe für Hermann und ein Jude für Jutta, zwei Maschinengewehre und ein Granatwerfer gegen den Papst, ein letzter Plan für erste Ängste. So ironisch wie ernst, so traurig wie heiter, so lustig wie trocken erzählt Arjouni in sechs Geschichten davon, wie im Leben vieles möglich scheint und wie wenig davon klappt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1998Ein Freund, ein Freund
Jakob Arjounis Erzählungen / Von Florian Illies
Man verlangt ja hierzulande viel von einem Dichter. Er soll Trendforscher sein, Mitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache und natürlich auch Mitarbeiter im Haus der deutschen Geschichte. Als Jakob Arjouni vor zwei Jahren in seinem Romanerstling "Magic Hoffmann" all diese Eignungen so nachdrücklich unter Beweis stellte, also die Manie, Baseballmützen verkehrtherum aufzusetzen, ebenso beschrieb wie die neudeutschen Sprachmarotten und zudem noch ein präzises Bild des metropopeligen Berlins in der Nachwendezeit lieferte, versetzte man dem jungen Autor begeistert den Ritterschlag.
Man verlangt hierzulande nicht viel von einem Dichter. Ja, man war durch die drei schnellen, unterhaltsamen, an Hammet geschulten Multikulti-Krimis, die der junge Autor aus Frankfurt zuvor vorgelegt hatte, bereits so sehr darauf eingestellt, daß man die vielleicht wichtigste Botschaft des Romans kaum zur Kenntnis nahm. Die da lautet: Hier ist endlich ein Autor, der spürt, daß man sich nicht länger um das herumdrücken darf, was man gerne die "großen Themen" nennt. Daß Träume sich in Rauch auflösen und Liebschaften auch, das können andere ebenso und vielleicht sogar besser beschreiben. Doch mit welcher Intensität der oberflächlich so unangestrengte Text um Treue (zu anderen und sich selbst), Freundschaft und Verantwortung kreist, wird einem vielleicht erst jetzt ganz bewußt, da der Diogenes Verlag sechs Geschichten von Arjouni zu einem Buch gebündelt hat.
Auch hier geht es wieder lustig zu, auch hier genießt man den Ton, der die Geradlinigkeit, Schnoddrigkeit und den Rhythmus des Krimis in die hohe Literatur hinübergerettet hat. Und wie in seinen Krimis erzeugt Arjouni die Spannung auch in diesen Erzählungen mit einem ungewöhnlichen Stilmittel: dem Kontrast zwischen Witz in der Form und Ernst im Inhalt. So kann man die titelgebende Geschichte "Ein Freund", die die Feier des dreißigsten Geburtstages eines jungen, aufstrebenden Theaterregisseur schildert, bequem als Persiflage auf die Generation Golf und den korrumpierten Kulturbetrieb lesen. Geld spielt keine Rolex, man trinkt Champagner und tut alles dafür, um im nächsten Jahr in Bochum inszenieren zu dürfen. Nur der kurze Pony und die stillosen Schuhe verhindern, daß man bei Marcel Retzmann permanent an Leander Haußmann denken muß. Höhepunkt der Geburtstagsfeier ist der Gedichtvortrag der besorgten Mutter des Regisseurs: "Guten Abend, liebe Leut'/ welch schönes Fest für uns hier heut".
Arjouni beschreibt die skurrile, weinselige Atmosphäre wie so oft aus einer Außenseiterperspektive. In diesem Fall durch die Augen eines zufällig hineingeschlitterten Taugenichts, den das ganze Palaver immer stärker fasziniert, um so mehr es ihn abstößt, wie "wenn man in ein anderes Programm schalten will, aber durch gespreizte Finger weiter zuguckt".
