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Eine Frau wird durch die Augen von neun Männern beobachtet, bewertet, beurteilt, die sie nacheinander an sich ziehen konnte. Pro Liebhaber ein Kapitel, einer darf zweimal sprechen. Jeder erzählt seine Geschichte, indem er die Geliebte mit "du" anspricht, ihr also ständig Geständnisse, seien sie angenehm oder peinlich, macht. Die Männer erzählen auch selbst, was die geliebte Frau zu ihnen spricht. Doch hat sie keinen Namen, ebenso wenig werden die Männer benannt. Im ersten Kapitel ist sie eine Schülerin von zwölf und, so nimmt man an, wächst von Liebhaber zu Liebhaber an Jahren. Namen haben auch die Orte nicht, an denen die Begegnungen stattfinden. Man errät London. Einmal denkt man an Neu-Delhi; dann ist die "ewige Stadt", also wohl Rom, an der Reihe. Die Autorin vermeidet strikt, zeitlich-örtliche Kontexte herzustellen. Die Tätigkeiten der Frau und ihrer Männer sind lediglich angedeutet, sie gewinnen kaum Substanz. Immer neue Beziehungen werden in vielfältigen Dialogen aufgedröselt, bis die Leser sehr bald den Überblick verlieren, welcher Mann was zu der Geliebten gesagt hat oder leidenschaftlich hat ausdrücken wollen. Oder ist das "Ich" jetzt eine Frau? Fast unvermittelt geht es um Begehren, Verführung und den sexualen Akt. Den Beziehungen fehlt Individualität und auch sprachliche Präzision.
Die Autorin wurde in Indien geboren und studierte in Neu-Delhi und London. Nach Wanderjahren in Europa lehrt sie nun in ihrer Heimat. Offenbar wollte Janice Pariat in ihrem Roman nicht die Kontraste zwischen Indien und Europa spiegeln, sondern abstrakt das Spiel der Geschlechter abbilden. Dadurch zerrinnt ihr die interessante Anfangsidee zwischen den Fingern.
KPM.
Janice Pariat: "Ein Herz mit neun Kammern". Roman.
Aus dem Englischen von Malte F. Rauch. Secession Verlag für Literatur, Zürich 2019. 190 S., geb., 20,- [Euro].
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