Nach zehn Jahren kehrt der 72-jährige Paul Theroux zurück in sein geliebtes Afrika - »das Königreich des Lichts« - und findet ein zerstörtes Paradies. Er will von Kapstadt aus durch Namibia und Angola nach Timbuktu reisen, doch mit jeder Meile nordwärts werden das Elend, die Korruption und seine Frustration über die Entwicklungen des 21. Jahrhunderts und die verheerenden Bemühungen der Hilfsorganisationen größer. Trotz aller Schönheit, der er jenseits der Städte begegnet und von der er mit Liebe und Humor erzählt, bricht er seine Reise ab und macht sich desillusioniert auf den Weg zurück nach Südafrika. Sein Buch erzählt auf sehr persönliche Weise von einem Kontinent im Niedergang und einem empfindsamen Menschen, dessen Erschütterungen sich unmittelbar auf den Leser übertragen. Eine Reise ins Herz der Finsternis.
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Rapper und aufgeblasene Handybesitzer
Wo ist das Mysterium hin? Paul Theroux begräbt seinen Traum von Afrika
Der Amerikaner Paul Theroux gehört zu den Doyens unter den Reiseschriftstellern. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten einige bahnbrechende Texte dieses Genres verfasst. Afrika spielte in seinem Leben eine wichtige Rolle. In den sechziger Jahren arbeitete er in Diensten des Peace Corps als Lehrer in Malawi und Uganda. Doch dieses Afrika des Aufbruchs gibt es schon lange nicht mehr. Theroux' Blick, den er 2003 nach einer Reise "von Kairo zum Kap" auf den Kontinent warf, war denn auch bereits von Bitterkeit geprägt. Nun kehrt er "ein letztes Mal" in seine einstige Sehnsuchtsregion, in das "Königreich des Lichts" zurück, um von Kapstadt aus durch Namibia und Angola nach Timbuktu zu reisen.
"Eine Reise in das Herz der Finsternis", meint der deutsche Verlag in Anspielung auf Joseph Conrads Evergreen das Buch bewerben zu müssen und ruft damit trübe Stereotype vom "dunklen Kontinent" auf. Finster ist nicht zuletzt die Stimmung des Autors. Ein Großteil seiner Reise besteht aus der Aneinanderreihung frustrierender Erlebnisse in verkommenen Busstationen und verwahrlosten Städten. Grimmig notiert Theroux, dass er in einem übervollen Bus oft an den Tod denke und sich dann frage, ob über sein Ableben auch einmal gesagt werden würde: "Er ist bei dem gestorben, was er geliebt hat." Nur gelegentlich hebt sich seine Laune, etwa beim Anblick von "drei Grazien" im ländlichen Angola, "die Schönheit, Anmut und Liebreiz" verkörperten, oder auf dem Rücken von Elefanten im Okavango-Delta.
Das ländlich-ruhige Afrika, das Theroux so schätzt, und traditionelle Lebensweisen, die "Kraft verströmen", vermag er kaum noch zu entdecken. Stattdessen ist er mit einem "Afrika der Rapper und Handybesitzer" konfrontiert. "Heute gibt es kein ,Mysterium Afrika' mehr", klagt er. "Nur kurz angebundene, aufgeblasene Namibier, die geschäftig mit dem Handy telefonieren." Kurzfristig glaubte Theroux, bei den Jägern und Sammlern der Ju/'hoansi in Namibia das "uralte", "unverwüstliche" und "weise" Afrika gefunden zu haben. Doch bald entpuppen sich deren "gelebte Traditionen" als folkloristische Aufführung für den Reisenden. Er war, wieder einmal, "auf verzweifelte Menschen gestoßen, traurige Seelen ohne Hoffnung, nicht unzerstörbar, wie ich geglaubt hatte, sondern rettungsbedürftig."
