Vor Jahrhunderten entwickelten die Roboter auf dem kleinen Mond Panga ein Bewusstsein ihrer selbst – worauf sie umstandslos in der Wildnis verschwanden und zu einem Mythos wurden, zu einer urbanen Legende. Den Menschen hingegen ist es seither gelungen, die Klimakrise zu überwinden und zu einem gedeihlichen Dasein im Einklang mit ihrer Umwelt zu finden. Dex zieht als Teemönch mit Fahrrad nebst Wohnanhänger durch die Lande und lädt in den Siedlungen zu besinnlichen, therapeutischen Gesprächen ein. Doch die Welt gerät aus den Fugen, als urplötzlich ein Roboter aus dem Wald tritt und die Frage stellt: »Was brauchen die Menschen?« Der erste Teil eines Doppelromans, der sich bewusst der heute vorherrschenden Untergangsstimmung entgegenstellt und, mit leichter Hand erzählt, ein positives Zukunftsszenario entwirft.
»... ein ebenso optimistischer wie hoffnungsvoller Serienauftakt, in dem Überfluss anstatt Mangel herrscht, Güte anstatt Grausamkeit - ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht.« - National Public Radio
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mit Vergnügen liest Rezensentin Maria Wiesner "Ein Psalm für die wilde Schweifenden" und die Fortsetzung "Ein Gebet für die achtsam Schreitenden" aus der "Dex & Helmling"-Romanserie von Becky Chambers und fragt sich, ob eine Welt ohne soziale Netzwerke eine hoffnungsvollere wäre. In Chambers' Büchern, die Wiesner dem "Hopepunk" (im Gegensatz zur Untergangsstimmung des Cyberpunkt) zuordnet, gibt es zwar Taschencomputer, die zahlreiche Funktionen erfüllen können, aber keine sozialen Netzwerke. Chambers erzählt in den beiden Bänden von der fiktiven Welt "Panga", in der Roboter mit eigenem Bewusstsein mit Menschen koexistieren, auch wenn sie nur wenig miteinander zu tun haben. Wiesner liest mit Interesse, wie Chambers das Verhalten der Maschinen darstellt, das selbst menschliche Züge annimmt. Die Hauptfigur Dex will die Stadt verlassen, auf der Suche nach dem authentischen Summen der Grillen. Doch das gelingt nicht und Dex wird Teemönch, erzählt die Rezensentin. Auf seiner Reise lernt er den Roboter Helmling kennen und die beiden ziehen zusammen durch die Lande. Liest sich wie Zen-Literatur, meint die tiefenentspannte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2024So eine Tasse Tee ist doch etwas Urgemütliches
Becky Chambers führt uns mit ihrer Hopepunk-Romanserie "Dex & Helmling" in eine berückend empathische Zukunft
Als Pandora den Menschen allerlei Ungemach brachte, blieb in ihrer Büchse die Hoffnung zurück. Was die antike Sage wusste, entdeckte das Science-Fiction-Genre während der Pandemie wieder: Als exponentielle Kurvenentwicklung, Lockdowns und damit verbundene finanzielle Unsicherheiten die Menschheit um den Schlaf brachten, erschienen vermehrt Bücher, die der düsteren Realität hoffnungsvolle Erzählungen entgegensetzten. "Hopepunk" nennt sich die literarische Strömung, die sich dem Optimismus verschrieben hat.
Erfunden hat diesen Namen die Fantasy-Autorin Alexandra Rowland bereits 2017, verbunden mit der Aufforderung, dem düsteren Einschlag der spekulativen Literatur - von der zynischen Endzeitstimmung des Cyberpunks bis zu den gewalttätigen Kriegswelten des sogenannten Grimdark-Stils - etwas Positives entgegenzusetzen. Die Idee verfing und breitete sich vor allem unter jungen Autorinnen aus. So erklärte unlängst etwa die amerikanische SF-Schriftstellerin und Wissenschaftsjournalistin Annalee Newitz, im "Hopepunk" gehe es nicht nur darum, "eine Geschichte zu erzählen, die hoffnungsvolle Elemente enthält", sondern ebenso, "den Lesern aufzuzeigen, dass wir auch die schwierigsten Situationen überstehen können". Der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Handeln, denn "Hopepunk" sei, so Newitz, das Gegenteil von Apathie.
