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Marat, ein junger Anwalt, kehrt aus Moskau in seine Siedlung am Kaspischen Meer zurück. Seine Eltern haben bereits den Hochzeitssaal gebucht. Sie sind fieberhaft dabei, ihrem Sohn eine geeignete Braut zu präsentieren, während ihn der Fall einer ermordeten Bürgerrechtlerin nicht loslässt. Patja, auch sie aus Moskau zurückgekehrt, versucht sich vor den Nachstellungen Timurs in Sicherheit zu bringen, mit dem sie sich fünf Monate lang auf Facebook geschrieben hat und der sie, zur Freude der Eltern, partout heiraten will. Die Präsentation der Kandidaten, ein wandernder Brautzirkus, führt quer durch…mehr

Produktbeschreibung
Marat, ein junger Anwalt, kehrt aus Moskau in seine Siedlung am Kaspischen Meer zurück. Seine Eltern haben bereits den Hochzeitssaal gebucht. Sie sind fieberhaft dabei, ihrem Sohn eine geeignete Braut zu präsentieren, während ihn der Fall einer ermordeten Bürgerrechtlerin nicht loslässt. Patja, auch sie aus Moskau zurückgekehrt, versucht sich vor den Nachstellungen Timurs in Sicherheit zu bringen, mit dem sie sich fünf Monate lang auf Facebook geschrieben hat und der sie, zur Freude der Eltern, partout heiraten will. Die Präsentation der Kandidaten, ein wandernder Brautzirkus, führt quer durch die Milieus. Während des Vorstellungsmarathons kreuzen sich die Wege von Patja und Marat, die sich heftig ineinander verlieben. Romeo und Julia auf dem kaukasischen Dorf? Die Sache geht in der Tat nicht gut aus. Doch nicht die Eltern haben dabei ihre Finger im Spiel, sondern ein mafiotischer Krimineller, der zur falschen Zeit aus dem Gefängnis entlassen wird. Alissa Ganijewa, eine mutige, weltoffene Schriftstellerin, erzählt diese Liebesgeschichte in zarten, rebellischen, zornigen Sätzen. Dialogreich, in komischen, oft skurrilen Szenen zeichnet sie das Bild einer Gesellschaft, in der globalisierte Lebensformen und traditionell geprägte Familienstrukturen, Archaik und Moderne aufeinanderprallen, während Korruption und Terrorgefahr ihr buchstäblich die brüchigen Fundamente wegzusprengen drohen.

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Autorenporträt
Alissa Ganijewa, geboren 1985, wuchs in Machatschkala/Dagestan auf und lebt heute als Literaturkritikerin und Autorin in Moskau. Ihr Debüt, die unter männlichem Pseudonym veröffentlichte Erzählung Salam, Dalgat, löste heftige Reaktionen aus. Die russische Mauer, ihr erster Roman, wird zur Zeit in mehrere Sprachen übersetzt.

Christiane Körner ist Übersetzerin aus dem Russischen. Sie hat unter anderem Werke von Alissa Ganijewa, Lidia Ginsburg und Wassili Grossman ins Deutsche übertragen. 2017 wurde sie mit dem Paul-Celan-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den deutschen Titel von Alissa Ganijewas zweitem Roman findet Tilman Spreckelsen ein wenig unpassend. Denn hier geht es nicht bloß um "eine Liebe im Kaukasus"; vielmehr zeichnet die Autorin ein konzentriertes Porträt ihres Heimatlandes Dagestan und beleuchtet die Konflikte zwischen den Generationen, Laizismus und Religion und zwischen postsowjetischer Rationalität und dem Festhalten an alten Ritualen, klärt der Kritiker auf. Er liest hier nicht nur, wie sich Islam und Altkommunismus verknüpfen, sondern erfährt auch einiges über die ambivalente Rolle der Frauen, die sich einerseits über private Sexfilme, andererseits über die Rekonstruktion des Hymen unterhalten und sich mit dem Nebeneinander der Werte arrangieren. Die Liebesgeschichte um Patja und Marat, die von ihren Eltern aus unterschiedlichen Gründen zur Heirat gezwungen werden, erscheint dem Kritiker hingegen bisweilen zu konstruiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2016

Verflucht sei von nun an der Bräutigam

Der Saal ist gemietet, jetzt fehlt nur noch die Braut: Alissa Ganijewas "Eine Liebe im Kaukasus" schildert die russische Republik Dagestan und fragt nach der Freiheit des Einzelnen in einer unsicheren Welt.

Was haben sie sich Mühe gegeben, die Eltern, die Verwandten, welche Sorgfalt haben sie auf die Rituale gelegt, die für eine dagestanische Hochzeit seit je zwingend vorgeschrieben sind! Nun ist die vorletzte Stufe der langwierigen Prozedur erreicht: In einem gestopft vollen Restaurant findet die traditionelle Brautwerbung statt, und zwischen den Reden, Trinksprüchen und Glückwünschen werden unter den Gästen eifrig weitere Verlobungen in die Wege geleitet. Dann aber betritt plötzlich eine alte Frau die Bühne und flucht so lange nach Herzenslust auf den Bräutigam, der ihre Tochter verführt und sitzengelassen habe, bis man sie aus dem Raum zerrt. Doch die Hochzeit wird nicht stattfinden, und die Eltern von Braut und Bräutigam stehen vor einem Scherbenhaufen.

Es ist nicht einmal die Enthüllung über das voreheliche Liebesleben des Bräutigams, die auf der Feier für ein derartiges Entsetzen sorgt. Es sind der Auftritt der schwarzgekleideten alten Frau und ihr Fluch, das sichere Wissen aller Anwesenden darum, dass kein Segen auf der Verbindung ruhen kann und dass man den Worten dieser gekränkten Mutter nur mit einem mächtigen Zauber wird beikommen können, etwa durch die Beschwörungen einer Wahrsagerin aus der Nachbarschaft. "Einen Fluch aufheben kann nicht jeder", heißt es. Und im Fall des Bräutigams zeigt er nur allzu schnell seine Wirkung.