Gelegentlich zeigt sich Theroux als guter, ironischer Beobachter, der etwa treffend konstatiert, dass Menschen entweder nach Afrika kommen, weil sie große Tiere in freier Wildbahn sehen oder den Afrikanern sagen wollen, wie sie ihr Leben verbessern können. "Und viele Menschen", fügt er hinzu, "machen beides - sie beobachten frühmorgens Tiere und mischen sich nachmittags überall ein." Überdies spießt er den Armutsvoyeurismus auf, welcher sich vor allem in Südafrika in Gestalt wohlhabender Touristen verbreitet, die heruntergekommene Townships besichtigen. Zumeist präsentiert der Autor jedoch Allgemeinplätze und wiederholt wohlfeile Kritik an einer Entwicklungshilfe, die nicht hilft. Er drischt mit Verve auf abgehalfterte Popstars wie Bob Geldof und Bono ein, die sich in Afrika als Samariter aufspielen und kräftig die Hand aufhalten.
Afrikanische Eliten bekommen das übliche Fett weg. Sie seien "habgierige, abgeschottet hinter Mauern lebende Plutokraten und Snobs". Und rotgesichtige, verschwitzte deutsche Touristen beim Abendessen in einer Lodge in Namibia gemahnen an "zappelige Diskuswerfer, leere Teller seitlich in der Hand schwenkend, bereit, sich aufs Buffet zu stürzen". Am schönsten ist Afrika, wenn keine Menschen zu sehen sind und Himmel und Weite Trost bieten.
Schließlich bricht Theroux die Tour weit vor dem geplanten Zielort ab. Die Weiterfahrt nach Westafrika birgt zu große Risiken. In Nordnigeria treibt die Terrorgruppe Boko Haram ihr Unwesen, im malischen Timbuktu, der berühmten alten Gelehrtenstadt, kontrollieren radikale Islamisten das Geschehen. "Ich will nicht mehr", heißt es gegen Ende seines Berichts. Es erfordere den Einsatz eines Spezialisten ganz besonderer Art, durch Afrikas verwahrloste Städte und stinkende Slums zu reisen, nämlich die Kompetenz und das Gemüt eines Proktologen. Er sei kein Afrika-Pessimist, nur Pessimist, verkündet der Autor wenig glaubhaft. Doch warum solle er "durch Verfall und Chaos reisen, nur um über immergleiche Hässlichkeit und immergleiches Elend zu berichten?" Aber warum hat er dann dieses Buch geschrieben?
ANDREAS ECKERT
Paul Theroux: "Ein letztes Mal in Afrika".
Aus dem Amerikanischen von Sigrid Schmid und Reiner Pfleiderer. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2017. 415 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wo ist das Mysterium hin? Paul Theroux begräbt seinen Traum von Afrika
Der Amerikaner Paul Theroux gehört zu den Doyens unter den Reiseschriftstellern. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten einige bahnbrechende Texte dieses Genres verfasst. Afrika spielte in seinem Leben eine wichtige Rolle. In den sechziger Jahren arbeitete er in Diensten des Peace Corps als Lehrer in Malawi und Uganda. Doch dieses Afrika des Aufbruchs gibt es schon lange nicht mehr. Theroux' Blick, den er 2003 nach einer Reise "von Kairo zum Kap" auf den Kontinent warf, war denn auch bereits von Bitterkeit geprägt. Nun kehrt er "ein letztes Mal" in seine einstige Sehnsuchtsregion, in das "Königreich des Lichts" zurück, um von Kapstadt aus durch Namibia und Angola nach Timbuktu zu reisen.
"Eine Reise in das Herz der Finsternis", meint der deutsche Verlag in Anspielung auf Joseph Conrads Evergreen das Buch bewerben zu müssen und ruft damit trübe Stereotype vom "dunklen Kontinent" auf. Finster ist nicht zuletzt die Stimmung des Autors. Ein Großteil seiner Reise besteht aus der Aneinanderreihung frustrierender Erlebnisse in verkommenen Busstationen und verwahrlosten Städten. Grimmig notiert Theroux, dass er in einem übervollen Bus oft an den Tod denke und sich dann frage, ob über sein Ableben auch einmal gesagt werden würde: "Er ist bei dem gestorben, was er geliebt hat." Nur gelegentlich hebt sich seine Laune, etwa beim Anblick von "drei Grazien" im ländlichen Angola, "die Schönheit, Anmut und Liebreiz" verkörperten, oder auf dem Rücken von Elefanten im Okavango-Delta.
