Der Debütroman von Toxische Pommes: »Diese Geschichten sind Pointen der Rührung, des Absurden, der politischen Erzählung. Und als Gesamtbild ein großes Glück.« SaSa StaniSic »Was hat uns das neue Leben gekostet? Meinen Vater seine Stimme, meine Mutter ihre Lebendigkeit. Und mich?« Vor dem Krieg in Jugoslawien flüchtet die Familie in ein Einwanderungsland, das keines sein möchte. Dieses Buch erzählt von der Beziehung zwischen einer Tochter, deren einziger Lebenssinn darin besteht, die perfekte Migrantin zu werden, und ihrem Vater, der sich bei dem Versuch, ihr das zu ermöglichen, selbst verliert. Erstmals gibt es die großartig lakonische Toxische Pommes in Romanform. Seit der Corona-Pandemie ist sie in den sozialen Medien mit satirischen Kurzvideos über die schönen und hässlichen Seiten der Gesellschaft erfolgreich, und seit kurzem steht sie mit ihrem Kabarettprogramm auch auf den analogen Bühnen.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Weniger "harte Pointen", denn einen "sanften Roman" bekommt Rezensentin Nadine A. Brügger von der Influencerin und Kabarettistin Toxische Pommes geliefert, die sie auch zum Gespräch getroffen hat. Traurig und tiefgehend findet Brügger das Buch, das von einer nach Österreich geflüchteten Familie aus dem Balkan handelt. Die Autorin erzählt damit auch ihre eigene Geschichte, lernt Brügger, schafft es aber, diese auf eine "allgemeingültige Ebene" zu heben. Vor allem der Vater hat Schwierigkeiten, sich zu integrieren. Während die Tochter in der Schule Bestnoten schreibt, obwohl sie von der Lehrerin als "Ausländerkind" diskriminiert wird, wird er immer "kleiner": Er bekommt keine Arbeitserlaubnis, hat Probleme mit der Sprache und zieht sich zurück. Eine Antwort darauf, wie Integration gelingen kann, will die Autorin hier nicht liefern, meint Brügger. Aber indem sie eine gesellschaftliche Problematik als individuelle Geschichte erzählt, erinnert Toxische Pommes daran, dass hinter einem Politikum immer auch Menschen stecken, so die überzeugte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2024Die seelischen Kosten der Einbürgerung
Mustergültige Migrantin: Das Erzähldebüt "Ein schönes Ausländerkind" der österreichischen Autorin Toxische Pommes
Alles in dieser Lebensgeschichte steuert auf ein Ziel zu - Österreicherin zu werden. Doch da wir im Genre der Autofiktion unterwegs Richtung Staatsbürgerschaft sind, sollte man sich hüten, alles, was der namenlosen Icherzählerin widerfährt, für ein Stück aus dem richtigen Leben der Autorin zu halten. Als Kunstfigur hat sie sich den Namen Toxische Pommes gegeben, ihren Nachnamen behält sie für sich. Und ist ziemlich gut darin, ihr Image zu steuern und nur als die promovierte Juristin Irina bekannt zu sein, die in einer nicht näher spezifizierten Wiener Behörde arbeitet.
In den sozialen Medien hat sie reichlich Anhänger und Follower, mehr als 270.000 auf Instagram, mehr als sieben Millionen Likes auf Tiktok. Und das innerhalb von nur vier Jahren: Während der Pandemie begann Toxische Pommes, meist nur fünfzehn Sekunden dauernde Sketche ins Netz zu stellen. Darin schlüpft Irina in viele Rollen, mit Perücken und aufgemalten Bärten, und spielt, was Karl Kraus als österreichisches Antlitz gegeißelt hatte. Die Sketche sind treffsicher, bösartig und sehr komisch. Das digitale Engagement mündete mittlerweile in das analoge Kabarettprogramm "Ketchup, Mayo und Ajvar", da war es nur noch eine Frage der Zeit, wann das Buch kommen würde.
