Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Geschichte Deutschlands - Nachkriegszeit, Kalter Krieg, Note: 1,3, Ludwig-Maximilians-Universität München (Historisches Seminar der LMU), Sprache: Deutsch, Abstract: Während des Zweiten Weltkrieges ermordete das sogenannte „Einsatzkommando Tilsit“ Tausende von Juden im Grenzgebiet zwischen dem Deutschen Reich und Litauen. 1958 wurden zehn Mitglieder des Kommandos im Ulmer Einsatzgruppenprozess wegen ihrer Teilnahme vor Gericht gestellt. Der Ulmer Einsatzgruppenprozess war der erste derartige Prozess vor einem deutschen Gericht. Obwohl er zu einem Wandel im Umgang mit NS-Gewaltverbrechen in der Bundesrepublik beitrug, bleibt er im Vergleich zum Auschwitz-Prozess (1964-65) relativ unerforscht. Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Monographie zum Thema. Gegenstand der Masterarbeit ist die Wahrnehmung des Prozesses in der deutschen Öffentlichkeit. Die Arbeit basiert auf Archivakten im Staatsarchiv Ludwigsburg, auf einer Auswertung von zeitgenössischen Artikeln aus mehreren Zeitungen, auf Meinungsumfragen aus der Zeit des Prozesses, sowie auf Sekundärliteratur. Besonders wichtig für die Arbeit ist eine Sammlung von etwa 100 Briefen von Bundesbürgern an das Ulmer Schwurgericht. Obwohl die Mehrheit der Westdeutschen die justizielle Aufarbeitung der Verbrechen unterstützte, war die Minderheit, die einen „Schlussstrich“ verlangte, beträchtlich. Vor diesem Hintergrund bietet die Arbeit eine detailreiche Analyse der Briefe von Bürgern an das Ulmer Schwurgericht gegen Ende der 50er Jahre. 60 Prozent der Briefschreiber waren dem Prozess gegenüber positiv eingestellt, während 37 Prozent den Prozess verurteilten. Die Briefe sind nicht mit einer wissenschaftlichen Stichprobe gleichzusetzen, bieten aber trotzdem Einsicht in das Denken der Menschen. Die Befürworter des Prozesses gingen davon aus, dass Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Ihrer Ansicht nach waren solche Verfahren wichtig, um den Ruf der Bundesrepublik zu retten. In den prozesskritischen Briefen zeigte sich hingegen die Hartnäckigkeit von NS-Gedankengängen und von Antisemitismus sowie das Ausmaß der Selbststilisierung zu Opfern unter den Deutschen. Die Schriftstücke verdeutlichten deren Überzeugung, dass solche Prozesse Störfaktoren beim Wiederaufbau des Landes waren. Durch seine sorgfältige Analyse der Briefe ist es dem Verfasser gelungen, die Denkweise hinter den aus Meinungsumfragen des Allensbacher Instituts stammenden Zahlen zu verdeutlichen.