Die vorliegende Studie fragt nach der Verbindung von Epoché und Alterität. Um die existen-tielle Erfahrung zutage zu fördern, die dem Epoché-Vollzug zugrunde liegt, wird in Anleh-nung an die eidetische Variation und die Einfühlung eine Methode entwickelt, die aus dem Durchlaufen von sechs Beispielen besteht: die Epoché in der antiken Skepsis, die Praxis von Samatha und Vipassana und das Erlebnis des Erwachens (bodhi) im Buddhismus, die Nach-denklichkeit bei Hans Blumenberg, die Epoché bei Edmund Husserl, die Epoché bei Natalie Depraz, Pierre Vermersch und Franciso Varela und die Epoché bei Hans Rainer Sepp. Nach diesem Durchlauf zeigen sich die Beispiele als Varianten einer Geste, wobei zwischen dieser und der Alterität eine enge Verbindung hervortritt: In der Begegnung mit radikaler Andersar- tigkeit liegt das auslösende Moment der Epoché und diese ermöglicht eine besondere Haltung gegenüber der Alterität. Zur weiteren Vertiefung werden in Anlehnung an die Oikologie Sepps die leibliche Verortung der menschlichen Existenz und ihr grundsätzliches Verhältnis zur Alterität im Lichte des Epo-ché-Geschehens analysiert. Thematisch wird hier die Alterität als Andersartigkeit des Undurchdringlichen, mit dem die menschliche Existenz konfrontiert ist, als eigene Andersartig-keit, als Andersartigkeit des Anderen und, im Hinblick auf das religiöse Erlebnis als Form der Epoché, als Andersartigkeit des absolut Anderen. Im Anschluss an Emmanuel Lévinas’ Kon-zept des Antlitzes wird abschließend das protoethische Potential der Epoché als Weg in eine enthaltende Haltung aufgezeigt. Denn die Praxis der Epoché ermöglicht es, dem Anderen zu begegnen, ohne ihn zu assimilieren oder sich selbst anzupassen und im Anderen zu verlieren oder sich schlicht in sich selbst zurückzuziehen.