Die Heldinnen und Helden klemmen sich hier also nicht lässig die Zigarette in den Mundwinkel, wenn sie mit einem Achselzucken den Untergang der Zivilisation quittieren. Stattdessen findet man sich im Hopepunk nun in Welten wieder, in denen Optimismus, Empathie und Solidarität die Mittel zur Konfliktlösung darstellen. Wer jetzt denkt, das klinge alles ziemlich didaktisch und trocken, der schlage zwei schmale Büchlein auf, die soeben im Carcosa Verlag erstmals auf Deutsch erschienen sind: "Ein Psalm für die wild Schweifenden" und dessen Fortsetzung "Ein Gebet für die achtsam Schreitenden" der amerikanischen Schriftstellerin Becky Chambers zeigen, auf welchem Niveau solche Geschichten erzählt werden können.
Die Zukunft, in die Chambers ihre Geschichte setzt, ist eine, in der die Menschheit im letzten Moment die Klimakrise abwenden konnte. Auf dem Mond Panga haben die wenigen überlebenden Menschen sich in kleine Siedlungen zurückgezogen. In der Wildnis, so erzählt man sich in den Dörfern und Städten, leben Roboter, die irgendwann ein Bewusstsein entwickelt hatten und mit denen man übereinkam, sich gegenseitig in Ruhe zu lassen. Geschwister Dex - die Hauptfigur lässt sich im Amerikanischen keinem Geschlecht zuordnen, wofür die Übersetzerin Karin Will kreative Pronomen erfand, die sich unaufgeregt in die Grammatik fügen - ist im Kloster großgeworden und beschließt nun, die Stadt zu verlassen. Schuld daran sind die Grillen. In einem Museum hörte Dex den Gesang der Insekten und sehnte sich danach, dem echten Geräusch zu lauschen. Aber in der Siedlung und rund um das Kloster ist das nicht möglich, also schult Dex zum Teemönch um und zieht fortan über die Dörfer, bietet den Gestressten Entspannung bei einer Tasse Tee und den Traurigen ein offenes Ohr für ihre Probleme. Schon wenn Chambers eine solche Teezeremonie beschreibt, wenn gestressten Ingenieurinnen Teemischungen unter die Nase gehalten werden und "duftende Dampfschwaden sich zur Waldluft gesellen", dann ist der Ton so sanft, die Szenerie so entspannend, als hätte man sich selbst gerade eine frische Tasse aufgebrüht. In solchen Momenten wirkt es, als orientiere Chambers sich an asiatischer Zen-Literatur, als wolle sie ihren Lesern Entspannung wie ein Getränk einflößen. Aber das ist erst der Beginn von Dex' Reise.
Obwohl der neue Beruf glücklich macht, sind noch immer nirgends Grillen zu hören. Also lenkt Dex eines Tages das Transportrad mit den Teezutaten und dem Übernachtungsmaterial in Richtung der verwilderten Stätten, die die Menschen vor fast einem Jahrhundert verlassen haben. Mittlerweile heißt das Gebiet "geschützte Wildnis", kein Zivilist setzt einen Fuß hinein, denn die Natur soll sich vom Zugriff der Menschheit, von der Gier, die Wunden ins Ökosystem gerissen hat, erholen. Die alten Asphaltstraßen sind also schon bald unbrauchbar und verwittert. Dex parkt das Rad am Waldesrand und steigt gerade unter die Dusche, als ein Roboter aus dem Unterholz auftaucht. "Die Metallplatten, die das Ding umhüllten, waren sturmgrau und mit Flechtenstaub bedeckt, und die kreisrunden Augen leuchteten in einem sanften Blau. Die mechanischen Gelenke waren nackt, sodass Dex die Kabel und Stifte in seinem Inneren sehen konnte. Sein Kopf war rechteckig und fast so breit wie die mutmaßlichen Schultern. Die Paneele neben dem starren Mund ließen sich auf und ab bewegen, und mechanische Klappen dienten als Augenlider. Beides war so angeordnet, dass es einem Lächeln nicht ganz unähnlich sah."
Der Roboter hat Manieren, streckt als Erstes seine Hand aus, die Dex aus Überforderung aber nicht ergreift, worauf der Roboter besorgt fragt: "Oje. Habe ich etwas falsch gemacht? Du bist der erste Mensch, dem ich je begegnet bin. Die großen Säugetiere, mit deren Interaktion ich am vertrautesten bin, sind die Flusswölfe, und die reagieren am besten, wenn man direkt auf sie zugeht."
