»1300 Meter geschafft! Ungefähr ab diesem Zeitpunkt - alle Körperteile waren schon lange taub - kostete es mich enorm viel Willenskraft, der Kälte noch weitere Minuten zu trotzen. Ich spürte nur noch die Schmerzen und dass meine Bewegungen aufgrund meines ausgezeichneten Trainingszustands glücklicherweise nicht abrupt, sondern ganz allmählich immer langsamer wurden.« Emotional und spannend schildert Julia Wittig, mehrfache Goldmedaillengewinnerin im Eisschwimmen und Weltmeisterin über die Königsdisziplin von 1000 Metern, was sie gefühlt hat, während sie zusammen mit ihrer Kollegin Ines Hahn die Eismeile von exakt 1609,3 Metern Länge in Rekordzeit schwamm. Die Bestzeit von 21:33 Minuten verschaffte den beiden 2021 einen Eintrag ins Guinness-World-Records-Buch. Um solche Rekorde aufzustellen, sind ein intensives Training und die richtige Vorbereitung unerlässlich. Eisschwimmen ist ein Extremsport und birgt jede Menge Gefahren. Es hat aber auch zahlreiche Vorteile, sich der Kälte auszusetzen: Du frierst weniger schnell im Winter, stärkst dein Immunsystem und bist seltener krank. Wie gehst du also richtig vor, wenn du ins Wasser steigst? Julia Wittig gibt einen ausführlichen Einblick in das Eisschwimmen: Basics: · Was unterscheidet Eisschwimmen von Eisbaden? · Welche Gewässer und Temperaturen sind fürs Eisschwimmen geeignet? · Wie wirkt sich die Kälteexposition auf den Körper aus und welche Vorteile hat es? · Warum ist Mentaltraining für die Atmung so wichtig? Praxis: · Welche Sicherheitsmaßnahmen müssen beachtet werden? · Wie sieht die grundlegende Ausstattung für Eisschwimmer aus? · Welche Anfängerfehler gilt es zu vermeiden? · Möchtest du nur Eisbaden oder längere Distanzen schwimmen und die Zeiten im Wasser erhöhen? Wettkampf: · Welche Eisschwimmwettkämpfe gibt es? · Wie lange dauert die Vorbereitung? · Wie werden die Schwimmdistanzen gesteigert? · Und wie schafft man die Eismeile? Zahlreiche weitere Tipps, jede Menge Trainingspläne, persönliche Einblicke der Weltmeisterin in ihre Anfänge und wie sie die Eismeile bewältigte, machen dieses Buch nicht nur lesenswert, sondern zu einem Muss für jeden, der in die faszinierende Welt des Eisschwimmens eintauchen möchte. »See you in the ice!«, wie es unter Eisschwimmern heißt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2022Herz auf Eis
Wenn sich jede Faser vor Kälte sträubt, schwimmt Julia Wittig los. Wie schafft sie es, ihre Grenzen zu überwinden?
Von Marc Heinrich
Ohne Überwindung geht es nicht. Die Kraft der Kälte ist zu unbarmherzig, als dass sie sich durch Bewegung verdrängen ließe. Zumindest auf den Gewöhnungseffekt ist aber Verlass. Bis heute hat Julia Wittig viele hundert Male ihren Körper und Geist einer Belastungsprobe unterzogen, die bei Außenstehenden, die die Trainingseinheiten der Athletin verfolgen, immer wieder für offen stehende Münder sorgt. Wittig ist Eisschwimmerin - und mit heißem Herzen bei der Sache. Aus dem Kreis der beständig größer werdenden Schar an Mitstreitern ragt sie als mehrmalige Weltmeisterin heraus. Wenn draußen, wie in diesen Tagen, die Temperaturen fallen, fühlt sie sich besonders wohl in ihrem Element. Das Wasser im Wöhrsee, der sich malerisch in ihrer Heimatgemeinde Burghausen in die Voralpenlandschaft schmiegt, hat dann rund fünf Grad Celsius. Und Wittig legt mit nichts außer einem Badeanzug und einer Silikonbadekappe bekleidet los, dazu nutzt sie eine kleine Nasenklammer sowie abschottende Ohrenstöpsel, die verhindern, dass ihr die frostige Flüssigkeit ins Trommelfell sickert oder in den Rachen herabläuft. Beim Eisschwimmen steht, im Gegensatz zum aktuell auch populären Eisbaden, der sportliche Aspekt klar im Fokus.