"Ein schönes Ausländerkind" erzählt auf schlanken zweihundert Seiten die Geschichte einer Integration. Die Eltern der Icherzählerin fliehen vor dem nahenden Krieg aus Jugoslawien. Ihr Wohnort, das kroatische Rijeka, ist für die aus Montenegro stammende Mutter und den serbischen Vater nicht mehr sicher, weil sie aufgrund ihrer Herkunft plötzlich als Landesverräter bedroht werden. Sie landen mit der zweijährigen Tochter in Wiener Neustadt, das wenig vom historischen Wien hat, aber viel von industrieller Neustadt. Die Menschen dort schienen "so gut wie alles zu hassen, was aus dem Osten kam", obwohl "ihre Gebäude jenen im Ostblock verdächtig ähnelten".
Sie finden Aufnahme bei Renate Hell, kettenrauchende Lehrerin in Teilzeit an einer Hauptschule, die sich als "Frau Doktor Hell" ansprechen lässt, weil ihr Mann promoviert ist. Um freie Kost und Logis einzuspielen, müssen die "Balkanesen" eine Existenz als Haussklaven ertragen. Die Tochter ist strebsam und wächst zur mustergültigen Migrantin heran (beinahe der richtige Glauben, isst Schweinefleisch), und auch wenn sie trotz bester Noten nur die Empfehlung für die Hauptschule bekommt, wird sie ein Gymnasium besuchen, studieren und einen Doktor in Jura machen.
Die Mutter findet Arbeit in einer Apotheke und schafft es am Ende als gelernte Pharmazeutin in die Forschungsabteilung eines Konzerns, fährt zu Kongressen. Im gleichen Maße, in dem der Radius der weiblichen Familienmitglieder wächst, schrumpft der des Vaters. Er bekommt keine Arbeitserlaubnis, wird erst Hausmann, dann Feminist, scheitert am Spracherwerb. Er wird zum Spezialisten für Sonderangebote, einmal kauft er nach einem Brand in einem Spielzeugladen eine ganze Tüte Barbiepuppen, die bestialisch nach verbranntem Plastik stinken. Die Tochter schreibt Gott einen Brief, "in dem ich mich für die schreckliche Katastrophe im Spielwarengeschäft bedankte".
Das lange Zeit zärtliche Vater-Tochter-Verhältnis verkehrt sich im Lauf der Pubertät ins Gegenteil. Die Erzählerin, die nach der Schule als Leistungsschwimmerin trainiert, schämt sich für ihren Vater. Der hat im Lauf der Jahre einen Putzzwang entwickelt und das Internet als Rückzugsraum entdeckt. Sein Dasein ist ein Weg ins Verstummen. Zu alter Form findet er nur bei den Urlaubsreisen in die Heimat. Es sind lange, heiße Autofahrten im vollgepackten Renault R 4 ohne Sicherheitsgurte, mit vielen Passkontrollen, Grenzbeamte wollen bestochen werden. Am Ziel wartet die Großmutter, Baba Hajdana, immer schwarz gekleidet, "lediglich zum Schlafen zieht sie die bunten Pyjamas mit lustigen Aufschriften oder niedlichen Tiermustern von C&A an, die ihr meine Mutter jeden Sommer aus Wiener Neustadt mitbringt". In ihrem Leben gibt es nur Verluste - und große Armut.
Es ist eine bittere Bilanz, die Toxische Pommes hier zieht, auch wenn der Text viel mit Pointen arbeitet, aber die grundierende Wut über die Nostrifikationsprüfungen, auf die unterentwickelte Willkommenskultur in Österreich, ist immer spürbar. Auch wenn es literarisch bezwingendere Migrationsliteratur gibt, man denkt zuerst an Sasa Stanisic ("Herkunft"), zeigt Toxische Pommes ihren Landsleuten, dass es sich lohnen könnte, der anderen Seite Aufmerksamkeit zu schenken. HANNES HINTERMEIER
Toxische Pommes: "Ein schönes Ausländerkind". Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2024. 206 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mustergültige Migrantin: Das Erzähldebüt "Ein schönes Ausländerkind" der österreichischen Autorin Toxische Pommes
Alles in dieser Lebensgeschichte steuert auf ein Ziel zu - Österreicherin zu werden. Doch da wir im Genre der Autofiktion unterwegs Richtung Staatsbürgerschaft sind, sollte man sich hüten, alles, was der namenlosen Icherzählerin widerfährt, für ein Stück aus dem richtigen Leben der Autorin zu halten. Als Kunstfigur hat sie sich den Namen Toxische Pommes gegeben, ihren Nachnamen behält sie für sich. Und ist ziemlich gut darin, ihr Image zu steuern und nur als die promovierte Juristin Irina bekannt zu sein, die in einer nicht näher spezifizierten Wiener Behörde arbeitet.
