Kann aus zwei halben Heimaten eine ganze werden? »Lesen Sie dieses Buch, wenn Sie Gefühle haben. Oder wenn Sie Gefühle haben wollen. Lesen Sie einfach dieses Buch. Ich wünschte, Nadire Biskin würde nie aufhören zu erzählen.« Mareice Kaiser Huzur ist bei ihrer Cousine in der Türkei auf Zwangsurlaub - in Berlin hat man sie bis auf Weiteres vom Referendariat suspendiert. Wenigstens verschafft ihr das "Kopftuchgate" viel Zeit zum Nachdenken. Doch zurück in Berlin überschlagen sich noch am Abend ihrer Ankunft die Ereignisse - Huzur liest die verwahrloste zehnjährige Hiba auf, ein syrisches geflüchtetes Mädchen ohne Familie, und plötzlich muss sie sich kümmern - um ein fremdes Kind und um ihr eigenes Leben. Denn wie viel Verantwortung kann und will sie, die Aufsteigerin aus Wedding mit türkischen Wurzeln, übernehmen?
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Julia Lorenz beobachtet in Nadire Biskins schmalem Debütroman "Ein Spiegel für mein Gegenüber" den Umgang ihrer jungen Protagonistin mit dem "transnationalen Dazwischen", mit dem sie sich als türkischstämmige Deutsche in dritter Generation konfrontiert sieht. Die 1987 geborene Berliner Autorin, die genau wie ihre Protagonistin Huzur eine in Wedding aufgewachsene Lehrerin ist, erzählt in diesem Buch verhalten, explizit und sehr gut eine Art Coming-of-Identity-Geschichte über die beinahe schon klischeehaft-bedingte Zerrissenheit einer jungen Frau, die sich überall fremd fühlt, weil sie von außen fremd gemacht wird, erklärt Lorenz. Auch das Thema Flucht wird hier angeschnitten, als Huzur ein geflohenes syrisches Mädchen namens Zaynab aufnimmt. Das erinnert die Rezensentin an Shida Bazyars "Drei Kameradinnen", auch wenn es bei Biskin sowohl anfangs als auch am Ende ein wenig leiser knallt, beziehungsweise bebt. Durch ihren unversöhnlichen Ton versteht Lorenz nach dem Lesen des Romans jedenfalls viel besser, warum sich bei vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund ein Gefühl der Inkonzilianz einstellen konnte, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Mit 'Ein Spiegel für mein Gegenüber' ist ihr ein warmes, zum Teil amüsantes, ehrliches Debüt über eine junge Frau gelungen, die sich permanent im Ausnahmezustand befindet. Lara Sielmann Der Tagesspiegel 20220219