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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Seit fünfundzwanzig Jahren immer unsterblicher: Marlene Dietrich in einer neuen Biographie
Augen, die nicht mehr als zwei Geschlechter sehen, wenn sie schöne Menschen bewundern, erkennen weniger, als die Kunst und die Natur miteinander zeugen können. Das Androgyne muss einem so verengten Blick dann immer als Verlust erscheinen, der androgyne Mann ein um seine Virilitätszeichen reduzierter, die androgyne Frau eine ihrer Fruchtbarkeitsatttribute beraubte. Wer so schlecht hinguckt, wird nie begreifen, dass zum Beispiel David Bowie dank Lidschatten und Lippenstift erst der Prinz wurde, der er war, und Marlene Dietrich in fancy pants, hübschen Hosen, ob nun mit Schlag, trompetenartig oder karottenfrech, nicht nur besser, sondern auf eine dem sexualrollenfixierten Naturfetischismus der Phantasielosen für immer unzugängliche Art gerade auch weiblicher aussah, als wenn man die atemberaubenden Beine der Dame in einen konturenschnurgeraden Bleistiftrock oder eine alberne Glocke gezwungen hätte.
Der letzte Filmauftritt der Diva ließ sie als Baroness von Semering dicht an Bowie vorbeirauschen; vom Melodram "Schöner Gigolo, armer Gigolo" (1978) in der zerfahrenen Regie des arg unausgeglichenen Talents David Hemmings' wird wenig mehr bleiben als die Erinnerung an dieses Zusammentreffen im Rahmen einer geballten Leistungsschau verschiedener Möglichkeiten, erotische Attraktivität quer durchs Sortiment der für Männer und Frauen im letzten Drittel des ersten Kinojahrhunderts vom Film bereits erprobten Modelle von Maskulinität und Femininität zu verkörpern (Kim Novak, Curd Jürgens, Sydne Rome, Maria Schell: Es ist wirklich ein Film, in dem man lieber blättern will wie in einem Modekatalog, als dass man sich davon was erzählen ließe).
Vor fünfundzwanzig Jahren ist Marlene Dietrich gestorben, und während die letzten Freud-Gläubigen in kulturwissenschaftlichen Seminaren erforschen, ob es wohl Dietrichs Hang zur Zigarette mit und ohne Spitze war, der die Gendertraditionalisten an ihr zurzeit ihres größten Ruhmes so beunruhigte, weil die Kippe sie zum Inbegriff der bedrohlich phallischen Frau machte, versucht sich die studierte Psychologin, Kunst- und Musikwissenschaftlerin Eva Gesine Baur in einer neuen Biographie namens "Einsame Klasse: Das Leben der Marlene Dietrich" an der noch schwierigeren seelenkundlichen Aufgabe, die Einsamkeit einer Vielgeliebten, die Isolation einer Weltläufigen, die Vielseitigkeit und Mehrdeutigkeit einer in jeder Geste und mit jedem Satz Unmissverständlichen zu verstehen.
Die schwierigen Beziehungen zum Herkunftsland, zum eigenen Kind, zu Gott und der Welt werden referiert und erläutert; wundern sollte man sich aber nicht, dass das weder scheue noch schamhafte, aber auch nie platt freizügige Wunderwesen Dietrich sich dabei allen Einfühlungsverfahren der sympathisierenden Lebensbeschreibung eben doch nicht weiter öffnet, als zu erwarten war - gerade so weit, dass man wieder einmal daran erinnert wird, dass der Weltgeist sich einen seiner Scherze erlaubt hat, indem er dieser Frau einerseits gestattete, das Wort "Weltstar" mit einer passenden Laufbahnkurve zu illustrieren, andererseits aber diesen Beitrag zur Weltkultur (und zur Weltkulturindustrie), deren Wirklichkeit im zwanzigsten Jahrhundert Goethes Ahnung von der "Weltliteratur" mit technischen Mitteln universalisierte, in eine Zeit fallen ließ, in der hier eine blutprovinzialistische Ideologie wütete, der sich diese große Deutsche natürlich nicht zur Verfügung stellen wollte. Gegen alle, die von folgender Schande nichts mehr hören wollen, ist darauf zu bestehen: Das Land darf sich nach Kräften weiterschämen, bis hier wieder Kulturfaktoren von Marlene Dietrichs Format möglich sind. Und das wird dauern.
DIETMAR DATH
Eva Gesine Baur:
"Einsame Klasse".
Das Leben der Marlene Dietrich.
Verlag C.H. Beck, München 2017. 576 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].
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Monika Meichert, Lesart, Sommer 2017
"Die Biografie ergründet den Erfolg der Ikone Marlene Dietrich - und ihre Einsamkeit."
Annemarie Stoltenberg, Rainer Moritz, NDR Kultur, 13. Juni 2017
"Baur vermittelt, dass 'die Dietrich' widersprüchlicher, moderner und kompromissloser war als fast alle anderen Hollywoodstars, dass sie sich nicht auf Begriffe wie Vamp, Diva, Legende reduzieren lässt und in mancherlei Hinsicht noch immer Rätsel aufgibt."Christian Ruf, Dresdner Neueste Nachrichten, 6. Juni 2017
"Ein opulentes, fantastisch recherchiertes, sehr interessant bebildertes Buch (...) ein Monument."
Philipp Tingler, Literaturclub, SRF Fernsehen
"Faszinierendes, hochinteressantes Porträt der Dietrich."
Badische Neueste Nachrichten, 27. Mai 2017
"Einfühlsam erzählt."
Jan Ehlert, NDR Kultur, 23. Mai 2017
"Man liest sich mit nie nachlassender Spannung durch das fast 600 Seiten starke Buch."
Anna Brenken, SWR2, 22. Mai 2017
"Macht frühere Biografien überflüssig."
Peter Zander, Berliner Morgenpost, 19. Mai 2017
"Eva Gesine Baur gelingt es, nicht nur die Lebenslinien der Marlene nachzuzeichnen, sie bettet sie auch in die Geschichte ein und deckt Neues auf."Adrian Prechtel, Abendzeitung, 6. Mai 2017
"Eine große Biografie! (...) Die Autorin bringt der Femme fatale eine neidlose Achtung, aber auch ehrliches Mitgefühl entgegen. Das bewahrt die Biografin davor, die überragende Persönlichkeit entweder zu vergöttern oder zu verteufeln."
Rhein-Neckar-Zeitung, 6. Mai 2017