Die Lehrerin, die im Berufsalltag als Konrektorin an der örtlichen Grundschule arbeitet, sagt, sie "genieße" besonders die stillen Momente, wenn wie jetzt die Tage kurz sind, sie im Nachmittagslicht bis zum Hals in das aufgrund der umliegenden Tannen grünlich schimmernde Gewässer eintaucht und spürt, wie zunächst alle Warnsignale vom Haaransatz bis zum kleinen Fußzeh in Sekundenschnelle auf Alarm umschalten. Wittig spricht von der "Überwindung einer Grenze", die sie stets aufs Neue meistern müsse. "Anfangs ist es immer echt schockierend, und die Schmerzen sind brutal. Aber dann ist es ein tolles Gefühl", sagt sie, die von sich behauptet, durch ihr Hobby, das sie längst mit professionellem Ehrgeiz betreibt, "ein Stück weit rauszukommen aus der Komfortzone".
Die Menschen, so ihr Eindruck, neigten dazu, "es sich, wo immer es möglich ist, bequem zu machen. Es soll schön kuschelig sein, die Decke muss griffbereit liegen, und am besten gibt es dazu noch eine Tasse Cappuccino", sagt sie und kommt zu der Erkenntnis, der sie ein Lachen anfügt: "Im Grunde genommen braucht es das alles nicht, um glücklich und gesund zu sein."
Wittig kam im Dezember vor sieben Jahren zufällig zum Eisschwimmen. Sie war mit ihrer Freundin Nicole Hetzer, ehedem dreimalige Olympiateilnehmerin im Schwimmen, und den Kindern zum Schlittenfahren am Rodelhang von Burghausen, als sie aus den Augenwinkeln sahen, wie sich unten am Fuße der Wiese ein Mann seiner Kleidung entledigte, mit zielstrebig anmutenden Schritten auf das Wasser zuging und kurz darauf mit geübten Zügen durch den Wöhrsee glitt.
"Als ehemalige Leistungsschwimmerin war ich fasziniert von dieser Ungeheuerlichkeit", erzählt Wittig. Das Interesse der beiden Frauen war geweckt. Wittig, die in jungen Jahren als deutsche Jahrgangsmeisterin im Becken vor allem solche Disziplinen bevorzugte, die, wenn man sie mit Tempo angeht, "richtig weh tun", suchte das Gespräch mit dem Wagemutigen, der sich als Christof Wandratsch entpuppte. Der ehemalige Triathlet, der ein Faible für riskante Abenteuer besitzt und unter anderem den Ärmelkanal durchschwamm, machte mit verlockend klingenden Worten Werbung für das spezielle Vergnügen und lud seine Zuschauerinnen ein, es ihm bei Gelegenheit doch nachzutun.
Gesagt, getan. "Das einzige Eiswasser, dass ich bis dahin kannte, war in Würfelform gefroren in einem schönen Drink", schildert Wittig. Die Probe aufs Exempel folgte ein einem Wintertag wie aus dem Bilderbuch, es schneite dicke Flocken. Die kleine Tochter, so erinnert sich die Mutter, rief in Anbetracht der äußeren Umstände entsetzt: "Nicht ausziehen, nicht ausziehen!" - doch das couragierte Duo hatte sich in den Kopf gesetzt, zumindest einen kurzen Versuch zu unternehmen. Der erste Kontakt, damals wie heute: "einfach schockierend". Fuß- und Fingerspitzen wurden taub, weil das Blut sofort ins Innere des Korpus strömte, um die Versorgung der lebenswichtigen Organe zu sichern, auf dem Brustkorb lastete ein Druckgefühl, das die Atmung flach und schnell werden ließ. Auf der anderen Seite, "nachdem wir wieder aus dem Wasser gestiegen waren", wurden sie dafür aber von einer Flut an Endorphinen erfasst. "Diese Euphorie, dieses Glücksgefühl, den inneren Schweinehund besiegt und so etwas Extremes probiert zu haben, wirkten überwältigend."
Während sich Hetzer eine Erkältung einfing, die ihre Begeisterung für das coole Abenteuer schmälerte, war bei Wittig "der Startschuss zu meiner neuen Leidenschaft" gefallen. Fast auf den Tag genau zwei Jahre später stellte sie an gleicher Stelle einen Weltrekord mit 13:07 Minuten über 1000 Meter im Eiswasser auf. Außerdem bewältigte sie später die Eismeile (1609,3 Meter) in 21:33 Minuten - ein Kraftakt, der ihr im aktuellen "Guinness-World-Records"- Buch einen Eintrag sicherte.
