Zschokke liest Proust. Ein hoch komischer und intelligenter Kampf mit 5000 Seiten Weltliteratur und mit sich selbst. Wie kann man sich selbst Schriftsteller nennen, aber eines der ganz großen Werke der Weltliteratur nicht gelesen haben?! Wird man nur mitleidig belächelt, wenn man gestehen muss, die »Suche nach der verlorenen Zeit" nicht zu kennen? Matthias Zschokke stellt sich diesem Mammutunternehmen: Wild entschlossen, voller Neugier und diszipliniert will er dem Geheimnis dieses Werkes auf die Spur kommen. Schnell werden Zweifel wach. Vielleicht liegt es nur an der deutschen Übersetzung? - Und das französische Original würde jeden Leser sofort in einen Rausch versetzen? Zschokke müht sich redlich, sich dem Werk gewachsen zu erweisen, aber er liest eben wie ein Autor, der sich um jedes Detail Gedanken macht. Immer ist er bereit, die Ursachen für Missmut und Unverständnis erst einmal bei sich selbst zu suchen. Beistand und Hilfe findet er etwa bei einem berühmten Proustübersetzer (und -kenner), dem er unverdrossen Fragen stellt, wenn er etwas unlogisch oder verlogen findet. Dessen Erklärungen machen den Autor zuweilen dankbar staunen, aber zugleich lädt er ihm doch immer wieder seine Klagen auf. »Der fünfte Band hat mir mit seinem hysterischen Gezicke in Endlosschleife den letzten Rest gegeben." Trotzdem: Durchhalten ist Pflicht! Ein wunderbar amüsantes Lesevergnügen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2018Gegen den alten Meister
Matthias Zschokke stellt sein Proust-Lesebuch vor
Wer Marcel Prousts Opus magnum "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" noch nicht gelesen hat, der hat Großes vor sich. Der 1954 in Bern geborene und in Berlin lebende Autor Matthias Zschokke hat dieses Leseerlebnis bis in seine frühen Sechziger aufgeschoben. Aus dem Erlebnis ist ein Buch entstanden, das "Ein Sommer mit Proust" heißt. Es ist ein Leseerfahrungsroman, doch eigentlich ist es ein einziger Verriss und der Versuch, ein Denkmal einzustürzen, das wird am Sonntag im Frankfurter Haus am Dom deutlich.
Dabei gehe es ihm gar nicht so sehr um den Schriftsteller selbst, sondern viel mehr um die vielen "Proustianer", die sich doch bloß mit dem Glanz des Namens schmückten, ohne je die Ausdauer besessen zu haben, das ganze Werk zu lesen, meint Zschokke. Sein erstes Erlebnis mit einem solchen Fan habe er mit Mitte zwanzig gehabt, sagt der Autor. Ein Kritiker gab ihm damals mit auf den Weg, dass er kein Schriftsteller sein könne, wenn er Proust nicht gelesen habe. Vierzig Jahre später hat Zschokke nun ein Buch über die "Suche nach der verlorenen Zeit" geschrieben, auf die Idee zu diesem Bericht übrigens von seiner französischen Verlegerin gebracht, wie er erzählt.
Wie Zschokkes vorangegangene Bücher "Mein lieber Niels" und "Die strengen Frauen von Rosa Salva" besteht "Ein Sommer mit Proust" aus E-Mails, die Zschokke an Freunde und Bekannte gesendet hat. Aus seinem Buch zitierend, stellt er in einer Mail an einen Freund fest, dass er sich schon am ersten der sieben Teile von "Die Suche nach der verlorenen Zeit" verfressen habe, und bemerkt weiter, Prousts gesellschaftliche Haltung kritisierend, dass der Franzose "an die da oben zu glauben scheint wie an einen Gott".
Dem kurzen Lesevortrag stellt Zschokke eine Rede voran, die zwischen Rechtfertigung der eigenen kritischen Position gegenüber Proust und ironisierender Polemik schwankt. Zschokke zieht Matthias Claudius' Abend-Gedicht heran: "Der Mond ist aufgegangen," heißt es da in der ersten Strophe. Schreibe Proust über den Mond, so wolle dieser nie wieder aufgehen, weil das Aufgehen bei dem Franzosen doch viel schöner sei, meint der Schweizer Zschokke und merkt an: "Proust versiegelt die Wirklichkeit, wie er sie vorfindet." Der Franzose fange nirgends neu an und akzeptiere die Welt, wie sie sei.
