Knowing within myself the manner in which this Poem has been produced, it is not without a feeling of regret that I make it public.What manner I mean, will be quite clear to the reader, who must soon perceive great inexperience, immaturity, and every error denoting a feverish attempt, rather than a deed accomplished. The two first books, and indeed the two last, I feel sensible are not of such completion as to warrant their passing the press; nor should they if I thought a year's castigation would do them any good;–it will not: the foundations are too sandy. It is just that this youngster should die away: a sad thought for me, if I had not some hope that while it is dwindling I may be plotting, and fitting myself for verses fit to live.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018Traumreise eines Schäfers ohne Schafe
Mehr als viertausend Verse voller Kraft und Sinnesfreude: John Keats' Gedicht "Endymion" erstmals auf Deutsch und fabelhaft übersetzt.
Von Jürgen Kaube
Die Romantik stellen sich Deutsche gern als etwas Deutsches und als eine literarische Epoche vor, etwa im Unterschied zur Weimarer Klassik. Wenn der Wald und Sonnenuntergänge, Gespenster und Ruinen, Träume vom Mittelalter, die Anhänglichkeit zum Volkslied oder zu Märchen romantisch sind, dann kann man so denken. Aber einerseits nur, wenn man die Wälder und das Mittelalter anderer Länder nicht zur Kenntnis nimmt. Und andererseits nur, wenn man die Unterscheidungen ignoriert, um die es hier geht: Nicht der Wald ist romantisch, sondern wenn Städter etwas Tiefes in ihm suchen. Nicht Gespenster sind romantisch, sondern wenn von ihnen erzählt, aber nicht an sie geglaubt wird. Nicht das Mittelalter ist romantisch, sondern wenn jemand sich vorstellt, es sei von Romantikern bevölkert gewesen.
Dass die Romantik keine Epoche ist, geht schon daraus hervor, dass ihre wichtigsten Werke über weit mehr als fünfzig Jahre streuen. Wer die 1. Symphonie Gustav Mahlers der Spätromantik zurechnet, kann sich einen Epochenbegriff ebenso schenken wie diejenigen, die in Horace Walpoles neugotischen Umbauten an Strawberry Hill von 1747 die ersten romantischen Impulse erkennen wollen. Eine erhebliche Verdichtung von Werken, die als romantisch gelten, ist zwar im Jahrzehnt um 1820 erkennbar. Aber die Abstände zwischen Mary Shelleys "Frankenstein", Stendhals "De l'amour" und Wilhelm Hauffs Märchenalmanachen, dem "Ivanhoe" von Walter Scott und Schuberts "Winterreise" lassen sich nicht in den wenigen Jahren messen, in denen sie entstanden sind.
Was soll es also heißen, jemand einen romantischen Künstler zu nennen? Versuchen wir es umgekehrt, nicht vom Begriff, sondern vom Künstler aus. Wenn irgendjemand einen romantischen Eindruck macht, dann der englische Lyriker John Keats. In einer Londoner Familie großgeworden, die schon in seiner Kindheit um ihn herum wegstarb, wird der 1795 Geborene früh zum Apotheker und Chirurgen ausgebildet. Kaum zwanzig aber, beschließt "der unzufriedenste und ruheloseste Geist, der je in einen für ihn zu kleinen Körper gelegt wurde" (Keats), Dichter zu werden. Als sein langes Gedicht "Endymion" 1818 erscheint, fällt die Kritik über es her. Byron meinte später, an dieser Wunde sei Keats gestorben. Aber das war selbst nur ein romantischer Einfall, Mykobakterien nehmen auf Genies keine Rücksicht.
Außerdem verfasste Keats im Jahr darauf in beispielloser Geschwindigkeit und Intensität jene Gedichte, die ihn berühmt machen sollten, und zahlreiche, die genauso gut sind. Sie handeln von einer Nachtigall und einer Katze, von Robin Hood und einer griechischen Urne, von Melancholie und von den vielen Gründen, weshalb Eva errötete, als sie Adam den Apfel reichte: "There's a blush for won't, and a blush for shan't / And a blush for having done it / There's a blush for thought and a blush for naught, / And a blush for just begun it."
Weit entfernt also, der Waldeinsamkeit oder dem Mittelalter zu frönen, war Keats vor allem ein Wortvirtuose, in dessen Seele sich Witz und das Bedürfnis, anbetungswürdige Dinge zu finden, einen produktiven Kampf lieferten. Der zeitweise Rückzug aus der Großstadt war ihm nur ein Mittel, in Ruhe arbeiten zu können. Stets verband der Lyriker ein fast goldschmiedhaftes Gespür für die wirkungsvolle einzelne Gedichtzeile oder das überraschende Verspaar mit einer immensen Sehnsucht nach Schönheit als dem Schlüssel zu allem.
