Es ist sein einziges Jugendbuch, erschienen 1940 auf Jiddisch in einem New Yorker Verlag. Nun erscheint "Emil und Karl" erstmals auf Deutsch. Mit Yankev Glatshteyn ist einer der großen jiddischen Schriftsteller zu entdecken. Wien 1938: Die beiden neunjährigen Freunde Emil und Karl sind plötzlich in dem von den Nazis annektierten Österreich auf sich allein gestellt. Ihre Eltern wurden vor ihren Augen verhaftet: die einen aufgrund ihrer sozialistischen Gesinnung, die anderen aufgrund ihres jüdischen Glaubens. Die beiden Jungen, all ihrer Sicherheiten beraubt, erleben Unfassbares, aber auch Unterstützung von Menschen, die für sie ihr Leben riskieren. Familien werden zerstört, Menschen geschlagen, verhaftet und ermordet: Wie ist es für Kinder, an einem solchen Ort zu leben? Durch die Augen von Kindern, die das Grauen um sie herum nicht erfassen können, hat Yankev Glatshteyn eines der ersten Bücher für junge Leser über den „Holocaust vor dem Holocaust“ geschrieben. Der jiddisch schreibende Poet, der vor allem mit seiner wilden und modernen Lyrik bekannt wurde, zeigt sich mit seinem Buch als schreibender Prophet. Geschrieben für seine Kinder, ist dieser Roman nicht einfach nur ein Jugendbuch, sondern ein Buch für Leser jeden Alters und jeder Sprache. Es ist ein Roman über die Situation von Kindern in einer grauenvollen Zeit. Aber vor allem ist es eine Geschichte über Freundschaft. Yankev Glatshteyn wurde 1896 in Lublin, Polen, geboren und wanderte 1914 nach New York aus, wo er zu schreiben begann und schnell zu einer der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen jiddischen Literatur wurde. Er gründete zusammen mit anderen Schriftstellern den literarischen Zirkel "In zikh", der die jiddische Avantgarde in Amerika in den 1920er bis 30er Jahren prägte. Als Lyriker wurde Yankev Glatshteyn vor allem durch seine sprachliche Virtuosität und seine lebendigen Bilder bekannt. Ein Besuch 1934 in Polen führte zu einer Zäsur in seinem literarischen Schaffen: Fortan beschäftigte er sich vor allem mit der Situation der in Europa lebenden Juden. Mit "Emil und Karl" schrieb er sein einziges Jugendbuch, es erschien 1940 auf Jiddisch in einem New Yorker Verlag. Yankev Glatshteyn starb 1971 in New York.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Endlich ist Yankev Glatshteyns berührendes Jugendbuch "Emil und Karl" auch auf Deutsch zu lesen, schreibt Rezensent Oliver Pfohlmann und informiert, dass es sich bei dem Buch des im russischen Lublin geborenen Lyrikers und Feuilletonisten um einen der ersten Holocaust-Romane überhaupt handelt. Tief bewegt liest der Kritiker die Geschichte um die neun Jahre alten Freunde Karl und Emil, der eine Jude, der andere Arbeitersohn, die sich allein durch das nationalsozialistische Wien schlagen. Erschüttert erlebt Pfohlmann in dem aus der Perspektive Karls geschriebenen Roman, wie die Nachbarin in die leerstehende Wohnung von Emils Eltern eindringt, um sie zu plündern oder wie die beiden Kinder, schließlich erlöst von einem SS-Mann, mit bloßen Händen die Straße schrubben und auf ihrer Odyssee das ganze "Spektrum des Menschenmöglichen" erfahren. Ein ebenso ergreifendes wie kluges, nie eindimensionales Buch, das längst ein Klassiker ist, urteilt der eingenommene Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»... eines der ersten bedeutenden Werke der Holocaust-Literatur ... Wer heute nicht weiß, wie er seinen Kindern die Dimension von politischer und rassischer Verfolgung, aber auch den Wert der Freundschaft und der Solidarität erklären soll, der möge ihnen diese Buch in die Hand legen. Und nicht zuletzt sei die Lektüre den Erwachsenen selbst angeraten.« Die Presse 20150213