In den sozialen Medien hat sie reichlich Anhänger und Follower, mehr als 270.000 auf Instagram, mehr als sieben Millionen Likes auf Tiktok. Und das innerhalb von nur vier Jahren: Während der Pandemie begann Toxische Pommes, meist nur fünfzehn Sekunden dauernde Sketche ins Netz zu stellen. Darin schlüpft Irina in viele Rollen, mit Perücken und aufgemalten Bärten, und spielt, was Karl Kraus als österreichisches Antlitz gegeißelt hatte. Die Sketche sind treffsicher, bösartig und sehr komisch. Das digitale Engagement mündete mittlerweile in das analoge Kabarettprogramm "Ketchup, Mayo und Ajvar", da war es nur noch eine Frage der Zeit, wann das Buch kommen würde.
"Ein schönes Ausländerkind" erzählt auf schlanken zweihundert Seiten die Geschichte einer Integration. Die Eltern der Icherzählerin fliehen vor dem nahenden Krieg aus Jugoslawien. Ihr Wohnort, das kroatische Rijeka, ist für die aus Montenegro stammende Mutter und den serbischen Vater nicht mehr sicher, weil sie aufgrund ihrer Herkunft plötzlich als Landesverräter bedroht werden. Sie landen mit der zweijährigen Tochter in Wiener Neustadt, das wenig vom historischen Wien hat, aber viel von industrieller Neustadt. Die Menschen dort schienen "so gut wie alles zu hassen, was aus dem Osten kam", obwohl "ihre Gebäude jenen im Ostblock verdächtig ähnelten".
Sie finden Aufnahme bei Renate Hell, kettenrauchende Lehrerin in Teilzeit an einer Hauptschule, die sich als "Frau Doktor Hell" ansprechen lässt, weil ihr Mann promoviert ist. Um freie Kost und Logis einzuspielen, müssen die "Balkanesen" eine Existenz als Haussklaven ertragen. Die Tochter ist strebsam und wächst zur mustergültigen Migrantin heran (beinahe der richtige Glauben, isst Schweinefleisch), und auch wenn sie trotz bester Noten nur die Empfehlung für die Hauptschule bekommt, wird sie ein Gymnasium besuchen, studieren und einen Doktor in Jura machen.
Die Mutter findet Arbeit in einer Apotheke und schafft es am Ende als gelernte Pharmazeutin in die Forschungsabteilung eines Konzerns, fährt zu Kongressen. Im gleichen Maße, in dem der Radius der weiblichen Familienmitglieder wächst, schrumpft der des Vaters. Er bekommt keine Arbeitserlaubnis, wird erst Hausmann, dann Feminist, scheitert am Spracherwerb. Er wird zum Spezialisten für Sonderangebote, einmal kauft er nach einem Brand in einem Spielzeugladen eine ganze Tüte Barbiepuppen, die bestialisch nach verbranntem Plastik stinken. Die Tochter schreibt Gott einen Brief, "in dem ich mich für die schreckliche Katastrophe im Spielwarengeschäft bedankte".
Das lange Zeit zärtliche Vater-Tochter-Verhältnis verkehrt sich im Lauf der Pubertät ins Gegenteil. Die Erzählerin, die nach der Schule als Leistungsschwimmerin trainiert, schämt sich für ihren Vater. Der hat im Lauf der Jahre einen Putzzwang entwickelt und das Internet als Rückzugsraum entdeckt. Sein Dasein ist ein Weg ins Verstummen. Zu alter Form findet er nur bei den Urlaubsreisen in die Heimat. Es sind lange, heiße Autofahrten im vollgepackten Renault R 4 ohne Sicherheitsgurte, mit vielen Passkontrollen, Grenzbeamte wollen bestochen werden. Am Ziel wartet die Großmutter, Baba Hajdana, immer schwarz gekleidet, "lediglich zum Schlafen zieht sie die bunten Pyjamas mit lustigen Aufschriften oder niedlichen Tiermustern von C&A an, die ihr meine Mutter jeden Sommer aus Wiener Neustadt mitbringt". In ihrem Leben gibt es nur Verluste - und große Armut.
