Als der Lehrer Herman am letzten Tag des Urlaubs aufwacht, sind Frau und Kind verschwunden. Zugleich beherrscht statt des sonnigen Wetters dichter Nebel die Landschaft, macht alles unsichtbar. Herman macht sich in den nahe gelegenen Ort auf, um eine Verlustmeldung zu erstatten – und irrt lange Zeit durch diesen Ort: als der Fremde schlechthin. Einen Tag zu lang blieb Herman im Ferienidyll – und schon ist ihm alles entrückt und unkenntlich. Die große, sprachmächtige Erzählerin Marie NDiaye schildert »mit ihrer unverstellten und melodiösen Stimme« (Iris Radisch) die melancholische Verlassenheit eines Menschen, dem alles fremd geworden ist: Mitmenschen, Umwelt, Familie. Auf sich selbst zurückgeworfen, erfindet Herman sich und die Welt neu: Ausgang offen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der Roman schildert den Alptraum des Parisers: Kaum bleibt er einen Tag länger als Saison ist in seinem Urlaubsort, schon wird aus der Idylle die Provinz. Das Klima verschlechtert sich, die Familie verschwindet, die Einheimischen helfen nicht weiter. Die Provinz erscheint so ziemlich kafkaesk und ausweglos. Der Rezensent Ulrich Baron erzählt den Roman recht detailreich und atmosphärisch durchaus überzeugend nach, um dann doch zum Schluss zu kommen, dass er nur ein sattsam bekanntes Motiv neu variiere und sich am Ende tot laufe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2014Somnambule
Sorgfalt
Ein Hauch von Kafka-Lesegefühl: Hinter dem Erzähler Herman blinzelt Josef K. hervor. Hermans Erlebnisse in einem Provinzdorf erzeugen den Prozess seines Fremdseins, den Riss zwischen Ich und Welt. Diesem Mann aus Paris sind am Urlaubsende Frau und Kind mysteriös abhanden gekommen. Er sucht sie halbherzig, vergisst sie irgendwann, lässt sich von der verregneten Welt der Dorfbewohner aufsaugen. Hat den Eindruck, „als sei sein Körper bis ins Innerste feucht und gedemütigt, verkrampft, am Verfaulen“. Existentielle Ratlosigkeit und Angst münden in Resignation, Willenlosigkeit – in einer Traumwelt nebelhaften Wahns, wie auf Alfred Kubins „Anderer Seite“.
Marie NDiaye, in Berlin lebende französische Schriftstellerin mit afrikanischen Wurzeln, zieht den Leser ihres schon 1994 erschienenen Romans immer tiefer hinein in die müde Obsessivität des Erzählers, der das dumpfe Dorf und darin sich selbst mit somnambuler Sorgfalt beobachtet. Die reale Welt ist wie hinter Milchglas gebannt, die Konturen des Realen aber sind in raffiniert verwischter, melodiöser Schärfe präsent – bis sie sich am Ende in halluzinierte Trugbilder auflösen.
WOLFGANG SCHREIBER
Marie NDiaye: Ein Tag zu lang. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 161 Seiten 8,99 Euro.
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Sorgfalt
Ein Hauch von Kafka-Lesegefühl: Hinter dem Erzähler Herman blinzelt Josef K. hervor. Hermans Erlebnisse in einem Provinzdorf erzeugen den Prozess seines Fremdseins, den Riss zwischen Ich und Welt. Diesem Mann aus Paris sind am Urlaubsende Frau und Kind mysteriös abhanden gekommen. Er sucht sie halbherzig, vergisst sie irgendwann, lässt sich von der verregneten Welt der Dorfbewohner aufsaugen. Hat den Eindruck, „als sei sein Körper bis ins Innerste feucht und gedemütigt, verkrampft, am Verfaulen“. Existentielle Ratlosigkeit und Angst münden in Resignation, Willenlosigkeit – in einer Traumwelt nebelhaften Wahns, wie auf Alfred Kubins „Anderer Seite“.
Marie NDiaye, in Berlin lebende französische Schriftstellerin mit afrikanischen Wurzeln, zieht den Leser ihres schon 1994 erschienenen Romans immer tiefer hinein in die müde Obsessivität des Erzählers, der das dumpfe Dorf und darin sich selbst mit somnambuler Sorgfalt beobachtet. Die reale Welt ist wie hinter Milchglas gebannt, die Konturen des Realen aber sind in raffiniert verwischter, melodiöser Schärfe präsent – bis sie sich am Ende in halluzinierte Trugbilder auflösen.
WOLFGANG SCHREIBER
Marie NDiaye: Ein Tag zu lang. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 161 Seiten 8,99 Euro.
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»Ein atmosphärisch ungemein starkes Buch in der Tradition des magischen Realismus.« Regula Freuler NZZ am Sonntag 20121125