»Als er am Ende seines ersten Arbeitstages als Vikar endlich den Schlüssel im Schloss der Haustür des Hauses Nummer 96 umdrehte, herrschte in seinem Kopf ein großes Wirrwarr von Dingen, an die er sich erinnern musste und wollte, und solcher, die er am liebsten sofort vergessen hätte.
War es ein
guter Einstand gewesen? In mancherlei Hinsicht schon, allerdings mit einer erheblichen Ausnahme…
Hatte…mehr»Als er am Ende seines ersten Arbeitstages als Vikar endlich den Schlüssel im Schloss der Haustür des Hauses Nummer 96 umdrehte, herrschte in seinem Kopf ein großes Wirrwarr von Dingen, an die er sich erinnern musste und wollte, und solcher, die er am liebsten sofort vergessen hätte.
War es ein guter Einstand gewesen? In mancherlei Hinsicht schon, allerdings mit einer erheblichen Ausnahme…
Hatte es ihm Spaß gemacht? Insgesamt auf jeden Fall – aber war er wirklich für diese Art von Aufgabe geschaffen?«
Neil ist scheinbar ein ganz normaler junger Mann. Er ist sich noch unsicher, ob der angestrebte Beruf für ihn der richtige ist. Er hat erhebliche Zweifel, ob er die Anforderungen, die an ihn gestellt werden, erfüllen kann. Er weiß manchmal nicht, wie er reagieren soll, er errötet leicht, hat Scheu, vor vielen Menschen zu sprechen und leidet unter der Bevormundung seiner Mutter, der er sich auch schon mal mit Hilfe einer Notlüge versucht zu entziehen. Was die Geschichte außergewöhnlicher macht, ist die Tatsache, dass Neil Vikar ist und Pfarrer werden möchte.
Das Ganze findet statt in einem kleinen englischen Nest namens Dunbridge. Einer Kleinstadt, wie sie im Buche steht. Schon bald fühlt sich Neil rundum wohl, denn seine Begabung, ein guter Zuhörer zu sein, ist sehr gefragt. Es sind ganz alltägliche Sorgen und Probleme, mit denen die Menschen in Dunbridge zu kämpfen haben und Neil ist ein so sympathischer Mensch, dass selbst die, die mit Kirche eigentlich nichts am Hut haben, in ihm einen Freund oder Kumpel sehen können. Und dann gibt es auch noch eine junge Frau namens Wendy…
Dieser Roman ist in meinem Bücherregal eher ungewöhnlich, aber die Leseprobe hatte mich gleich so gepackt, dass ich ihn unbedingt lesen wollte. Es liegt vielleicht daran, dass ich – wie sicher nicht wenige andere Menschen – ein gewisses Bild von einem „typischen“ Pfarrer habe. Adjektive, die mir in diesem Zusammenhang einfallen, sind beispielsweise konservativ, spießig, altmodisch, streng, ein bisschen langweilig… Gut, ich habe mittlerweile auch andere kennengelernt. Trotzdem denke ich bei einem Pfarrer an einen Menschen, der problemlos vor Massen reden kann, der immer eine adäquate Antwort parat hat, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Das ist vermutlich albern, aber wenn man sie nur vom Gottesdienst her kennt, fällt es nicht so leicht, sie als „normale Menschen“ zu betrachten. Daher mag ich diesen jungen Mann hier so, er ist mit all seinen Schwächen und Ängsten herrlich normal und menschlich.
Auch unter den Bewohnern von Dunbridge waren so einige, die mir während der Lektüre ans Herz gewachsen sind. Gemeinsam mit ihnen erlebte ich lustige Momente und tieftraurige, ernste und sentimentale, hoffnungsvolle und verzweifelte. Das pralle Leben eben. Das Buch liest sich zudem leicht und schnell und verspricht ein paar angenehme Lesestunden. Eine Einschränkung muss ich jedoch machen: Der Glaube an Gott hat natürlich für Neil eine zentrale Bedeutung und während der Gespräche mit seinen Gemeindemitgliedern werden immer mal wieder Glaubensfragen erläutert. Das passiert meiner Meinung nach in einem nicht übertriebenen Rahmen und wird auch nie zu tiefschürfend, aber man sollte kein grundsätzliches Problem mit dieser Thematik haben.
Fazit: Sehr kurzweilige Lektüre über einen jungen Mann, der ungewöhnlich ist – und auch wieder nicht.
»Das ist also Ihr Rat als Pfarrer. Und was raten Sie mir als mein Freund?«