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Die Tagebücher von Fritz Rosenberg 1933 bis 1937
Am 15. Mai 1933 schreibt der Hamburger Anwalt Kurt Fritz Rosenberg: "Die Judenfrage ist keine jüdische Frage mehr, sondern eine Frage um Deutschland - um das ethische Bewusstsein und Verantwortungsgefühl des deutschen Menschen - mit einer sehr bitteren und tieftraurigen Antwort. Ich leide ebenso sehr als Deutscher wie als Jude." Diese schmerzliche Empfindung, die er noch häufiger in seinem Tagebuch ausdrückt, teilte Rosenberg mit vielen deutschen Juden. Er durfte nicht mehr Teil einer Gesellschaft sein, der er sich so verbunden fühlte, in der er tief verwurzelt war. In diesen von Beate Meyer und Björn Siegel sorgfältig kommentierten und mit lesenswerten Einleitungen versehenen Aufzeichnungen tritt den Lesern ein gebildeter und klarsichtiger, trotz Ausgrenzungen stets selbstbewusster und aktiv handelnder deutscher Jude gegenüber.
Unweigerlich fühlt man sich bei der Lektüre an zwei andere Diaristen erinnert: an Victor Klemperer, den Romanisten, der die Judenverfolgung in Dresden so genau aufzeichnete (und den Rosenberg auch trifft, er berichtet davon in seinem Tagebuch), und an Friedrich Kellner, ein Jurist wie Rosenberg, aber kein Jude. Wie der Laubacher Sozialdemokrat, dessen Tagebücher im vergangenen Jahr erschienen sind, klebt auch Kurt Rosenberg zahlreiche Zeitungsartikel in sein Tagebuch ein und kommentiert sie. In der Auswahl dieser Artikel offenbart sich einmal mehr, wie gebildet und aufgeschlossen der Hamburger Anwalt ist; immer wieder finden sich hier Presseerzeugnisse aus dem Ausland, da er der heimischen Propaganda längst nicht mehr traut. Es wechseln Gedanken über Weltpolitik und geschichtsphilosophische Betrachtungen mit der Darstellung antijüdischer Ausgrenzung, wie diese sich immer mehr zuspitzte und was sie für die Betroffenen bedeutete. Nachdem er 1935 ein halbes Jahr lang keine Eintragungen mehr gemacht hat, schreibt er am 29. Dezember: "Kaum ein Tag ist darunter gewesen, der nicht mit banger Erwartung, Erregung, Erschütterung, Zweifel und geistigen Irrlichtern belastet war."
Nach dem 1933 erfolgten Berufsverbot ("Wir sind bei der Auflösung unseres Lebenswerkes", am 1. Mai) sucht Rosenberg häufig Trost in Reisen und Kultur - über beides berichtet er ausführlich. Vergeblich versucht er, seine Wiederzulassung als Anwalt zu erreichen. Seine Aufzeichnungen verdeutlichen die Schwierigkeiten vieler deutscher Juden, sich bereits zu Beginn der NS-Herrschaft zur Emigration zu entschließen. Er fühlt sich als Deutscher, es zieht ihn nicht nach Palästina; den Vereinigten Staaten - die sich später als das rettende Zufluchtsland erweisen sollten - steht er distanziert gegenüber. Er berichtet über das Elend von Emigranten und darüber, dass immer mehr Länder ihre Grenzen abschotten. 1937 fährt er bereits einmal ohne seine Familie in die Vereinigten Staaten und notiert am 12. Oktober: "Noch nie habe ich so an innerer Einsamkeit gelitten." Er beschreibt, wie er sich wie ein Kind neu zurechtfinden muss, wie er ein neues Leben aufbauen muss, obwohl er doch so unendlich müde ist.
Rosenberg kehrte noch 1937 zurück, um wenig später mit seiner Familie zu emigrieren. Er schrieb nie wieder Tagebuch. Sein Nachlass - er starb 1977 in den Vereinigten Staaten - liegt im Leo Baeck Institut in New York. Zum Glück haben Beate Meyer und Björn Siegel das spannende und lesenswerte Tagebuch eines deutschen Juden, der erst aus seinem Beruf, dann seiner Gesellschaft verstoßen und doch nie zum hilflosen und passiven Opfer wurde, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
ANDREA LÖW
Kurt F. Rosenberg: "Einer, der nicht mehr dazugehört." Tagebücher 1933-1937. Herausgegeben von Beate Meyer und Björn Siegel. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 488 S., 42,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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