Das ländlich-ruhige Afrika, das Theroux so schätzt, und traditionelle Lebensweisen, die "Kraft verströmen", vermag er kaum noch zu entdecken. Stattdessen ist er mit einem "Afrika der Rapper und Handybesitzer" konfrontiert. "Heute gibt es kein ,Mysterium Afrika' mehr", klagt er. "Nur kurz angebundene, aufgeblasene Namibier, die geschäftig mit dem Handy telefonieren." Kurzfristig glaubte Theroux, bei den Jägern und Sammlern der Ju/'hoansi in Namibia das "uralte", "unverwüstliche" und "weise" Afrika gefunden zu haben. Doch bald entpuppen sich deren "gelebte Traditionen" als folkloristische Aufführung für den Reisenden. Er war, wieder einmal, "auf verzweifelte Menschen gestoßen, traurige Seelen ohne Hoffnung, nicht unzerstörbar, wie ich geglaubt hatte, sondern rettungsbedürftig."
Gelegentlich zeigt sich Theroux als guter, ironischer Beobachter, der etwa treffend konstatiert, dass Menschen entweder nach Afrika kommen, weil sie große Tiere in freier Wildbahn sehen oder den Afrikanern sagen wollen, wie sie ihr Leben verbessern können. "Und viele Menschen", fügt er hinzu, "machen beides - sie beobachten frühmorgens Tiere und mischen sich nachmittags überall ein." Überdies spießt er den Armutsvoyeurismus auf, welcher sich vor allem in Südafrika in Gestalt wohlhabender Touristen verbreitet, die heruntergekommene Townships besichtigen. Zumeist präsentiert der Autor jedoch Allgemeinplätze und wiederholt wohlfeile Kritik an einer Entwicklungshilfe, die nicht hilft. Er drischt mit Verve auf abgehalfterte Popstars wie Bob Geldof und Bono ein, die sich in Afrika als Samariter aufspielen und kräftig die Hand aufhalten.
Afrikanische Eliten bekommen das übliche Fett weg. Sie seien "habgierige, abgeschottet hinter Mauern lebende Plutokraten und Snobs". Und rotgesichtige, verschwitzte deutsche Touristen beim Abendessen in einer Lodge in Namibia gemahnen an "zappelige Diskuswerfer, leere Teller seitlich in der Hand schwenkend, bereit, sich aufs Buffet zu stürzen". Am schönsten ist Afrika, wenn keine Menschen zu sehen sind und Himmel und Weite Trost bieten.
Schließlich bricht Theroux die Tour weit vor dem geplanten Zielort ab. Die Weiterfahrt nach Westafrika birgt zu große Risiken. In Nordnigeria treibt die Terrorgruppe Boko Haram ihr Unwesen, im malischen Timbuktu, der berühmten alten Gelehrtenstadt, kontrollieren radikale Islamisten das Geschehen. "Ich will nicht mehr", heißt es gegen Ende seines Berichts. Es erfordere den Einsatz eines Spezialisten ganz besonderer Art, durch Afrikas verwahrloste Städte und stinkende Slums zu reisen, nämlich die Kompetenz und das Gemüt eines Proktologen. Er sei kein Afrika-Pessimist, nur Pessimist, verkündet der Autor wenig glaubhaft. Doch warum solle er "durch Verfall und Chaos reisen, nur um über immergleiche Hässlichkeit und immergleiches Elend zu berichten?" Aber warum hat er dann dieses Buch geschrieben?
ANDREAS ECKERT
Paul Theroux: "Ein letztes Mal in Afrika".
Aus dem Amerikanischen von Sigrid Schmid und Reiner Pfleiderer. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2017. 415 S., geb., 26,- [Euro].
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