Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Musik - Sonstiges, Note: 1,3, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Institut für Musik), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Geburtsstunde des deutschen romantischen Liedes, so findet man in „Die Musik in Ge-schichte und Gegenwart“, erfolgt nach weitgehend konsentierter Einschätzung im Jahre 1814 mit der Komposition von Gretchen am Spinnrade durch den 17-jährigen Franz Schubert.1 Ein nach heutigen Maßstäben nicht einmal volljähriger Junge begründet also eine ganze Epoche und lässt eine Gattung aufleben, geradezu reifen, in ihrer Neuartigkeit überhaupt erst entstehen, der bis dahin die Zugehörigkeit zur großen Kunst abgesprochen worden war.2 Der bedeutende Liedinterpret und Opernsänger Dietrich Fischer- Dieskau notiert für diese Zeit ebenfalls die Entstehung einer besonderen Liedgattung, der des Schubertliedes, würdigt, die „Vereinigung von Poesie und Tönen [ist] noch nie vorher so vollkommen gelungen“.3 Schu-bertlied und Romantisches Lied lassen sich dabei scheinbar nicht voneinander trennen, wird der Komponist doch oft als Inbegriff eben jener Epoche verstanden, zu deren Entstehung er beitrug. Der Musikwissenschaftler Thrasybulos Georgiades geht noch einen Schritt weiter, teilt die abendländische Musiktradition ein in die beiden wesentlichen Epochen vor und nach Schubert.4 Zwar bezieht er damit auch dessen Instrumentalschaffen ein, doch stellt die Lied-kunst des Komponisten als seine vollkommenste Stärke heraus. Wie konsistent und sinnvoll sind jedoch diese Einteilungen, wie viel Gehalt darf man den Worten beimessen und wie viel davon ist übertriebene Schwärmerei? Anders formuliert: Welche Bedeutung hat das Lied „Gretchen am Spinnrade“ tatsächlich und aus welchem Grund besitzt es in der Literatur diese herausragende Stellung? Das zu klären, soll das Ziel dieser Arbeit sein. Dazu ist es notwendig, zuvorderst einen Blick auf die Ausgangslage des Liedes zu werfen und zu beleuchten, welche Entwicklung diese Gattung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts genommen hat. Im Anschluss soll ein kurzer Überblick über den Lebenslauf des Komponisten Schubert gegeben werden, mögliche Ein-flüsse herausgearbeitet und das Wirken seiner Lehrer dargestellt werden. Bevor sich dann der Analyse des Liedes gewidmet wird, bietet es sich an, das Verhältnis von Goethe und Schubert zu umreißen und die Textvorlage näher zu beleuchten. Um die oben angeführte Frage zu beantworten, werden abschließend die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und die Bedeutung des Werkes auf Schuberts Gesamtschaffen sowie die Entwicklung der Gattung projiziert.