Hochzeiten stehen in Alissa Ganijewas Roman "Eine Liebe im Kaukasus" an zentraler Stelle, aber nicht um ihrer selbst willen. Die einunddreißigjährige Autorin, die aus Dagestan stammt und nun in Moskau lebt, beschreibt in ihrem zweiten Roman nach "Die russische Mauer" (F.A.Z. vom 17. Februar 2014) Anbahnung und Durchführung dieser Zeremonien, um wie in einem Brennglas ein Bild ihrer Heimat einzufangen, gezeichnet von heftigen Konflikten zwischen den Generationen, zwischen Laizismus und Religiosität, zwischen alten Bräuchen und neuen Moden und nicht zuletzt zwischen postsowjetischer Rationalität und dem Verharren in Ritualen, für die es keinen Grund gibt außer der Furcht, eine ganze Welt könnte versinken, wenn man an ihnen rüttelt.

Um dies zu schildern, wählt die Autorin zwei Perspektiven, die sich ähneln, aber in einem entscheidenden Punkt unterschiedlich sind. Der Anwalt Marat und die junge Patja, die aushilfsweise Gerichtsakten kopiert, reisen, ohne einander zu kennen, etwa gleichzeitig aus Moskau in die dagestanische Heimat, wo sie nicht nur Verwandtenbesuche absolvieren und die in der Hauptstadt gemachten Erfahrungen mit den dagestanischen Verhältnissen abgleichen. Sie sollen auch jeweils heiraten, finden die Eltern. Und während der Druck dazu auf Patja mit dem Hinweis grundiert wird, sie sei mit inzwischen 25 Jahren langsam zu alt für den heimischen Heiratsmarkt und werde in ein paar Jahren allenfalls einen geschiedenen Mann mit Kindern abkriegen, sieht sich Marat in einer Situation, die, von Moskau aus betrachtet, absurd anmutet, hier jedoch von niemandem groß in Frage gestellt wird: Der Hochzeitstermin steht fest, der Saal ist gemietet, das Büfett bestellt, es fehlt nur noch die Braut. Und weil für den Jahre im voraus ausgebuchten Raum nur noch ein recht kurzfristiger Termin zu bekommen war, drängt die Zeit.

Natürlich ist das eine durchaus schematische Konstruktion, und die Autorin lässt sie aufscheinen, indem etwa die Kapitel abwechselnd aus Patjas und aus Marats Perspektive erzählt werden oder sich die beiden exakt in der Mitte des Romans zum ersten Mal begegnen. Damit setzt Ganijewa aber auch das Signal, dass es um mehr geht als um "Eine Liebe im Kaukasus", wie der deutsche Titel ein wenig irreführend verspricht. Denn die jäh über die beiden hereinbrechende Zuneigung, ersichtlich gegen die üblichen, arrangierten Ehen entworfen, ist in der Schilderung der schwächste Teil des Romans, dessen Originaltitel sich etwa mit "Bräutigam und Braut" übersetzen ließe.

Worum aber geht es dann? Einen ersten Hinweis gibt ein Partygespräch noch in der Moskauer Peripherie. Auf die akademische Frage "Was will der Kaukasus?" antwortet Patja: "Ein System, das funktioniert" - und also nicht, was ja auch eine mögliche Antwort wäre, etwa Freiheit, Demokratie oder Wohlstand. Dieses Minimalziel aber ist immer weniger in Sicht. Stattdessen zeigt Ganijewa, welche Rolle die zunehmend militanten Islamisten spielen, was passiert, wenn sich Islam und Altkommunismus argumentativ verbünden und wie dabei besonders der Spielraum für junge Frauen immer enger wird. Ein Verehrer von Patja etwa, der als ein Mann mit wachsendem Einfluss und daher als gute Partie gilt, erhebt archaische Ansprüche auf sie, aber per Smartphone. Und während junge Frauen sich über privat aufgenommene Sexfilme unterhalten, ist zugleich auch die Hymen-Rekonstruktion ein Thema, um als vermeintliche Jungfrau in die arrangierte Ehe zu gehen.

Mit diesem Nebeneinander der Werte scheinen sich im heutigen Dagestan viele zu arrangieren. Ganijewa schildert aber auch, wie instabil diese Lage ist und wie die Furcht davor wächst, dass diese Konflikte noch gewalttätiger ausgetragen werden als ohnehin schon und wen das vor allem treffen wird. Zu den stärksten Passagen dieses Romans gehört denn auch, wie hin und wieder ein dubioser Heilsbringer im grünen Mantel durchs Bild geistert, dessen Anhänger ihm alles zutrauen, im Guten wie im Bösen. Auch sein mafiöses Beziehungsnetz verspricht, was "der Kaukasus" angeblich will: Stabilität.

Anders als Marat wird sich die hellsichtige Patja am Ende alldem entziehen. Vielleicht, weil sie so viel mehr zu verlieren hat.

TILMAN SPRECKELSEN

Alissa Ganijewa: "Eine Liebe im Kaukasus".

Roman.

Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Christiane Körner. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 240 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Die Lektüre nimmt gefangen, und dies nicht nur wegen des klugen Romanaufbaus, der Perspektivenwechsel und der mit Jugendslang und Elementen dagestanischer Idiome angereicherten sprache, die Christiane Körner glänzend ins Deutsche übertragen hat.« Ilma Rakusa Neue Zürcher Zeitung 20170103