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Grimbert im Jüdischen Museum
Serge Klarsfeld hat Mitte der neunziger Jahre ein dickes, schwarzes Buch veröffentlicht. Mehr als 2000 Fotos sind in ihm abgedruckt. Sie zeigen jüdische Kinder, die aus Frankreich deportiert und in Konzentrationslagern umgebracht wurden. Unter den Kinderfotos ist das Bild eines kleinen Jungen in Turnhose und Trikot. Er steht vor einem Weizenfeld und guckt mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne. Der Junge heißt Simon. Er ist Philippe Grimberts Bruder. Grimbert hat über diesen Bruder einen Roman geschrieben, der in der deutschen Ausgabe den Titel "Ein Geheimnis" trägt und nun bei Suhrkamp erschienen ist. Jetzt hat Grimbert im Frankfurter Jüdischen Museum aus dem Buch vorgelesen und von dem ermordeten Bruder erzählt, den er nie kennengelernt hat.
Philippe, der Ich-Erzähler, ist ein Einzelkind, wurde katholisch getauft und hat einen typisch französischen Familiennamen. Fragen nach seiner Herkunft kann er trotzdem nicht leiden. Dann errötet er bis in die Haarspitzen. Denn er ahnt, daß seine Eltern ihm etwas verschweigen. Was sie ihm nicht sagen, erfährt Philippe, als er 15 Jahre alt ist, von Louise, einer Freundin der Familie. Seitdem weiß er: Er wächst allein auf und hat dennoch einen Bruder. Er ist ein getaufter Katholik und doch jüdisch. Er trägt einen französischen Namen und hieße eigentlich anders. Weil sie ihn schützen wollten, haben die Eltern ihm ihre Vergangenheit und seinen Bruder Simon verheimlicht. "Aus Schmerz und Schuldgefühlen haben sie geschwiegen. Und aus Liebe. Und man kann niemandem verübeln, aus Liebe geschwiegen zu haben", sagt Philippe Grimbert.
Er habe damals das Kinderbild an Serge Klarsfeld geschickt, damit an Simon erinnert werde. "Aber das war nicht genug." Deshalb habe er "Ein Geheimnis" geschrieben, sagt der 1948 geborene Psychoanalytiker und Schriftsteller. Das Buch sollte dem Bruder eine Grabstätte geben. "Ich wollte den Namen festhalten, der ausgelöscht worden war, und den Körper zurückgeben, der zerstört worden ist", sagt Philippe Grimbert.
Als er vorliest, wie drei deutsche Offiziere Simon abführen, wird seine Stimme leiser. Das habe ihn sehr aufgewühlt, sagt er später. "Weil ich heute hier bin, und weil Sie heute hier sind und mir zuhören."
INKA WICHMANN
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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