Roboter haben ihre nach Menschenmaßstäben fast unbegrenzte Zeit dem Studium der Natur gewidmet. Manche erforschen die Tiefsee, andere schauen Stalaktiten beim Wachsen zu, dieser spezielle Roboter wiederum ist losgeschickt worden, um herauszufinden, wie es den Menschen so geht. Er stellt sich als Helmling vor, benannt nach einer Pilzart, dem ersten Lebewesen, auf das sein Blick sich "beim Erwachen" richtete. Denn die Roboter, so lernt Dex während der gemeinsamen Reise, haben einen strengen Kodex entwickelt - Chambers spielt hier komplett durch, was rationale Wesen tun könnten, wenn sie sich der Ressourcenschonung verschreiben würden: Jeder Roboter lebt so lange, wie seine Teile funktionieren und sich, ohne etwas neu zu schaffen, reparieren lassen; ist der Verschleiß eines Tages zu groß, dienen sie als Ersatzteile für neue Roboter, die aus dem alten noch brauchbaren Material zusammengesetzt werden - und so auch einen Teil der Erinnerungen und Erfahrungen ihrer "Vorfahren" ins System gepflanzt bekommen.
An welche Grenzen diese Maxime stößt, merken Dex und Helmling, als etwas in der Mechanik des Roboters zerbricht. Die Problemlösung wird zum philosophischen Diskurs: Soll der Roboter sein Schicksal hinnehmen? Oder darf er neue Technik als Hilfsmittel akzeptieren?
Das Interesse an solchen Fragen verspürte Chambers bereits in frühester Jugend. 1985 als Tochter eines Satelliteningenieurs und einer Astrobiologin geboren, wuchs sie in Südkalifornien auf und beschäftigte sich mit den Weltraumforschungen der NASA. Nach einem Studium der Theaterwissenschaften in San Francisco veröffentlichte sie 2014 ihren ersten Roman "The Long Way to a Small, Angry Planet". Der erschien noch im Eigenverlag, finanziert durch eine Kickstarter-Kampagne, fand aber schnell Nachdruckinteresse beim britischen Traditionshaus Hodder & Stoughton. Chambers bewies darin, dass "eine gemütliche Space Opera" kein Oxymoron sein muss. Die Plotentwicklung ist zweitrangig, die Figuren stehen im Mittelpunkt.
Ausgehend von diesem Roman um die Weltraumreisende Rosemary Harper; schuf die Autorin eine Buchreihe, die sich eben nicht auf möglichst wilde Abenteuer in fremden Welten, sondern auf die Entwicklung der verschiedenen Charaktere und ihrer Beziehungen zueinander konzentrierte. 2019 erhielt sie dafür den "Hugo Award for Best Series".
Beziehungen sind es auch, die Chambers in den beiden Bänden um Teemönch Dex in den Mittelpunkt stellt. Die Welt Panga ist nicht perfekt, aber friedlich, und erst wenn man sich fragt, was genau sie vom Zustand der derzeitigen Realität unterscheidet, entdeckt man: Es gibt zwar Taschencomputer, mit denen Informationen jederzeit abgerufen, Musik gestreamt oder Termine vereinbart werden können, soziale Netzwerke aber findet man nicht. Wäre eine Welt ohne Hasskommentare und Internetsucht eine hoffnungsvollere? Darüber kann man beim Lesen diesen beiden Büchern in Ruhe nachdenken - am besten bei einer Tasse Tee. MARIA WIESNER
Becky Chambers: "Ein Psalm für die wild Schweifenden".
Dex & Helmling 1.
Aus dem Englischen
von Karin Will. Carcosa
Verlag, München 2024. 188 S., geb., 18,- Euro.
Becky Chambers: "Ein Gebet für die achtsam Schreitenden".
Dex & Helmling 2.
Aus dem Englischen
von Karin Will. Carcosa
Verlag, München 2024. 182 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Becky Chambers führt uns mit ihrer Hopepunk-Romanserie "Dex & Helmling" in eine berückend empathische Zukunft
Als Pandora den Menschen allerlei Ungemach brachte, blieb in ihrer Büchse die Hoffnung zurück. Was die antike Sage wusste, entdeckte das Science-Fiction-Genre während der Pandemie wieder: Als exponentielle Kurvenentwicklung, Lockdowns und damit verbundene finanzielle Unsicherheiten die Menschheit um den Schlaf brachten, erschienen vermehrt Bücher, die der düsteren Realität hoffnungsvolle Erzählungen entgegensetzten. "Hopepunk" nennt sich die literarische Strömung, die sich dem Optimismus verschrieben hat.