Eisschwimmen ist, spätestens seitdem die Corona-Pandemie viele Freizeitbeschäftigungen einschränkt, zu einem attraktiven Fitnesstrend geworden. Auch deswegen hat sich Wittig entschieden, ein Buch zu verfassen, das nicht zuletzt als Ratgeber angelegt ist, um aufzuklären und wertvolle Tipps zu geben. "Eisschwimmen ist ein Extremsport und birgt jede Menge Gefahren. Die eigenen Grenzen zu kennen und den Respekt vor dem Eiswasser zu bewahren ist unerlässlich." Zu den Grundvoraussetzungen gehöre eine gesundheitliche Untersuchung, die all ihren Wettbewerbe verbindlich vorgeschaltet und die in Wittigs Augen auch für jeden Anfänger unerlässlich ist.
"Wer einen Extremsport falsch anpackt, spielt mit seinem Leben. Das darf nicht sein." Sie selbst ist "seit Ewigkeiten" nicht mehr krank gewesen, was sie auf die segensreichen Folgen des Eisschwimmens für das Immunsystem zurückführt. Wichtig sei es, die "Kälte zuzulassen" und mit sich selbst im permanenten Dialog zu stehen: "Ich sage mit ständig: ,Bleib ruhig.'" So gelinge es ihr, die Strecken im Kraulstil zu meistern, selbst wenn sofort die Extremitäten schmerzen, weil sie nicht mehr ordentlich mit Sauerstoff versorgt werden: "Es macht mir keine Angst, weil ich weiß, dass es so kommt, und ich die Situation trotzdem beherrsche." Das Ganze sei nicht zuletzt eine Willensleistung. "Ich steuere meinen Kopf so, dass er konzentriert auch in der Kälte etwas macht, wobei sich eigentlich jede Faser in mir sträubt. Ich kann und darf mit meinen Gedanken nicht woanders ein. Deswegen bin ich im Eiswasser so fokussiert wie sonst bei nichts anderem."
Im Sommer kann sie es gemächlicher angehen lassen, dafür sind die Umfänge größer, während sie im Winter eher mit "voller Power" sprintet. Maximal 15 Minuten dauert gegenwärtig ein Aufenthalt in dem Naturbad des Wöhrsees, in dem 25-Meter-Bahnen markiert sind. Um sich hinterher aufzuwärmen, hat der Verein "Serwus Burghausen", der 49 Mitglieder umfasst, eine Thermokabine angeschafft. Die Bedingungen in der ostbayerischen Kleinstadt seien "ideal", sagt Wittig, die auf Erfahrungen von Wettkämpfen in ganz Europa zurückgreifen kann. Ihre ärgsten Widersacher, wenn es um die Plätze auf den Treppchen geht, stammen zumeist aus China oder Russland. Insgesamt sind in den beiden Vereinigungen International Ice Swimming Association und International Winter Swimming Association rund um den Globus schon mehr als 1000 Eisschwimmer organisiert. Wegen der Corona-Krise ist unklar, wann die nächsten internationalen Titelkämpfe stattfinden können. Bei den bislang letzten, 2020 im slowenischen Ort Bled, räumte Wittig groß ab und kehrte mit sieben Goldmedaillen zurück. Um gewappnet zu sein, wenn es international wieder losgeht, krault sie täglich durch den Wöhrsee. Laut Wettervorhersage soll im Laufe der ersten Januarhälfte der Winter mit geballter Kraft nach Burghausen kommen. Es gibt jemanden, der sich darauf sehr freut.
Julia Wittig: Eisschwimmen. Riva Verlag 2021. 208 Seiten, 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn sich jede Faser vor Kälte sträubt, schwimmt Julia Wittig los. Wie schafft sie es, ihre Grenzen zu überwinden?