Ist diese Kritik am alten Meister Proust berechtigt? Der Moderator der Veranstaltung, Martin Maria Schwarz von hr-2-Kultur, merkt an, dass man persönlichen Geschmack nicht mit literarischer Qualität verwechseln dürfe. Das weiß auch Zschokke und meint, dass selbst er Proust in seinem Buch loben müsse, in Nebensätzen allerdings.
NILS WESTERHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Matthias Zschokke stellt sein Proust-Lesebuch vor
Wer Marcel Prousts Opus magnum "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" noch nicht gelesen hat, der hat Großes vor sich. Der 1954 in Bern geborene und in Berlin lebende Autor Matthias Zschokke hat dieses Leseerlebnis bis in seine frühen Sechziger aufgeschoben. Aus dem Erlebnis ist ein Buch entstanden, das "Ein Sommer mit Proust" heißt. Es ist ein Leseerfahrungsroman, doch eigentlich ist es ein einziger Verriss und der Versuch, ein Denkmal einzustürzen, das wird am Sonntag im Frankfurter Haus am Dom deutlich.
Dabei gehe es ihm gar nicht so sehr um den Schriftsteller selbst, sondern viel mehr um die vielen "Proustianer", die sich doch bloß mit dem Glanz des Namens schmückten, ohne je die Ausdauer besessen zu haben, das ganze Werk zu lesen, meint Zschokke. Sein erstes Erlebnis mit einem solchen Fan habe er mit Mitte zwanzig gehabt, sagt der Autor. Ein Kritiker gab ihm damals mit auf den Weg, dass er kein Schriftsteller sein könne, wenn er Proust nicht gelesen habe. Vierzig Jahre später hat Zschokke nun ein Buch über die "Suche nach der verlorenen Zeit" geschrieben, auf die Idee zu diesem Bericht übrigens von seiner französischen Verlegerin gebracht, wie er erzählt.
Wie Zschokkes vorangegangene Bücher "Mein lieber Niels" und "Die strengen Frauen von Rosa Salva" besteht "Ein Sommer mit Proust" aus E-Mails, die Zschokke an Freunde und Bekannte gesendet hat. Aus seinem Buch zitierend, stellt er in einer Mail an einen Freund fest, dass er sich schon am ersten der sieben Teile von "Die Suche nach der verlorenen Zeit" verfressen habe, und bemerkt weiter, Prousts gesellschaftliche Haltung kritisierend, dass der Franzose "an die da oben zu glauben scheint wie an einen Gott".
Dem kurzen Lesevortrag stellt Zschokke eine Rede voran, die zwischen Rechtfertigung der eigenen kritischen Position gegenüber Proust und ironisierender Polemik schwankt. Zschokke zieht Matthias Claudius' Abend-Gedicht heran: "Der Mond ist aufgegangen," heißt es da in der ersten Strophe. Schreibe Proust über den Mond, so wolle dieser nie wieder aufgehen, weil das Aufgehen bei dem Franzosen doch viel schöner sei, meint der Schweizer Zschokke und merkt an: "Proust versiegelt die Wirklichkeit, wie er sie vorfindet." Der Franzose fange nirgends neu an und akzeptiere die Welt, wie sie sei.
Ist diese Kritik am alten Meister Proust berechtigt? Der Moderator der Veranstaltung, Martin Maria Schwarz von hr-2-Kultur, merkt an, dass man persönlichen Geschmack nicht mit literarischer Qualität verwechseln dürfe. Das weiß auch Zschokke und meint, dass selbst er Proust in seinem Buch loben müsse, in Nebensätzen allerdings.
NILS WESTERHAUS
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»eine vergnügliche Abrechnung mit einem Säulenheiligen der Literatur« (Hansruedi Kugler, St. Galler Tagblatt, Luzerner Zeitung, 16.08.2017) »ein kleines, gescheites und überraschend lustiges Büchlein« (Walter Klier, Wiener Zeitung, 26.11.2017) »Die gut 60 Seiten dieses schmalen Büchleins lesen sich locker-flockig und in einem Rutsch« (Ralph Krüger, belletristiktipps.de, 22.08.2017) »man folgt Zschokke gern, wie er, zunehmend ärgerlicher, durchs Proust-Gebirge wandert« (Ronald Meyer-Arlt, Hannoversche Allgemeine, 26.08.2017) »ein kleines, gescheites Buch und überraschend lustiges Büchlein« (Walter Klier, Wiener Zeitung, 25./26.11.17) »ein hoch amüsantes Lesestück über einen Lektüremarathon« (Christoph Schröder, Journal Frankfurt, Juli 2018)