Jetzt liegt erstmals auf Deutsch sein erster Wurf, "Endymion", vor, zweisprachig in fabelhafter Übersetzung. Das Gedicht handelt von einem griechischen Schäfer, in den sich die Göttin des Mondes so sehr verliebt, dass sie ihn auf einen Berg entführt, um fünfzig Kinder mit ihm zu zeugen. In mehr als viertausend Versen wird die Vorgeschichte dieser Mesalliance erzählt. Eine trunkene Gemeinschaft wird beschworen, die tröstliche Schönheit der Natur, die Liebe, die mehr sei "als Mischen heißen Atems", nämlich Gegenwart des Überirdischen in der Welt, "a sort of oneness", eine Art Einheit. "Worin liegt Glück?" lautet eine der Schlüsselzeilen, und die Antwort von Keats: "Wo willigen Gemütern / Gemeinschaft winkt, das göttliche Vereinen / Gemeinschaft mit Essenz - bis das wir scheinen, / ganz aufgelöst, und frei von Raum". Ganz aufgelöst, "full alchimiz'd" heißt es im Original und "fellowship with essence".
Es ist eine duftende, flüssige, würzige Natur, aus der die Krankheiten weggedacht sind, eine Gemeinschaft, die nur zärtlich ist, obschon sie Angst in Form von Ehrfurcht und auch Bösewichte kennt. Im Entwurf ihrer Bilder geht es Keats für Menschen darum, "to shake Ambition from their memories", aus den Erinnerungen den Willen zur Größe herauszufiltern. Womöglich ist das eine der besten Bestimmungen des romantischen Geistes. Es ist jedenfalls eine sehr englische, insofern ihr jegliches Wehleid fehlt.
Die sprachliche Sinnenfreude hingegen ist groß. Keats' Verse laufen schier über vor Kraft. Rinder werden mit "nachts geschwollenen Pilzen" verglichen. Von Erdbeeren heißt es, die sommerliche Kühle ihres Kriechens durch das Beet sei zu loben. Es ist eine "irre Welt der silbernen Verzauberung", in der die Dinge "sternig" sind, das Bett ist eine "Seeschaum-Wiege", und selbst triste Orte sind wundervoll trist und voller Erwartung, weil Göttinnen sich jungen Männern mit "heiklen Seligkeiten" und den "zart milchigsten Vollkommenheiten" (milky sovereignties) zuwenden.
Alles ist dabei gleichzeitig, Endymion redet von Pan und Luzifer und gegen die englischen Konservativen, "gebläht von Selbstlob" und gestützt auf "ein Glück aus Holz". Die griechischen Götter haben römische Namen, Behemoth und Leviathan sind dem Panhellenen geläufig, der Schäfer reitet auf einem Araber, und er ruft höhere Mächte an, "die ewig Tag erschufen für Griechenland und England". Wenn's der Schönheitsfindung diente, fand Keats, ist alles erlaubt, weil ihr Medium, die Dichtung, Traum und Rausch verwandt ist. Von seiner Verserzählung ist es nicht weit zu "Lucy in the Sky with Diamonds". Der Klang des Namens, so Keats ganz am Anfang, habe ihn zu Endymion geführt. Folgerichtig bewegt sich das Gedicht oft von Ton zu Ton mehr als von Sinn zu Sinn. Es gehört zur Romantik, der Musik die Führung unter allen Künsten einzuräumen.
Die Traumreise des Schäfers ohne Schafe führt ihn entsprechend überallhin, ohne dass die Erzählung im engeren Sinn von zentraler Bedeutung wäre: Das Reisen selbst ist das Ziel. Von der Hexe Kirke ("O vulture-witch") wird berichtet und von der griechischen Unterwelt, ja es wird sogar ein Unterwassergott, Glaukos, wiederbelebt. Fast möchte man sagen, dass Keats nicht auf Tiefe, sondern auf Weite zielt und weniger mit der Seele sucht, als nach einer Erotik strebt, die sich an nahezu allem entzünden kann. Vom Mond heißt es an einer Stelle allerdings, sein Glanz sei während der Schäferstunde im engeren Sinne "an under-passion to this hour", "für ein Stündchen Nebenleidenschaft". Wer in vergleichbarem Sinne Gedichte zu seinen Unterpassionen zählt, wird hier durch den Dichter, seinen Übersetzer Mirko Bonné und den Autor des schönen Vorworts, Jan Wagner, mit mehr als einer Stunde beschenkt.