Wahrscheinlich hat Arjouni seine eigene schriftstellerische Position selten so klar justiert wie in diesem Satz. Er guckt immer dann besonders eindringlich hin und spreizt seine Finger, wenn seine Figuren zu sich selbst kommen und ihre Masken abziehen. Also banal werden. Und ehrlich. "Vielleicht", so denkt der Geburtstagsgast mit Blick auf die reimende Mutter, "machte ihr die Einsamkeit ihres Sohnes tatsächlich Sorgen, doch ich hatte den Eindruck, Freunde hielt sie nicht unbedingt für das richtige Mittel dagegen." Es ist Arjounis auffälligste Begabung, daß er auch im Tiefgang noch leichtfüßig tänzeln kann, daß ihm die Geschichte des übermutterten Regisseurs, der sich unseren Taugenichts für sechshundert Mark Tagesgage an einer Tankstelle als "Freund aus alten Tagen" eingekauft hatte, weder zu einer Tragödie gerät, die sie ist, noch zu einer Farce, die sie sein könnte. "Es gibt in Deutschland so wenige Leute, die mit Humor ernsthaft sind", hat Arjouni einmal geklagt.
Wann sind diese Erzählungen geschrieben? Das Buch verrät es leider nicht. Eine, die Geschichte eines gescheiterten Papst-Attentats, wahrscheinlich die schwächste des Bandes, trug Arjouni bereits vor fünf Jahren auf Lesungen vor. Auch einige andere, wenn nicht alle dürften vor seinem Roman "Magic Hoffmann" entstanden sein. Zu groß scheint dafür die Heilserwartung zu sein, die Arjounis Figur Jürgen in der Erzählung "Das Innere" noch an das Schreiben eines Romans zu knüpfen vermag. Und zu lange sind die bunten "Zauberwürfel", denen man durch Drehen der Klötzchen einfarbige Seiten geben konnte, schon tief unten in den Spielzeugkisten verstaut, als daß man ihren suchtartigen Gebrauch heute noch so anschaulich beschreiben könnte. Ein bißchen also hat man den Eindruck, daß einem hier die Suppe serviert wird, nachdem man bereits den Hauptgang genossen hat; aber diese hier löffelt man gerne aus, denn sie ist noch heiß.
Kurzweiligkeit hat eben mitunter eine große Halbwertszeit. Doch damit unterscheidet sich Arjouni nicht von anderen deutschen Kurzweilern. Vielleicht sind ja Christian Kracht und Max Goldt bessere Trendforscher, Burkhard Spinnen das aufmerksamere Mitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache, vom stetig anwachsenden Mitarbeiterstab in der Kantine des Hauses der deutschen Geschichte gar nicht zu reden. Doch all diese Herren hinterlassen coole Trübsal, alles ist zerfasert im "Faserland". Krachts saftige Beschreibungen der Lufthansa-Bordverpflegung und, auf ungleich pretiöserem Niveau, Spinnens ziselierte Schilderungen herunterkullernder Schräubchen vermögen in ihrer Detailversessenheit doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß über eine dumpfe Schilderung der Einsamkeit hinaus keine Versuche unternommen werden, tiefergehende Fragen zu stellen, geschweige denn Antworten zu geben. "Wo komm' ich her, wo geh' ich hin, was ist der Sinn . . . Na ja, so Zeug eben", wie es der mafiose Berliner Immobilienmakler in Arjounis Erzählung "Schwarze Serie" stammelnd umschreibt.