Es ist eine bittere Bilanz, die Toxische Pommes hier zieht, auch wenn der Text viel mit Pointen arbeitet, aber die grundierende Wut über die Nostrifikationsprüfungen, auf die unterentwickelte Willkommenskultur in Österreich, ist immer spürbar. Auch wenn es literarisch bezwingendere Migrationsliteratur gibt, man denkt zuerst an Sasa Stanisic ("Herkunft"), zeigt Toxische Pommes ihren Landsleuten, dass es sich lohnen könnte, der anderen Seite Aufmerksamkeit zu schenken. HANNES HINTERMEIER
Toxische Pommes: "Ein schönes Ausländerkind". Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2024. 206 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Dieses Buch solltet ihr 2024 unbedingt gelesen haben ... so mitreißend und authentisch ... unglaublich herzzerreißend schön und traurig!" Volker Weidermann
"Toxische Pommes zeigt ihren Landsleuten, dass es sich lohnen könnte, der anderen Seite Aufmerksamkeit zu schenken." Hannes Hintermeier, FAZ, 16.04.24
"Das Buch beschreibt schonungslos, wie Identitäten sich in der Fremde verändern. Das ist mal lustig, mal schmerzhaft - und so lebendig geschrieben, dass man die Figuren dieses Buchs so schnell nicht vergessen möchte." Julia Hackober, stern, 21.03.24
"Dieser Roman ist ein Glück. Das lakonische Erzählen, nie wehleidig oder pathetisch, ist rührend - mit Haltung." Nora Zukker, Tages-Anzeiger, 21.03.24
"Ein richtig schöner und anrührender Roman!" Daniel Kaiser, NDR2, 21.03.24
"Eine einfühlsame, aber auch humorvoll schmerzhafte Erzählung über eine Familie, die in Österreich Schutz sucht, sich dabei aber beinahe verliert." Kristine Harthauer, SWR2, 19.03.24
"Besticht durch radikale Ehrlichkeit ... Ein wunderbares Debüt!" Marie-Luise Goldmann, Literarische Welt, 17.03.24
"Die Autorin schafft den Balanceakt zwischen unmittelbarem Erleben und Reflexion, zwischen Lakonie und Schmerz." Susanne Romanowski, F.A.S., 17.03.24
"Irinas Worte haben Gewicht, sie setzen ein Zeichen gegen das Narrativ zur Integration unwilliger Menschen, das keinen Raum für individuelle Lebensläufe lässt." Allegra Mercedes-Pirker, ORF, 16.03.24
"Toxische Pommes zeigt ihren Landsleuten, dass es sich lohnen könnte, der anderen Seite Aufmerksamkeit zu schenken." Hannes Hintermeier, FAZ, 16.04.24
"Das Buch beschreibt schonungslos, wie Identitäten sich in der Fremde verändern. Das ist mal lustig, mal schmerzhaft - und so lebendig geschrieben, dass man die Figuren dieses Buchs so schnell nicht vergessen möchte." Julia Hackober, stern, 21.03.24
"Dieser Roman ist ein Glück. Das lakonische Erzählen, nie wehleidig oder pathetisch, ist rührend - mit Haltung." Nora Zukker, Tages-Anzeiger, 21.03.24
"Ein richtig schöner und anrührender Roman!" Daniel Kaiser, NDR2, 21.03.24
"Eine einfühlsame, aber auch humorvoll schmerzhafte Erzählung über eine Familie, die in Österreich Schutz sucht, sich dabei aber beinahe verliert." Kristine Harthauer, SWR2, 19.03.24
"Besticht durch radikale Ehrlichkeit ... Ein wunderbares Debüt!" Marie-Luise Goldmann, Literarische Welt, 17.03.24
"Die Autorin schafft den Balanceakt zwischen unmittelbarem Erleben und Reflexion, zwischen Lakonie und Schmerz." Susanne Romanowski, F.A.S., 17.03.24
"Irinas Worte haben Gewicht, sie setzen ein Zeichen gegen das Narrativ zur Integration unwilliger Menschen, das keinen Raum für individuelle Lebensläufe lässt." Allegra Mercedes-Pirker, ORF, 16.03.24