John Keats: "Endymion". Eine poetische Romanze. Englisch/Deutsch.
Aus dem Englischen und mit Anmerkungen von Mirko Bonné. Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2018. 280 S., geb., 32,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mehr als viertausend Verse voller Kraft und Sinnesfreude: John Keats' Gedicht "Endymion" erstmals auf Deutsch und fabelhaft übersetzt.
Von Jürgen Kaube
Die Romantik stellen sich Deutsche gern als etwas Deutsches und als eine literarische Epoche vor, etwa im Unterschied zur Weimarer Klassik. Wenn der Wald und Sonnenuntergänge, Gespenster und Ruinen, Träume vom Mittelalter, die Anhänglichkeit zum Volkslied oder zu Märchen romantisch sind, dann kann man so denken. Aber einerseits nur, wenn man die Wälder und das Mittelalter anderer Länder nicht zur Kenntnis nimmt. Und andererseits nur, wenn man die Unterscheidungen ignoriert, um die es hier geht: Nicht der Wald ist romantisch, sondern wenn Städter etwas Tiefes in ihm suchen. Nicht Gespenster sind romantisch, sondern wenn von ihnen erzählt, aber nicht an sie geglaubt wird. Nicht das Mittelalter ist romantisch, sondern wenn jemand sich vorstellt, es sei von Romantikern bevölkert gewesen.
Dass die Romantik keine Epoche ist, geht schon daraus hervor, dass ihre wichtigsten Werke über weit mehr als fünfzig Jahre streuen. Wer die 1. Symphonie Gustav Mahlers der Spätromantik zurechnet, kann sich einen Epochenbegriff ebenso schenken wie diejenigen, die in Horace Walpoles neugotischen Umbauten an Strawberry Hill von 1747 die ersten romantischen Impulse erkennen wollen. Eine erhebliche Verdichtung von Werken, die als romantisch gelten, ist zwar im Jahrzehnt um 1820 erkennbar. Aber die Abstände zwischen Mary Shelleys "Frankenstein", Stendhals "De l'amour" und Wilhelm Hauffs Märchenalmanachen, dem "Ivanhoe" von Walter Scott und Schuberts "Winterreise" lassen sich nicht in den wenigen Jahren messen, in denen sie entstanden sind.
Was soll es also heißen, jemand einen romantischen Künstler zu nennen? Versuchen wir es umgekehrt, nicht vom Begriff, sondern vom Künstler aus. Wenn irgendjemand einen romantischen Eindruck macht, dann der englische Lyriker John Keats. In einer Londoner Familie großgeworden, die schon in seiner Kindheit um ihn herum wegstarb, wird der 1795 Geborene früh zum Apotheker und Chirurgen ausgebildet. Kaum zwanzig aber, beschließt "der unzufriedenste und ruheloseste Geist, der je in einen für ihn zu kleinen Körper gelegt wurde" (Keats), Dichter zu werden. Als sein langes Gedicht "Endymion" 1818 erscheint, fällt die Kritik über es her. Byron meinte später, an dieser Wunde sei Keats gestorben. Aber das war selbst nur ein romantischer Einfall, Mykobakterien nehmen auf Genies keine Rücksicht.
Außerdem verfasste Keats im Jahr darauf in beispielloser Geschwindigkeit und Intensität jene Gedichte, die ihn berühmt machen sollten, und zahlreiche, die genauso gut sind. Sie handeln von einer Nachtigall und einer Katze, von Robin Hood und einer griechischen Urne, von Melancholie und von den vielen Gründen, weshalb Eva errötete, als sie Adam den Apfel reichte: "There's a blush for won't, and a blush for shan't / And a blush for having done it / There's a blush for thought and a blush for naught, / And a blush for just begun it."
Weit entfernt also, der Waldeinsamkeit oder dem Mittelalter zu frönen, war Keats vor allem ein Wortvirtuose, in dessen Seele sich Witz und das Bedürfnis, anbetungswürdige Dinge zu finden, einen produktiven Kampf lieferten. Der zeitweise Rückzug aus der Großstadt war ihm nur ein Mittel, in Ruhe arbeiten zu können. Stets verband der Lyriker ein fast goldschmiedhaftes Gespür für die wirkungsvolle einzelne Gedichtzeile oder das überraschende Verspaar mit einer immensen Sehnsucht nach Schönheit als dem Schlüssel zu allem.