Von Marc Heinrich
Ohne Überwindung geht es nicht. Die Kraft der Kälte ist zu unbarmherzig, als dass sie sich durch Bewegung verdrängen ließe. Zumindest auf den Gewöhnungseffekt ist aber Verlass. Bis heute hat Julia Wittig viele hundert Male ihren Körper und Geist einer Belastungsprobe unterzogen, die bei Außenstehenden, die die Trainingseinheiten der Athletin verfolgen, immer wieder für offen stehende Münder sorgt. Wittig ist Eisschwimmerin - und mit heißem Herzen bei der Sache. Aus dem Kreis der beständig größer werdenden Schar an Mitstreitern ragt sie als mehrmalige Weltmeisterin heraus. Wenn draußen, wie in diesen Tagen, die Temperaturen fallen, fühlt sie sich besonders wohl in ihrem Element. Das Wasser im Wöhrsee, der sich malerisch in ihrer Heimatgemeinde Burghausen in die Voralpenlandschaft schmiegt, hat dann rund fünf Grad Celsius. Und Wittig legt mit nichts außer einem Badeanzug und einer Silikonbadekappe bekleidet los, dazu nutzt sie eine kleine Nasenklammer sowie abschottende Ohrenstöpsel, die verhindern, dass ihr die frostige Flüssigkeit ins Trommelfell sickert oder in den Rachen herabläuft. Beim Eisschwimmen steht, im Gegensatz zum aktuell auch populären Eisbaden, der sportliche Aspekt klar im Fokus.
Die Lehrerin, die im Berufsalltag als Konrektorin an der örtlichen Grundschule arbeitet, sagt, sie "genieße" besonders die stillen Momente, wenn wie jetzt die Tage kurz sind, sie im Nachmittagslicht bis zum Hals in das aufgrund der umliegenden Tannen grünlich schimmernde Gewässer eintaucht und spürt, wie zunächst alle Warnsignale vom Haaransatz bis zum kleinen Fußzeh in Sekundenschnelle auf Alarm umschalten. Wittig spricht von der "Überwindung einer Grenze", die sie stets aufs Neue meistern müsse. "Anfangs ist es immer echt schockierend, und die Schmerzen sind brutal. Aber dann ist es ein tolles Gefühl", sagt sie, die von sich behauptet, durch ihr Hobby, das sie längst mit professionellem Ehrgeiz betreibt, "ein Stück weit rauszukommen aus der Komfortzone".
Die Menschen, so ihr Eindruck, neigten dazu, "es sich, wo immer es möglich ist, bequem zu machen. Es soll schön kuschelig sein, die Decke muss griffbereit liegen, und am besten gibt es dazu noch eine Tasse Cappuccino", sagt sie und kommt zu der Erkenntnis, der sie ein Lachen anfügt: "Im Grunde genommen braucht es das alles nicht, um glücklich und gesund zu sein."
Wittig kam im Dezember vor sieben Jahren zufällig zum Eisschwimmen. Sie war mit ihrer Freundin Nicole Hetzer, ehedem dreimalige Olympiateilnehmerin im Schwimmen, und den Kindern zum Schlittenfahren am Rodelhang von Burghausen, als sie aus den Augenwinkeln sahen, wie sich unten am Fuße der Wiese ein Mann seiner Kleidung entledigte, mit zielstrebig anmutenden Schritten auf das Wasser zuging und kurz darauf mit geübten Zügen durch den Wöhrsee glitt.
"Als ehemalige Leistungsschwimmerin war ich fasziniert von dieser Ungeheuerlichkeit", erzählt Wittig. Das Interesse der beiden Frauen war geweckt. Wittig, die in jungen Jahren als deutsche Jahrgangsmeisterin im Becken vor allem solche Disziplinen bevorzugte, die, wenn man sie mit Tempo angeht, "richtig weh tun", suchte das Gespräch mit dem Wagemutigen, der sich als Christof Wandratsch entpuppte. Der ehemalige Triathlet, der ein Faible für riskante Abenteuer besitzt und unter anderem den Ärmelkanal durchschwamm, machte mit verlockend klingenden Worten Werbung für das spezielle Vergnügen und lud seine Zuschauerinnen ein, es ihm bei Gelegenheit doch nachzutun.
Gesagt, getan. "Das einzige Eiswasser, dass ich bis dahin kannte, war in Würfelform gefroren in einem schönen Drink", schildert Wittig. Die Probe aufs Exempel folgte ein einem Wintertag wie aus dem Bilderbuch, es schneite dicke Flocken. Die kleine Tochter, so erinnert sich die Mutter, rief in Anbetracht der äußeren Umstände entsetzt: "Nicht ausziehen, nicht ausziehen!" - doch das couragierte Duo hatte sich in den Kopf gesetzt, zumindest einen kurzen Versuch zu unternehmen. Der erste Kontakt, damals wie heute: "einfach schockierend". Fuß- und Fingerspitzen wurden taub, weil das Blut sofort ins Innere des Korpus strömte, um die Versorgung der lebenswichtigen Organe zu sichern, auf dem Brustkorb lastete ein Druckgefühl, das die Atmung flach und schnell werden ließ. Auf der anderen Seite, "nachdem wir wieder aus dem Wasser gestiegen waren", wurden sie dafür aber von einer Flut an Endorphinen erfasst. "Diese Euphorie, dieses Glücksgefühl, den inneren Schweinehund besiegt und so etwas Extremes probiert zu haben, wirkten überwältigend."
