Der amerikanische Autor Richard Yates (1926-1992), der mit seinen Romanen und Erzählungen eine ganze Generation von Schriftstellern geprägt hat, war nach seinem Tod unbegreiflicherweise in Vergessenheit geraten. Erst durch die Herausgabe seiner Romane und Short stories in den letzten Jahren durch
die Deutsche Verlags-Anstalt ist er dem deutschen Lesepublikum wieder bekannt geworden.
Der…mehrDer amerikanische Autor Richard Yates (1926-1992), der mit seinen Romanen und Erzählungen eine ganze Generation von Schriftstellern geprägt hat, war nach seinem Tod unbegreiflicherweise in Vergessenheit geraten. Erst durch die Herausgabe seiner Romane und Short stories in den letzten Jahren durch die Deutsche Verlags-Anstalt ist er dem deutschen Lesepublikum wieder bekannt geworden.
Der vorliegende Roman „Eine gute Schule“ aus dem Jahre 1978 liegt daher auch erstmals in deutscher Sprache vor, in einer Übersetzung von Eike Schönfeld. Richard Yates schildert darin das Internatsleben an der kleinen Dorset Academy in Neuengland zu Beginn der 40er Jahre.
Der 15jährige William Grove ist hier Stipendiat, der aber wegen seiner proletarischen Herkunft wenig Kontakt zu seinen Mitschülern hat. Er wird von ihnen sogar erniedrigt. Seine Mutter hofft jedoch weiterhin, dass sich für ihren Sohn durch den Academy-Besuch die Türen zur höheren Gesellschaft öffnen. Obwohl sie eine große Künstlerin war, blieb ihr das leider verwehrt. Von ihr hat William vielleicht die künstlerische Neigung geerbt, denn die Mitarbeit an der Schülerzeitung „Dorseter Chronicle“ bereitet ihm viel Freude.
Realistisch schildert Yates das Zusammenleben der pubertierenden Jugendlichen und ihre Cliquenbildung. Aber nicht nur die Schüler müssen mit ihren Problemen zurechtkommen, auch die Lehrer und Erzieher haben ihre Schwierigkeiten. Da ist z. B. Jack Draper, dessen Frau ihn mit einem Kollegen betrügt und was in der ganzen Schule, selbst unter den Schülern, kein Geheimnis ist.
Mit der Nachricht von Pearl Harbor beginnen auch Veränderungen in der Academy, denn es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann die USA in den Krieg auf dem europäischen Festland eintreten werden. Der Sportlehrer hat schon einen „Kommandokurs“ errichtet, auf dem er die Halbwüchsigen für den späteren Militärdienst ertüchtigen will. Später gibt es sogar Luftschutzübungen. Schließlich entlässt die Dorset Academy ihre letzte Abschlussklasse in den Krieg und dient danach als Unterkunft für erblindete Armeeveteranen. Viele Jahre später, nach Kriegsende, erkennt William Grove, dass die Academy für ihn doch irgendwie eine glückliche Lehrzeit war.
„Eine gute Schule“ ist das psychologische Porträt eines heranwachsenden Jungen, das sowohl mit großer Sprachkraft als auch mit Feingefühl noch heute überzeugt. Es besitzt außerdem viele autobiografische Züge und gehört zu den besten und persönlichsten Werken von Richard Yates. Selbst nach über dreißig Jahren ein unheimlich aktuelles Buch.
Manfred Orlick