Jetzt liegt erstmals auf Deutsch sein erster Wurf, "Endymion", vor, zweisprachig in fabelhafter Übersetzung. Das Gedicht handelt von einem griechischen Schäfer, in den sich die Göttin des Mondes so sehr verliebt, dass sie ihn auf einen Berg entführt, um fünfzig Kinder mit ihm zu zeugen. In mehr als viertausend Versen wird die Vorgeschichte dieser Mesalliance erzählt. Eine trunkene Gemeinschaft wird beschworen, die tröstliche Schönheit der Natur, die Liebe, die mehr sei "als Mischen heißen Atems", nämlich Gegenwart des Überirdischen in der Welt, "a sort of oneness", eine Art Einheit. "Worin liegt Glück?" lautet eine der Schlüsselzeilen, und die Antwort von Keats: "Wo willigen Gemütern / Gemeinschaft winkt, das göttliche Vereinen / Gemeinschaft mit Essenz - bis das wir scheinen, / ganz aufgelöst, und frei von Raum". Ganz aufgelöst, "full alchimiz'd" heißt es im Original und "fellowship with essence".
Es ist eine duftende, flüssige, würzige Natur, aus der die Krankheiten weggedacht sind, eine Gemeinschaft, die nur zärtlich ist, obschon sie Angst in Form von Ehrfurcht und auch Bösewichte kennt. Im Entwurf ihrer Bilder geht es Keats für Menschen darum, "to shake Ambition from their memories", aus den Erinnerungen den Willen zur Größe herauszufiltern. Womöglich ist das eine der besten Bestimmungen des romantischen Geistes. Es ist jedenfalls eine sehr englische, insofern ihr jegliches Wehleid fehlt.
Die sprachliche Sinnenfreude hingegen ist groß. Keats' Verse laufen schier über vor Kraft. Rinder werden mit "nachts geschwollenen Pilzen" verglichen. Von Erdbeeren heißt es, die sommerliche Kühle ihres Kriechens durch das Beet sei zu loben. Es ist eine "irre Welt der silbernen Verzauberung", in der die Dinge "sternig" sind, das Bett ist eine "Seeschaum-Wiege", und selbst triste Orte sind wundervoll trist und voller Erwartung, weil Göttinnen sich jungen Männern mit "heiklen Seligkeiten" und den "zart milchigsten Vollkommenheiten" (milky sovereignties) zuwenden.
Alles ist dabei gleichzeitig, Endymion redet von Pan und Luzifer und gegen die englischen Konservativen, "gebläht von Selbstlob" und gestützt auf "ein Glück aus Holz". Die griechischen Götter haben römische Namen, Behemoth und Leviathan sind dem Panhellenen geläufig, der Schäfer reitet auf einem Araber, und er ruft höhere Mächte an, "die ewig Tag erschufen für Griechenland und England". Wenn's der Schönheitsfindung diente, fand Keats, ist alles erlaubt, weil ihr Medium, die Dichtung, Traum und Rausch verwandt ist. Von seiner Verserzählung ist es nicht weit zu "Lucy in the Sky with Diamonds". Der Klang des Namens, so Keats ganz am Anfang, habe ihn zu Endymion geführt. Folgerichtig bewegt sich das Gedicht oft von Ton zu Ton mehr als von Sinn zu Sinn. Es gehört zur Romantik, der Musik die Führung unter allen Künsten einzuräumen.
Die Traumreise des Schäfers ohne Schafe führt ihn entsprechend überallhin, ohne dass die Erzählung im engeren Sinn von zentraler Bedeutung wäre: Das Reisen selbst ist das Ziel. Von der Hexe Kirke ("O vulture-witch") wird berichtet und von der griechischen Unterwelt, ja es wird sogar ein Unterwassergott, Glaukos, wiederbelebt. Fast möchte man sagen, dass Keats nicht auf Tiefe, sondern auf Weite zielt und weniger mit der Seele sucht, als nach einer Erotik strebt, die sich an nahezu allem entzünden kann. Vom Mond heißt es an einer Stelle allerdings, sein Glanz sei während der Schäferstunde im engeren Sinne "an under-passion to this hour", "für ein Stündchen Nebenleidenschaft". Wer in vergleichbarem Sinne Gedichte zu seinen Unterpassionen zählt, wird hier durch den Dichter, seinen Übersetzer Mirko Bonné und den Autor des schönen Vorworts, Jan Wagner, mit mehr als einer Stunde beschenkt.
John Keats: "Endymion". Eine poetische Romanze. Englisch/Deutsch.
Aus dem Englischen und mit Anmerkungen von Mirko Bonné. Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2018. 280 S., geb., 32,- [Euro].
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