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Martin Taschenbier ist der Viertkleinste in der Klasse und der Zweitschwächste. In puncto Schüchternheit nimmt er sogar den ersten Platz ein. Dabei wäre er so gern wie die anderen. Aber Martin traut sich einfach nichts. Bis er nach den Weihnachtsferien mit der Klasse zum Skilaufen fährt und das Sams kennen lernt, ein vorlautes, respektloses Wesen, das sich von nichts und niemandem einschüchtern lässt und auf geheimnisvolle Weise Wünsche erfüllen kann. Martins größten Wunsch, ein anderer zu sein, kann das sams zwar nicht erfüllen, aber es hilft ihm, mutiger und selbstbewusster zu werden. Als die Woche im Schullandheim um ist, hat Martin zum ersten Mal das Gefühl dazuzugehören, und er weiß, dass er jetzt seinen Platz in der Klasse gefunden hat.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.1996Sams' Tag
Paul Maars Held kehrt zurück
Inzwischen ist Bruno Taschenbier Familienvater, Sproß Martin zehn Jahre alt und gerade mit seiner Klasse im Skischullandheim angekommen. Da er sich unwohl fühlt, greift er zur mitgebrachten Erkältungsarznei mit der Aufschrift "S.R.Tr.". Sams-Kenner wissen, was nun passiert, sie warten seit vier Jahren auf den Einsatz der "SamsRückholTropfen".
Das Sams gehört nicht nur in das Ensemble der ganz großen Stars kinderliterarischer Phantastik, es vereint ihre besten Eigenschaften: aufmüpfig und selbstbewußt wie Pippi Langstrumpf, verspielt und liebebedürftig wie Pinocchio, rothaarig und mit magischen Kräften ausgestattet wie Pumuckl. Das Sams hat Rüssel und Flossen, ist quirlig wie ein Kobold und albern wie eine Kasperlfigur. Es bietet reichlich Projektionsfläche für die Wünsche seiner Leser. Sie können ihre Phantasie und Egozentrik mit dieser Figur austoben.
Das Sams setzt Kräfte frei, nicht nur zwischen den Buchdeckeln. Dies führt zu unvorhergesehenen, meist chaotischen Alltagsabenteuern, witzig und von hohem Unterhaltungswert. Drei Bände lang spielt das Stück in einem kleinbürgerlichen Haushalt: Frau Rotkohl ist die geizige, neugierige und engstirnige Wirtin, Bruno Taschenbier ihr ebenso schüchterner wie gutmütiger Untermieter und Herr Mon der skurrile, eigenbrötlerische Besucher. In diese schöne Gesellschaft platzt Taschenbiers Alter ego Sams.
Als Verkörperung vitaler und narzißtischer Kindlichkeit stellt es Taschenbiers bisher ängstliche und harmoniesüchtige Lebenseinstellung auf den Kopf. Daß die kindliche der erwachsenen Lebensform gleichberechtigt sein sollte, ihr sogar zu mehr Selbstbewußtsein und Kritik verhelfen kann, war die Botschaft des ersten Sams-Bandes von 1976, die, typisch für die damalige Zeit, gesellschaftliche Aspekte betonte. Maar formte von Anfang an die Sams-Figur allegorisch als "fremdes Kind" und stellt sie damit in die Tradition der klassischen phantastisch-komischen Erzählungen E. T. A. Hoffmanns. Dies zeigt, daß es ihm nicht in erster Linie um politische Aktivierung ging. Dieser Tendenz folgen auch die nächsten beiden Sams-Bände von 1980 und 1992; in ihnen führt der Autor seine Figuren sanft aus ihrer Typisierung heraus, so daß sie zu Persönlichkeiten werden.
Von Band zu Band wurde die Funktion der Sams-Figur klarer: Sie dient dazu, Martin zu stärken. Das Akzeptieren der eigenen Schüchternheit gehört dazu, denn O-Ton Sams: "Andre können dich nicht ändern, ändern mußt du dich allein. Du wirst nie die andern ändern, aber du kannst anders sein." Auch wenn das Sams zeitweise eine Welt schaffen kann, in der das Wünschen noch hilft, sind die blauen Wunschpunkte auf seiner Nase nur Mittel zum Zweck, und das in zweierlei Hinsicht: Sie bringen die Handlung und die Taschenbiers in Schwung.
