Soweit Lebensabläufe mit einem Formwandel einhergehen, läßt sich von der Form her die Funktion interpretieren. Es konnte sich daher eine funktionelle Morphologie entwickeln, unter der wir die Deutung des morphologischen Befundes hinsichtlich seiner funktionellen Aussagekraft im Augenblick der Gewebsentnahme verstehen. Erfaßt werden soll dabei das Funktionsverhalten an Ort und Stelle als Reaktion auf einen übergeordneten Reiz. Eine befriedigende Lösung dieser Auf gabe ist nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen Kliniker und Morphologen erreichbar, wobei u.a. der Wahl des Entnahmezeitpunkts entscheidende Bedeu tung zukommt: Das Erfolgsorgan muß den Funktionsreiz durch Formwandel bereits morphologisch beantwortet haben; die dadurch bedingte zeitliche Ver zögerung in der gestaltlichen Reaktion muß berücksichtigt werden. Auf diese Weise lassen sich die Art des Funktionswandels, sein Ablauf in der Zeit (durch wiederholte Entnahmen), seine Stärke und vor allem die biologische Wirksamkeit des funktionellen Reizes auf die Peripherie mit größerer Sicherheit beurteilen, als es durch eine Bestimmung der wirksamen Substanzen auf bio chemischem Wege möglich wäre. Mag sich diese Tatsache mit dem Fortschreiten unserer Erkenntnisse zugunsten der Biochemie verschieben, in der Praxis wird der nachzuweisende morphologische Effekt am Erfolgsorgan die Grundlage bleiben, die das Krankheitsgeschehen bestimmen läßt und das ärztliche Handeln festlegt. Neben die funktionelle Morphologie tritt im gleichen Präparat auch immer die Beurteilung lokaler Veränderungen, die nach dem heutigen Stand unserer Kennt nisse nicht oder nicht sicher durch funktionelle Steuerung hervorgerufen werden.
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