Doch keine Angst. Moralin gehört nicht zu Jakob Arjounis poetischer Hausapotheke. Allein der "Papstbesuch" versucht ein bißchen gar zu viel, Dritte-Welt-Problematik, Papstkritik, Alkoholismus, Armut; frei nach dem Motto: "Ohne Jeans kann man leben, aber nicht ohne Stolz". Alle Handlungsfäden werden hier noch ganz ängstlich zusammengehalten durch ein großes Grundthema, das in diesem Fall leider darauf hinausläuft, daß die Scharfschützen, die Attentäter und die bestellte Jubelschar anläßlich des Papstbesuchs bei brüllender Hitze allein dadurch innig verbunden sind, daß sie Durst haben. In den anderen fünf Texten zeigt Arjouni dann weit süffiger, daß man weder ohne Jeans noch ohne Stolz leben kann. Deshalb muß der Regisseur die Beziehung zu dem gekauften Freund abbrechen, weil dieser zu einem richtigen zu werden droht, deshalb muß der kleine Killer sterben, weil er glaubt, daß ihn seine Freundin mit dem Chef betrügt, deshalb verläßt der junge Student frühmorgens seine adlige Frau, weil er ihre Demütigungen nicht länger ertragen kann. Allein durch das Vollenden seines Romans, so glaubt er, könne er seine Würde wiedererlangen. Um Stolz geht es hier also, um Verantwortung, um Freundschaft, Enttäuschungen, Werte und diese ganzen Sachen; eben um "Das Innere", wie eine Erzählung heißt. Und dieses Innere schält Arjouni nicht mühselig aus den Figuren heraus, sondern läßt es sie preisgeben in seinen scheinbar so mühelos daherkommenden Dialoge".
Dieses Stilmittel verhindert viel Unheil. Denn eigentlich müßte alles sehr schwermütig sein, vor allem auch die unaufgeregte Geschichte über den Städter, der auf ein gottverlassenes Dorf zieht, den verfallenen Gutshof liebevoll renoviert, um ihn dann eigenhändig in Schutt und Asche zu legen, als er erfährt, daß er bald sterben muß, damit "es nichts mehr gibt, wovon mich zu trennen mir schwerfallen würde", was natürlich nicht aufgeht. "Es klappt doch nicht", sagt er, bevor er stirbt. Daß der Leser hier sagen kann, daß es doch klappt, also daß es möglich ist, eine solche Geschichte zu erzählen, ohne in die hier überall gähnenden und tränenden Kitschschluchten abzurutschen, dafür gebührt Arjouni tatsächlich ein Ritterschlag. Zugleich beantragen wir für ihn die Aufnahme in den Orden wider den tierischen Ernst. "Und", um ihn ein letztes Mal zu zitieren, "sonst?" "Sonst nichts".
Jakob Arjouni: "Ein Freund". Geschichten. Diogenes Verlag, Zürich 1998. 162 S., geb., 29,90 DM.
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Jakob Arjounis Erzählungen / Von Florian Illies
Man verlangt ja hierzulande viel von einem Dichter. Er soll Trendforscher sein, Mitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache und natürlich auch Mitarbeiter im Haus der deutschen Geschichte. Als Jakob Arjouni vor zwei Jahren in seinem Romanerstling "Magic Hoffmann" all diese Eignungen so nachdrücklich unter Beweis stellte, also die Manie, Baseballmützen verkehrtherum aufzusetzen, ebenso beschrieb wie die neudeutschen Sprachmarotten und zudem noch ein präzises Bild des metropopeligen Berlins in der Nachwendezeit lieferte, versetzte man dem jungen Autor begeistert den Ritterschlag.
Man verlangt hierzulande nicht viel von einem Dichter. Ja, man war durch die drei schnellen, unterhaltsamen, an Hammet geschulten Multikulti-Krimis, die der junge Autor aus Frankfurt zuvor vorgelegt hatte, bereits so sehr darauf eingestellt, daß man die vielleicht wichtigste Botschaft des Romans kaum zur Kenntnis nahm. Die da lautet: Hier ist endlich ein Autor, der spürt, daß man sich nicht länger um das herumdrücken darf, was man gerne die "großen Themen" nennt. Daß Träume sich in Rauch auflösen und Liebschaften auch, das können andere ebenso und vielleicht sogar besser beschreiben. Doch mit welcher Intensität der oberflächlich so unangestrengte Text um Treue (zu anderen und sich selbst), Freundschaft und Verantwortung kreist, wird einem vielleicht erst jetzt ganz bewußt, da der Diogenes Verlag sechs Geschichten von Arjouni zu einem Buch gebündelt hat.