Paul Maar ist ein Erzähler alten Schlages, der Rat weiß und einfallsreich zu unterhalten vermag. War der erste Band "Eine Woche voller Samstage" von holzschnittartiger Einfachheit, so gewinnen die klassisch-schlichten Episodengeschichten mit jedem Band an Plastizität und Dichte; sie weiten sich zur großen, eingerahmten Erzählung, deren Endlichkeit jedoch bittere Wahrheit bleibt. Denn Sams-Regel sechs sagt klar und deutlich: "Daß Samse immer wieder gehn, kann selbst ein Taschenbier verstehn." INA NEFZER
Paul Maar: "Ein Sams für Martin Taschenbier". Mit Illustrationen vom Autor. Oetinger, Hamburg 1996. 208 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Paul Maars Held kehrt zurück
Inzwischen ist Bruno Taschenbier Familienvater, Sproß Martin zehn Jahre alt und gerade mit seiner Klasse im Skischullandheim angekommen. Da er sich unwohl fühlt, greift er zur mitgebrachten Erkältungsarznei mit der Aufschrift "S.R.Tr.". Sams-Kenner wissen, was nun passiert, sie warten seit vier Jahren auf den Einsatz der "SamsRückholTropfen".
Das Sams gehört nicht nur in das Ensemble der ganz großen Stars kinderliterarischer Phantastik, es vereint ihre besten Eigenschaften: aufmüpfig und selbstbewußt wie Pippi Langstrumpf, verspielt und liebebedürftig wie Pinocchio, rothaarig und mit magischen Kräften ausgestattet wie Pumuckl. Das Sams hat Rüssel und Flossen, ist quirlig wie ein Kobold und albern wie eine Kasperlfigur. Es bietet reichlich Projektionsfläche für die Wünsche seiner Leser. Sie können ihre Phantasie und Egozentrik mit dieser Figur austoben.
Das Sams setzt Kräfte frei, nicht nur zwischen den Buchdeckeln. Dies führt zu unvorhergesehenen, meist chaotischen Alltagsabenteuern, witzig und von hohem Unterhaltungswert. Drei Bände lang spielt das Stück in einem kleinbürgerlichen Haushalt: Frau Rotkohl ist die geizige, neugierige und engstirnige Wirtin, Bruno Taschenbier ihr ebenso schüchterner wie gutmütiger Untermieter und Herr Mon der skurrile, eigenbrötlerische Besucher. In diese schöne Gesellschaft platzt Taschenbiers Alter ego Sams.
Als Verkörperung vitaler und narzißtischer Kindlichkeit stellt es Taschenbiers bisher ängstliche und harmoniesüchtige Lebenseinstellung auf den Kopf. Daß die kindliche der erwachsenen Lebensform gleichberechtigt sein sollte, ihr sogar zu mehr Selbstbewußtsein und Kritik verhelfen kann, war die Botschaft des ersten Sams-Bandes von 1976, die, typisch für die damalige Zeit, gesellschaftliche Aspekte betonte. Maar formte von Anfang an die Sams-Figur allegorisch als "fremdes Kind" und stellt sie damit in die Tradition der klassischen phantastisch-komischen Erzählungen E. T. A. Hoffmanns. Dies zeigt, daß es ihm nicht in erster Linie um politische Aktivierung ging. Dieser Tendenz folgen auch die nächsten beiden Sams-Bände von 1980 und 1992; in ihnen führt der Autor seine Figuren sanft aus ihrer Typisierung heraus, so daß sie zu Persönlichkeiten werden.
Von Band zu Band wurde die Funktion der Sams-Figur klarer: Sie dient dazu, Martin zu stärken. Das Akzeptieren der eigenen Schüchternheit gehört dazu, denn O-Ton Sams: "Andre können dich nicht ändern, ändern mußt du dich allein. Du wirst nie die andern ändern, aber du kannst anders sein." Auch wenn das Sams zeitweise eine Welt schaffen kann, in der das Wünschen noch hilft, sind die blauen Wunschpunkte auf seiner Nase nur Mittel zum Zweck, und das in zweierlei Hinsicht: Sie bringen die Handlung und die Taschenbiers in Schwung.
Paul Maar ist ein Erzähler alten Schlages, der Rat weiß und einfallsreich zu unterhalten vermag. War der erste Band "Eine Woche voller Samstage" von holzschnittartiger Einfachheit, so gewinnen die klassisch-schlichten Episodengeschichten mit jedem Band an Plastizität und Dichte; sie weiten sich zur großen, eingerahmten Erzählung, deren Endlichkeit jedoch bittere Wahrheit bleibt. Denn Sams-Regel sechs sagt klar und deutlich: "Daß Samse immer wieder gehn, kann selbst ein Taschenbier verstehn." INA NEFZER
Paul Maar: "Ein Sams für Martin Taschenbier". Mit Illustrationen vom Autor. Oetinger, Hamburg 1996. 208 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.
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