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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Neue Kinderzeitreisen von Cornelia Funke und Marliese Arold
Harry Potter hat gezeigt, daß mit ihnen noch zu rechnen ist. Nun tauchen reihenweise widerwillige Helden auf, um im Kampf gegen archaische Mächte unsere Kinder vor moralischer Gleichgültigkeit zu retten. Wie Harry sind sie Außenseiter, aber im Gegensatz zu ihm haben sie es so eilig, daß sich ein ethischer Spielraum gar nicht erst öffnet, bevor, von abgenutzten mythologischen Pappkameraden flankiert, die Botschaft aufleuchtet: Nichts ist unerträglicher als die Welt, in der wir leben.
Vier schnarchende Brüder vertreiben in Cornelia Funkes neuem Kinderroman die achtjährige Emma mitten in der Nacht ans Meer, wo Hündchen Tristan eine grüne Flasche aus dem Wasser fischt, in der ein blauer Dschinn wohnt. Der schnell entkorkte bartlose Karîm entpuppt sich zwar als guter Geist, doch ist er, "blass wie verwässerter Traubensaft", sichtlich geschwächt dadurch, daß ihm der böse gelbe Dschinn Sahim das Zeichen seiner Macht, den Nasenring, gestohlen hat. Selbst wenn der verdatterten Emma jetzt drei Wünsche einfielen, könnte er sie ihr nicht erfüllen. Zum Dank für die Freiheit bekommt sie zusammen mit Tristan einen Teppichfreiflug in die inzwischen vom Gelben Dschinn verwüstete Heimat Karîms. Dort will sich der Blaue Dschinn Land und Nasenring zurückerobern.
Reisende in Pyjama und Morgenmantel soll man auf ihrem Weg in den Orient nicht aufhalten, das wissen wir seit der geglückten Nahost-Mission von Knisters "Teppichpiloten". Die Sache wird gut ausgehen. Das "mehlgesichtige" Mädchen im Schlafanzug und sein "wurstbeiniger" Hund können in der Farbenflut des Morgenlandes Aufnahme finden, mit der Kerstin Meyers Bilder das Buch ausfüllen. Die Bilder erzählen die Geschichte auch ohne den Text, deuten aber konspirativ und einladend auf die Wortwelt, in der nicht weniger blumig, gewandt und komisch von Emmas Wüstenabenteuer berichtet wird.
Zur mageren Alltagskulisse, die der elfjährige Max hinter sich läßt, um in Marliese Arolds "Gespensterpark"-Reihe "Die Geheimtür zur Geisterwelt" zu öffnen, gehören eine Schwester, der arbeitslose Vater und die gestreßte Mutter. Max braucht dringend Geld und meldet sich auf die Anzeige, in der ein "furchtloser und verschwiegener" Hilfsgärtner gesucht wird. Max besteht den verhexten Einstellungstest und findet "seinen" Schutzstein zur Abwehr böser Mächte, eine sichtbare Garantie für kommende Abenteuer und deren Bestehen. Denn das unauffällige, beseelte Gartenreich, in das Max und seine Freundin Sophie nun hineinkommen, verwahrt mit Elementargeistern und magischen Geschöpfen eine bereits etikettierte Auswahl an Archetypen, zu denen man natürlich auch im "Gespensterpark" nur auf Wegen gelangt, die einen aus dem Zeit-Raum-Kontinuum herauskatapultieren.
Während Cornelia Funkes augenzwinkernder Ausflug mit Emma erfrischend kompakt über die Bühne geht, droht Marliese Arolds Pilot schon am Start von einer Fülle von Details und Anspielungen überrollt zu werden, die den Verlauf der Serie auf Tiefgang, Turbulenzen und Unbeschwertheit programmieren sollen. Die pointierten Zeichnungen von Barbara Scholz verraten, daß man solch konzeptionelle Überlastung nur karikierend in den Griff bekommt. Vielleicht erreicht Marliese Arold aber noch jene erzählerische Souveränität, mit der sie sonst zuweilen aus alltäglichen Situationen magische Momente zaubern kann.
INA LANNERT
Cornelia Funke: "Emma und der blaue Dschinn". Dressler Verlag, Hamburg 2002. 96 S., geb., 9,90 [Euro]. Ab 8 J.
Marliese Arold: "Die Geheimtür zur Geisterwelt". Oetinger Verlag, Hamburg 2002. 112 S., geb., 8,50 [Euro]. Ab 8 J.
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