Auch hier geht es wieder lustig zu, auch hier genießt man den Ton, der die Geradlinigkeit, Schnoddrigkeit und den Rhythmus des Krimis in die hohe Literatur hinübergerettet hat. Und wie in seinen Krimis erzeugt Arjouni die Spannung auch in diesen Erzählungen mit einem ungewöhnlichen Stilmittel: dem Kontrast zwischen Witz in der Form und Ernst im Inhalt. So kann man die titelgebende Geschichte "Ein Freund", die die Feier des dreißigsten Geburtstages eines jungen, aufstrebenden Theaterregisseur schildert, bequem als Persiflage auf die Generation Golf und den korrumpierten Kulturbetrieb lesen. Geld spielt keine Rolex, man trinkt Champagner und tut alles dafür, um im nächsten Jahr in Bochum inszenieren zu dürfen. Nur der kurze Pony und die stillosen Schuhe verhindern, daß man bei Marcel Retzmann permanent an Leander Haußmann denken muß. Höhepunkt der Geburtstagsfeier ist der Gedichtvortrag der besorgten Mutter des Regisseurs: "Guten Abend, liebe Leut'/ welch schönes Fest für uns hier heut".
Arjouni beschreibt die skurrile, weinselige Atmosphäre wie so oft aus einer Außenseiterperspektive. In diesem Fall durch die Augen eines zufällig hineingeschlitterten Taugenichts, den das ganze Palaver immer stärker fasziniert, um so mehr es ihn abstößt, wie "wenn man in ein anderes Programm schalten will, aber durch gespreizte Finger weiter zuguckt".
Wahrscheinlich hat Arjouni seine eigene schriftstellerische Position selten so klar justiert wie in diesem Satz. Er guckt immer dann besonders eindringlich hin und spreizt seine Finger, wenn seine Figuren zu sich selbst kommen und ihre Masken abziehen. Also banal werden. Und ehrlich. "Vielleicht", so denkt der Geburtstagsgast mit Blick auf die reimende Mutter, "machte ihr die Einsamkeit ihres Sohnes tatsächlich Sorgen, doch ich hatte den Eindruck, Freunde hielt sie nicht unbedingt für das richtige Mittel dagegen." Es ist Arjounis auffälligste Begabung, daß er auch im Tiefgang noch leichtfüßig tänzeln kann, daß ihm die Geschichte des übermutterten Regisseurs, der sich unseren Taugenichts für sechshundert Mark Tagesgage an einer Tankstelle als "Freund aus alten Tagen" eingekauft hatte, weder zu einer Tragödie gerät, die sie ist, noch zu einer Farce, die sie sein könnte. "Es gibt in Deutschland so wenige Leute, die mit Humor ernsthaft sind", hat Arjouni einmal geklagt.
Wann sind diese Erzählungen geschrieben? Das Buch verrät es leider nicht. Eine, die Geschichte eines gescheiterten Papst-Attentats, wahrscheinlich die schwächste des Bandes, trug Arjouni bereits vor fünf Jahren auf Lesungen vor. Auch einige andere, wenn nicht alle dürften vor seinem Roman "Magic Hoffmann" entstanden sein. Zu groß scheint dafür die Heilserwartung zu sein, die Arjounis Figur Jürgen in der Erzählung "Das Innere" noch an das Schreiben eines Romans zu knüpfen vermag. Und zu lange sind die bunten "Zauberwürfel", denen man durch Drehen der Klötzchen einfarbige Seiten geben konnte, schon tief unten in den Spielzeugkisten verstaut, als daß man ihren suchtartigen Gebrauch heute noch so anschaulich beschreiben könnte. Ein bißchen also hat man den Eindruck, daß einem hier die Suppe serviert wird, nachdem man bereits den Hauptgang genossen hat; aber diese hier löffelt man gerne aus, denn sie ist noch heiß.
