Die Lyrik des Bürgertums sei in "leere Nichtigkeit" und "puren Formalismus" verfallen, heißt es in einem Vorwort von Julius Hart zu diesem Band. Dem gegenüber setze Wille in seiner Lyrik ein neues und kraftvolles Innenleben, die Zentren "Mitleid mit Armen und Unterdrückten" und den "Glauben an die
... Entwicklung der Menschheit und ... den Sozialismus" als Erlöser aus der Armut.
Der Autor des…mehrDie Lyrik des Bürgertums sei in "leere Nichtigkeit" und "puren Formalismus" verfallen, heißt es in einem Vorwort von Julius Hart zu diesem Band. Dem gegenüber setze Wille in seiner Lyrik ein neues und kraftvolles Innenleben, die Zentren "Mitleid mit Armen und Unterdrückten" und den "Glauben an die ... Entwicklung der Menschheit und ... den Sozialismus" als Erlöser aus der Armut.
Der Autor des Vorworts muss aber ein anderes Werk gelesen haben. Von den zitierten Ansätzen ist in diesem Werk nur wenig zu finden.
Statt dessen viel Nichtssagendes und Erratisches wie das Gedicht über die Feier bei den Lilliputanern ("Da krabbeln aus den Häuschen / Die Lilliputaner hervor / Und kribbeln in bunten Schwärmen / Hinaus zum städtischen Thor"). Quasi als Gegensatz zur Idylle enthält dieses gleiche Gedicht einen rätselhaften Abschluss: "Ein weltenfernes Kometenvieh / Mit ungeschlachtem Schwanz / Beglotzt mit dummer Neugier / Den Erdenmückentanz."
Eine ganze Reihe der Werke dieses Dichters bleiben ähnlich rätselhaft, man fragt sich gelegentlich, was der Mann vor dem Schreiben wohl eingenommen hat.
Ansonsten liegt über diesem Werk aber eine bleierne Ödnis, die man beim Lesen drückend empfindet, die aber schwer in Worte zu fassen ist.
Schräge Bilder, Determinismus und Hoffnungslosigkeit bestimmen die Atmosphäre: "Zukunft ist ein Würfelbecher / Längst gefallen ist dein Los / Drum blicke auf den Becher / Ohne Furcht und hoffnungslos."
Wille ist andererseits auch ein Dichter der Innerlichkeit, nicht des Kampfes: "Ich war ein Kind mit großen Kinderaugen / Die nur zum träumerischen Schauen, nicht zum Berechnen und zum schlauen Erwerben taugen."
Am Ende fürchtet der Dichter, er werde frieren, darben und vielleicht bald sterben, aber dennoch: "[Ich] segne dankbar meinen Träumerblick / Er ließ mich lieben Flur und Himmelsbläue / Und diese Liebe war mein Lebensglück."
Willes Eigenart ist es, längere Zitate von Dichterkollegen seinen eigenen Werken voranzustellen. Das bringt Seiten und Sympathie. So finden sich sowohl Tolstoi als auch Julius Hart unter den Zitierten, was letzteren wohl zu dem oben zitierten Vorwort verleitet haben mag.
Etwas von Wut und Verzweiflung ist nur in der "Vogelscheuche" zu spüren, wo sich ein "elender Strolch", auf den soeben der feiste Gutsbesitzer noch die Hunde gehetzt hat, in der Nähe einer Vogelscheuche an einer Pappel erhängt.
Und in der "Straße" gelingt Wille ansatzweise ein Panorama des mitleidlosen Großstadtlebens.
Ansonsten regiert hier aber Tristesse und Verzweiflung, die am Leser abprallt: "In forstigen Dünsten, die zum Himmel qualmen / Verblutet die Sonne / ... / Stirb nicht, Mütterchen Sonne."
Es gibt allzu wenige Lichtblicke wie das folgende Fazit aus "Arme Leute": Selber arm und traurig / Folg ich der weinenden Wolke / Und denk an arme Leute / Und leide mit meinem Volke."
Am Ende gibt der Verfasser in etwas verquaster Sprache Einblick in sein Denken: Die Einsiedler-Gedichte stammen demnach aus der ersten Phase seines Lebens, als er "ergreifende Gespräche" mit Wolken, Bäumen und Stürmen geführt habe, abseits der "Hässlichkeit und Bösartigkeit" der Menschengesellschaft. In der zweiten Phase seines Lebens habe er sich dann zum Sozialisten entwickelt und als "höchste Lebensaufgabe die Mitarbeit an der Beseligung der Menschheit" entdeckt.
Angesichts der durchgehenden Tristesse und Hoffnungslosigkeit dieses Werkes gepaart mit den sprachlichen Unzulänglichkeiten könnte man sagen "Mission gescheitert".