Erfunden hat diesen Namen die Fantasy-Autorin Alexandra Rowland bereits 2017, verbunden mit der Aufforderung, dem düsteren Einschlag der spekulativen Literatur - von der zynischen Endzeitstimmung des Cyberpunks bis zu den gewalttätigen Kriegswelten des sogenannten Grimdark-Stils - etwas Positives entgegenzusetzen. Die Idee verfing und breitete sich vor allem unter jungen Autorinnen aus. So erklärte unlängst etwa die amerikanische SF-Schriftstellerin und Wissenschaftsjournalistin Annalee Newitz, im "Hopepunk" gehe es nicht nur darum, "eine Geschichte zu erzählen, die hoffnungsvolle Elemente enthält", sondern ebenso, "den Lesern aufzuzeigen, dass wir auch die schwierigsten Situationen überstehen können". Der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Handeln, denn "Hopepunk" sei, so Newitz, das Gegenteil von Apathie.
Die Heldinnen und Helden klemmen sich hier also nicht lässig die Zigarette in den Mundwinkel, wenn sie mit einem Achselzucken den Untergang der Zivilisation quittieren. Stattdessen findet man sich im Hopepunk nun in Welten wieder, in denen Optimismus, Empathie und Solidarität die Mittel zur Konfliktlösung darstellen. Wer jetzt denkt, das klinge alles ziemlich didaktisch und trocken, der schlage zwei schmale Büchlein auf, die soeben im Carcosa Verlag erstmals auf Deutsch erschienen sind: "Ein Psalm für die wild Schweifenden" und dessen Fortsetzung "Ein Gebet für die achtsam Schreitenden" der amerikanischen Schriftstellerin Becky Chambers zeigen, auf welchem Niveau solche Geschichten erzählt werden können.
Die Zukunft, in die Chambers ihre Geschichte setzt, ist eine, in der die Menschheit im letzten Moment die Klimakrise abwenden konnte. Auf dem Mond Panga haben die wenigen überlebenden Menschen sich in kleine Siedlungen zurückgezogen. In der Wildnis, so erzählt man sich in den Dörfern und Städten, leben Roboter, die irgendwann ein Bewusstsein entwickelt hatten und mit denen man übereinkam, sich gegenseitig in Ruhe zu lassen. Geschwister Dex - die Hauptfigur lässt sich im Amerikanischen keinem Geschlecht zuordnen, wofür die Übersetzerin Karin Will kreative Pronomen erfand, die sich unaufgeregt in die Grammatik fügen - ist im Kloster großgeworden und beschließt nun, die Stadt zu verlassen. Schuld daran sind die Grillen. In einem Museum hörte Dex den Gesang der Insekten und sehnte sich danach, dem echten Geräusch zu lauschen. Aber in der Siedlung und rund um das Kloster ist das nicht möglich, also schult Dex zum Teemönch um und zieht fortan über die Dörfer, bietet den Gestressten Entspannung bei einer Tasse Tee und den Traurigen ein offenes Ohr für ihre Probleme. Schon wenn Chambers eine solche Teezeremonie beschreibt, wenn gestressten Ingenieurinnen Teemischungen unter die Nase gehalten werden und "duftende Dampfschwaden sich zur Waldluft gesellen", dann ist der Ton so sanft, die Szenerie so entspannend, als hätte man sich selbst gerade eine frische Tasse aufgebrüht. In solchen Momenten wirkt es, als orientiere Chambers sich an asiatischer Zen-Literatur, als wolle sie ihren Lesern Entspannung wie ein Getränk einflößen. Aber das ist erst der Beginn von Dex' Reise.
Obwohl der neue Beruf glücklich macht, sind noch immer nirgends Grillen zu hören. Also lenkt Dex eines Tages das Transportrad mit den Teezutaten und dem Übernachtungsmaterial in Richtung der verwilderten Stätten, die die Menschen vor fast einem Jahrhundert verlassen haben. Mittlerweile heißt das Gebiet "geschützte Wildnis", kein Zivilist setzt einen Fuß hinein, denn die Natur soll sich vom Zugriff der Menschheit, von der Gier, die Wunden ins Ökosystem gerissen hat, erholen. Die alten Asphaltstraßen sind also schon bald unbrauchbar und verwittert. Dex parkt das Rad am Waldesrand und steigt gerade unter die Dusche, als ein Roboter aus dem Unterholz auftaucht. "Die Metallplatten, die das Ding umhüllten, waren sturmgrau und mit Flechtenstaub bedeckt, und die kreisrunden Augen leuchteten in einem sanften Blau. Die mechanischen Gelenke waren nackt, sodass Dex die Kabel und Stifte in seinem Inneren sehen konnte. Sein Kopf war rechteckig und fast so breit wie die mutmaßlichen Schultern. Die Paneele neben dem starren Mund ließen sich auf und ab bewegen, und mechanische Klappen dienten als Augenlider. Beides war so angeordnet, dass es einem Lächeln nicht ganz unähnlich sah."
