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Die Kontroverse um die Idee eines garantierten Grundeinkommens
Die Idee eines staatlich garantierten Grundeinkommens hat Anhänger fast über das gesamte politische Spektrum hinweg. Gleichzeitig hat sie allerdings auch in allen Lagern zahlreiche Gegner. Abgesehen von technischen Details, unterscheiden sich die vorgeschlagenen und diskutierten Modelle vor allem darin, ob und inwieweit Bedürftigkeit und Leistungsbereitschaft als Kriterien für die Gewährung herangezogen werden. Yannick Vanderborght und Philippe Van Parijs geben sich klar als Befürworter eines Grundeinkommens zu erkennen, "das von einem politischen Gemeinwesen an all seine Mitglieder individuell, ohne Bedürfnisprüfung und ohne Gegenleistung ausgezahlt wird", und stellen dieses auch in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Das trübt jedoch erfreulicherweise ihren kritischen Blick auf die einzelnen Konzepte nur selten.
Im historisch orientierten ersten Teil stellen die Autoren die Wurzeln der Idee dar. Bereits im 16. Jahrhundert wurde eine staatliche Fürsorgepflicht für Bedürftige diskutiert und teilweise auch in Gestalt verschiedener Formen der Armenfürsorge in die Praxis umgesetzt. Mit großer Selbstverständlichkeit wurde damit allerdings die Forderung an die Arbeitsfähigen verbunden, nicht untätig zu bleiben. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts traten dann Ideen hervor, die tatsächlich als Ausgangspunkt heutiger Modelle betrachtet werden können. Thomas Paine, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, und andere Denker verstanden ein staatliches Grundeinkommen vor allem als Kompensation für die Verluste, die den einzelnen Menschen durch bestimmte Wirtschaftsformen und Institutionen zugefügt werden, beispielsweise das exklusive Grundeigentum. Ganz ähnlich argumentieren bis heute diejenigen Akteure, die von einem gleichen Anrecht aller Bürger auf die natürlichen Ressourcen oder auf die Ergebnisse der gesellschaftlichen Arbeit ausgehen.
In der Darstellung und Diskussion der Vorschläge zur konkreten Ausgestaltung verschweigen Vanderborght und Van Parijs nicht die Tücken der einzelnen Konzepte. Dabei werden vor allem Unterschiede deutlich, die quer zum herkömmlichen Links-rechts-Schema liegen. Kontrovers ist die moralische Rechtfertigung von Zahlungen ohne Bedürfnisprüfung. Haben die als Beispiel verwendeten Surfer vor Malibu tatsächlich einen moralischen Anspruch darauf, daß ihr Leben von anderen finanziert wird? Alle ethischen Argumente dafür stehen - vorsichtig formuliert - auf wackeligen Füßen. Doch selbst wenn man diesen Anspruch bejaht, bleibt immer noch die Frage, ob diesem nicht auch Pflichten gegenüberstehen müssen, da ansonsten die Rechte der anderen Menschen verletzt werden. Diese Pflichten werden von den Autoren allerdings mit leichter Hand als Ausgeburt eines repressiven Sozialstaates denunziert, der im Gegensatz zum emanzipatorischen Modell steht.
Natürlich eröffnen alle sozialpolitisch motivierten Umverteilungen Gelegenheiten zum Trittbrettfahren. Insofern folgt aus der Kritik an falschen Anreizen - wenn man überhaupt ein Mindestmaß an sozialstaatlicher Umverteilung akzeptiert - kein grundsätzliches Argument gegen ein Grundeinkommen. Es folgt daraus wohl aber ein Argument dafür, sich nicht durch die Begeisterung für ein einfaches und aus bestimmten Perspektiven moralisch überlegenes System der Umverteilung den Blick auf einfache ökonomische Zusammenhänge verstellen zu lassen. Das geschieht dann, wenn man wie Claus Offe in seinem Nachwort die derzeitige Struktur des Arbeitsmarktes als gegeben voraussetzt und ignoriert, daß diese wenigstens zum Teil darauf beruht, daß schon heute de facto ein Grundeinkommen gewährt wird.
SASCHA TAMM.
Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam.
Yannick Vanderborght/Philippe Van Parijs: Ein Grundeinkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags. Campus Verlag, Frankfurt 2006, 168 Seiten, 14,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
"Vanderborght und Parijs haben eine präzise, länderübergreifende Einführung in die Thematik verfasst und listen dabei die Argumente beider Seiten auf ... Die knappe, anschauliche Darstellung, Originalzitate und Definitionen vermeiden jede Langatmigkeit und sorgen für Überblick in Rekordzeit." (Financial Times Deutschland, 04.01.2006)
Bedingungslos zugehörig
"Hilfreich, um den Begriff des Grundeinkommens zu präzisieren." (Frankfurter Rundschau, 18.01.2006)
Die Freiheit des Nein-Sagens
"Die beiden Autoren geleiten den Leser souverän durch eine teilweise sehr unübersichtliche und komplizierte Debatte. Wer bei diesem packenden Thema mitdiskutieren will, der liest sich mit diesem Buch ein sehr solides und seriöses Grundwissen an." (Freitag, 15.12.2006)