Während sich Hetzer eine Erkältung einfing, die ihre Begeisterung für das coole Abenteuer schmälerte, war bei Wittig "der Startschuss zu meiner neuen Leidenschaft" gefallen. Fast auf den Tag genau zwei Jahre später stellte sie an gleicher Stelle einen Weltrekord mit 13:07 Minuten über 1000 Meter im Eiswasser auf. Außerdem bewältigte sie später die Eismeile (1609,3 Meter) in 21:33 Minuten - ein Kraftakt, der ihr im aktuellen "Guinness-World-Records"- Buch einen Eintrag sicherte.
Eisschwimmen ist, spätestens seitdem die Corona-Pandemie viele Freizeitbeschäftigungen einschränkt, zu einem attraktiven Fitnesstrend geworden. Auch deswegen hat sich Wittig entschieden, ein Buch zu verfassen, das nicht zuletzt als Ratgeber angelegt ist, um aufzuklären und wertvolle Tipps zu geben. "Eisschwimmen ist ein Extremsport und birgt jede Menge Gefahren. Die eigenen Grenzen zu kennen und den Respekt vor dem Eiswasser zu bewahren ist unerlässlich." Zu den Grundvoraussetzungen gehöre eine gesundheitliche Untersuchung, die all ihren Wettbewerbe verbindlich vorgeschaltet und die in Wittigs Augen auch für jeden Anfänger unerlässlich ist.
"Wer einen Extremsport falsch anpackt, spielt mit seinem Leben. Das darf nicht sein." Sie selbst ist "seit Ewigkeiten" nicht mehr krank gewesen, was sie auf die segensreichen Folgen des Eisschwimmens für das Immunsystem zurückführt. Wichtig sei es, die "Kälte zuzulassen" und mit sich selbst im permanenten Dialog zu stehen: "Ich sage mit ständig: ,Bleib ruhig.'" So gelinge es ihr, die Strecken im Kraulstil zu meistern, selbst wenn sofort die Extremitäten schmerzen, weil sie nicht mehr ordentlich mit Sauerstoff versorgt werden: "Es macht mir keine Angst, weil ich weiß, dass es so kommt, und ich die Situation trotzdem beherrsche." Das Ganze sei nicht zuletzt eine Willensleistung. "Ich steuere meinen Kopf so, dass er konzentriert auch in der Kälte etwas macht, wobei sich eigentlich jede Faser in mir sträubt. Ich kann und darf mit meinen Gedanken nicht woanders ein. Deswegen bin ich im Eiswasser so fokussiert wie sonst bei nichts anderem."
Im Sommer kann sie es gemächlicher angehen lassen, dafür sind die Umfänge größer, während sie im Winter eher mit "voller Power" sprintet. Maximal 15 Minuten dauert gegenwärtig ein Aufenthalt in dem Naturbad des Wöhrsees, in dem 25-Meter-Bahnen markiert sind. Um sich hinterher aufzuwärmen, hat der Verein "Serwus Burghausen", der 49 Mitglieder umfasst, eine Thermokabine angeschafft. Die Bedingungen in der ostbayerischen Kleinstadt seien "ideal", sagt Wittig, die auf Erfahrungen von Wettkämpfen in ganz Europa zurückgreifen kann. Ihre ärgsten Widersacher, wenn es um die Plätze auf den Treppchen geht, stammen zumeist aus China oder Russland. Insgesamt sind in den beiden Vereinigungen International Ice Swimming Association und International Winter Swimming Association rund um den Globus schon mehr als 1000 Eisschwimmer organisiert. Wegen der Corona-Krise ist unklar, wann die nächsten internationalen Titelkämpfe stattfinden können. Bei den bislang letzten, 2020 im slowenischen Ort Bled, räumte Wittig groß ab und kehrte mit sieben Goldmedaillen zurück. Um gewappnet zu sein, wenn es international wieder losgeht, krault sie täglich durch den Wöhrsee. Laut Wettervorhersage soll im Laufe der ersten Januarhälfte der Winter mit geballter Kraft nach Burghausen kommen. Es gibt jemanden, der sich darauf sehr freut.
Julia Wittig: Eisschwimmen. Riva Verlag 2021. 208 Seiten, 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main