Der Roboter hat Manieren, streckt als Erstes seine Hand aus, die Dex aus Überforderung aber nicht ergreift, worauf der Roboter besorgt fragt: "Oje. Habe ich etwas falsch gemacht? Du bist der erste Mensch, dem ich je begegnet bin. Die großen Säugetiere, mit deren Interaktion ich am vertrautesten bin, sind die Flusswölfe, und die reagieren am besten, wenn man direkt auf sie zugeht."
Roboter haben ihre nach Menschenmaßstäben fast unbegrenzte Zeit dem Studium der Natur gewidmet. Manche erforschen die Tiefsee, andere schauen Stalaktiten beim Wachsen zu, dieser spezielle Roboter wiederum ist losgeschickt worden, um herauszufinden, wie es den Menschen so geht. Er stellt sich als Helmling vor, benannt nach einer Pilzart, dem ersten Lebewesen, auf das sein Blick sich "beim Erwachen" richtete. Denn die Roboter, so lernt Dex während der gemeinsamen Reise, haben einen strengen Kodex entwickelt - Chambers spielt hier komplett durch, was rationale Wesen tun könnten, wenn sie sich der Ressourcenschonung verschreiben würden: Jeder Roboter lebt so lange, wie seine Teile funktionieren und sich, ohne etwas neu zu schaffen, reparieren lassen; ist der Verschleiß eines Tages zu groß, dienen sie als Ersatzteile für neue Roboter, die aus dem alten noch brauchbaren Material zusammengesetzt werden - und so auch einen Teil der Erinnerungen und Erfahrungen ihrer "Vorfahren" ins System gepflanzt bekommen.
An welche Grenzen diese Maxime stößt, merken Dex und Helmling, als etwas in der Mechanik des Roboters zerbricht. Die Problemlösung wird zum philosophischen Diskurs: Soll der Roboter sein Schicksal hinnehmen? Oder darf er neue Technik als Hilfsmittel akzeptieren?
Das Interesse an solchen Fragen verspürte Chambers bereits in frühester Jugend. 1985 als Tochter eines Satelliteningenieurs und einer Astrobiologin geboren, wuchs sie in Südkalifornien auf und beschäftigte sich mit den Weltraumforschungen der NASA. Nach einem Studium der Theaterwissenschaften in San Francisco veröffentlichte sie 2014 ihren ersten Roman "The Long Way to a Small, Angry Planet". Der erschien noch im Eigenverlag, finanziert durch eine Kickstarter-Kampagne, fand aber schnell Nachdruckinteresse beim britischen Traditionshaus Hodder & Stoughton. Chambers bewies darin, dass "eine gemütliche Space Opera" kein Oxymoron sein muss. Die Plotentwicklung ist zweitrangig, die Figuren stehen im Mittelpunkt.
Ausgehend von diesem Roman um die Weltraumreisende Rosemary Harper; schuf die Autorin eine Buchreihe, die sich eben nicht auf möglichst wilde Abenteuer in fremden Welten, sondern auf die Entwicklung der verschiedenen Charaktere und ihrer Beziehungen zueinander konzentrierte. 2019 erhielt sie dafür den "Hugo Award for Best Series".
Beziehungen sind es auch, die Chambers in den beiden Bänden um Teemönch Dex in den Mittelpunkt stellt. Die Welt Panga ist nicht perfekt, aber friedlich, und erst wenn man sich fragt, was genau sie vom Zustand der derzeitigen Realität unterscheidet, entdeckt man: Es gibt zwar Taschencomputer, mit denen Informationen jederzeit abgerufen, Musik gestreamt oder Termine vereinbart werden können, soziale Netzwerke aber findet man nicht. Wäre eine Welt ohne Hasskommentare und Internetsucht eine hoffnungsvollere? Darüber kann man beim Lesen diesen beiden Büchern in Ruhe nachdenken - am besten bei einer Tasse Tee. MARIA WIESNER
Becky Chambers: "Ein Psalm für die wild Schweifenden".
Dex & Helmling 1.
Aus dem Englischen
von Karin Will. Carcosa
Verlag, München 2024. 188 S., geb., 18,- Euro.
Becky Chambers: "Ein Gebet für die achtsam Schreitenden".
Dex & Helmling 2.
Aus dem Englischen
von Karin Will. Carcosa
Verlag, München 2024. 182 S., geb., 18,- Euro.
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