Kurzweiligkeit hat eben mitunter eine große Halbwertszeit. Doch damit unterscheidet sich Arjouni nicht von anderen deutschen Kurzweilern. Vielleicht sind ja Christian Kracht und Max Goldt bessere Trendforscher, Burkhard Spinnen das aufmerksamere Mitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache, vom stetig anwachsenden Mitarbeiterstab in der Kantine des Hauses der deutschen Geschichte gar nicht zu reden. Doch all diese Herren hinterlassen coole Trübsal, alles ist zerfasert im "Faserland". Krachts saftige Beschreibungen der Lufthansa-Bordverpflegung und, auf ungleich pretiöserem Niveau, Spinnens ziselierte Schilderungen herunterkullernder Schräubchen vermögen in ihrer Detailversessenheit doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß über eine dumpfe Schilderung der Einsamkeit hinaus keine Versuche unternommen werden, tiefergehende Fragen zu stellen, geschweige denn Antworten zu geben. "Wo komm' ich her, wo geh' ich hin, was ist der Sinn . . . Na ja, so Zeug eben", wie es der mafiose Berliner Immobilienmakler in Arjounis Erzählung "Schwarze Serie" stammelnd umschreibt.
Doch keine Angst. Moralin gehört nicht zu Jakob Arjounis poetischer Hausapotheke. Allein der "Papstbesuch" versucht ein bißchen gar zu viel, Dritte-Welt-Problematik, Papstkritik, Alkoholismus, Armut; frei nach dem Motto: "Ohne Jeans kann man leben, aber nicht ohne Stolz". Alle Handlungsfäden werden hier noch ganz ängstlich zusammengehalten durch ein großes Grundthema, das in diesem Fall leider darauf hinausläuft, daß die Scharfschützen, die Attentäter und die bestellte Jubelschar anläßlich des Papstbesuchs bei brüllender Hitze allein dadurch innig verbunden sind, daß sie Durst haben. In den anderen fünf Texten zeigt Arjouni dann weit süffiger, daß man weder ohne Jeans noch ohne Stolz leben kann. Deshalb muß der Regisseur die Beziehung zu dem gekauften Freund abbrechen, weil dieser zu einem richtigen zu werden droht, deshalb muß der kleine Killer sterben, weil er glaubt, daß ihn seine Freundin mit dem Chef betrügt, deshalb verläßt der junge Student frühmorgens seine adlige Frau, weil er ihre Demütigungen nicht länger ertragen kann. Allein durch das Vollenden seines Romans, so glaubt er, könne er seine Würde wiedererlangen. Um Stolz geht es hier also, um Verantwortung, um Freundschaft, Enttäuschungen, Werte und diese ganzen Sachen; eben um "Das Innere", wie eine Erzählung heißt. Und dieses Innere schält Arjouni nicht mühselig aus den Figuren heraus, sondern läßt es sie preisgeben in seinen scheinbar so mühelos daherkommenden Dialoge".
Dieses Stilmittel verhindert viel Unheil. Denn eigentlich müßte alles sehr schwermütig sein, vor allem auch die unaufgeregte Geschichte über den Städter, der auf ein gottverlassenes Dorf zieht, den verfallenen Gutshof liebevoll renoviert, um ihn dann eigenhändig in Schutt und Asche zu legen, als er erfährt, daß er bald sterben muß, damit "es nichts mehr gibt, wovon mich zu trennen mir schwerfallen würde", was natürlich nicht aufgeht. "Es klappt doch nicht", sagt er, bevor er stirbt. Daß der Leser hier sagen kann, daß es doch klappt, also daß es möglich ist, eine solche Geschichte zu erzählen, ohne in die hier überall gähnenden und tränenden Kitschschluchten abzurutschen, dafür gebührt Arjouni tatsächlich ein Ritterschlag. Zugleich beantragen wir für ihn die Aufnahme in den Orden wider den tierischen Ernst. "Und", um ihn ein letztes Mal zu zitieren, "sonst?" "Sonst nichts".
Jakob Arjouni: "Ein Freund". Geschichten. Diogenes Verlag, Zürich 1998. 162 S., geb., 29,90 DM.
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»Der viel zu früh verstorbene Frankfurter Schriftsteller Jakob Arjouni war ein Spezialist für Helden in Schwierigkeiten.« Heike Hupertz / Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung