This is the first study in German concerning the role of the British Royal Navy in the general European expansion abroad during the 18th and 19th centuries. In the early years of the 19th century the Royal Navy was a major force on all seas. It served not only as an instrument of conducting maritime warfare, but also had the responsibility of turning the wilderness of Tasmania into a veritable garden as well as teaching the pirates of Malaysia the merits of agriculture. This was all part of a global maritime strategy that served as the basis for Great Britain´s imperial goal to maintain world power. Julia Angster describes here not only the military background, but also touches on the civil and political history of the Royal Navy and its role in the non-European world of its time.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Recht boshaft, welche Anekdote Daniel Damler hier aus Julia Angsters "sehr lesenswerter und gut lesbarer" Geschichte der Royal Navy von 1770 bis 1860 für seine Rezension ausgewählt hat. Die Navy trug ihren Teil dazu bei, die Welt nach britischem Muster zu zivilisieren, erzählt Damler, und das mussten auch die Griechen erfahren, die Anfang des 19. Jahrhunderts fröhlich britische Handelsschiffe kaperten, während die Navy ihnen die Türken vom Hals hielt. Die Navy beendete dieses Treiben 1928 und überließ die weitere Zivilisierung Griechenlands dem Deutschen Otto von Wittelsbach. Damler lobt die Darstellung zeitgenössischer Überlegungen zur Rechts- und Ordnungspolitik. Zwei Dinge hätte er sich aber am Ende noch gewünscht: Einen Blick auf die Rückwirkung außereuropäischer Zivilisationen auf Britannien und die Einbeziehung ausgezeichneter aktueller Studien, statt französischer Theoretiker aus den siebziger Jahren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2012Wissen ist Seemacht
Mit seinen Schiffen eroberte Großbritannien die Weltherrschaft. Eine glänzende Studie von Julia Angster erklärt jetzt die globale Wirkung derRoyal Navy
Vor zweihundert Jahren führten Großbritannien und die Vereinigten Staaten Krieg gegeneinander. Es war bereits ihr zweiter Waffengang. Nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges 1783 riefen die jungen USA 1812 erneut zu den Waffen. Anlass waren Übergriffe der Royal Navy auf amerikanische Schiffe. Auf offener See wurden Tausende Amerikaner gefangen genommen und zum Dienst in der britischen Marine gezwungen. Zudem erlitt Amerikas Europahandel hohe Verluste durch Großbritanniens Kampf gegen Napoleons Frankreich: Die Briten stoppten Kauffahrer neutraler Staaten, alle Waren mit vermutetem Ziel Paris wurden konfisziert.
Woher nahm sich Großbritannien das Recht, den freien Welthandel zu unterbinden? Nach der Lektüre der klug komponierten und glänzend geschriebenen Studie von Julia Angster zur Bedeutung der Royal Navy für die globale Ordnung im Zeitraum zwischen Amerikas Unabhängigkeitskampf und Bürgerkrieg könnte die Antwort lauten: Es war die Macht des Faktischen. Denn damals begann für Großbritannien eine Epoche, in der es zur größten Macht, ja zur einzigen Weltmacht aufsteigen sollte. Es war die Phase des sogenannten Second British Empire, das sich nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien 1783 herausbildete und bis zum Beginn der 1860er Jahre Bestand hatte, ehe es vom allmählich aufziehenden Zeitalter des Hochimperialismus abgelöst wurde.
In gewisser Weise nahm das britische Empire in jener Epoche eine Entwicklung vorweg, die sich heute im „pazifischen Jahrhundert“ der USA zu wiederholen scheint, wenn auch unter gänzlich anderen politischen Vorzeichen. Wie im 20. Jahrhundert die Vereinigten Staaten hatte bereits das im 16. Jahrhundert entstandene erste britische Empire sein Zentrum im Atlantik, mit den nordamerikanischen Kolonien als angelsächsischem Siedlungsraum und der Karibik als wirtschaftlichem Motor. Diese räumliche Zentrierung sieht Angster, die in Kassel die Geschichte Großbritanniens und Nordamerikas lehrt, seit den 1780er Jahren aber verloren gehen. Nach ihrer Analyse wandelte sich das britische Empire in mehrfacher Hinsicht: Es öffnete und verlagerte sich räumlich, mit einem neuen Schwerpunkt in Indien und Südostasien, ohne dabei aber den Atlantikhandel aufzugeben. Im Gegenteil: Nur kurze Zeit nach ihrem Unabhängigkeitskampf nahmen die nordamerikanischen Staaten wieder eine bedeutende Rolle in der britischen Handelsbilanz ein. Zugleich beobachtet Angster eine Wandlung im Charakter des Empires. Vielschichtiger und komplexer erschien es nun, denn neben den Siedlungskolonien in Kanada, New South Wales, Südafrika und der karibischen Plantagenwirtschaft erhielt Indien zunehmend Bedeutung.
Was heute in Bezug auf die USA „Soft Power“ genannt wird, findet Angster bereits in ähnlicher Weise im Second British Empire, wo die Wirtschaft nach ihrem Urteil keineswegs die wichtigste oder alleinige Rolle spielte, wie ältere Forschungen noch betonten. Auch territoriale Herrschaft sei nicht das wesentliche Merkmal dieser Phase britischer Politik eines „informal Empire“ gewesen. Die Vormachtstellung Großbritanniens im außereuropäischen Raum beruhte nach Angsters Untersuchung nur zum Teil auf formaler staatlicher oder militärischer Herrschaft über fremde Territorien. Vielmehr basierte dieses informelle, zweite Empire auf „weicheren“ Formen der Machtausübung. Hierzu zählt Angster Handelsbeziehungen und Finanzströme, Netzwerke von Wegen und Stützpunkten, Kommunikationsverbindungen und Einflusssphären, in denen Händler, Finanziers, Konsuln, Missionare und Marineoffiziere die wesentlichen Akteure, staatliche und gesellschaftliche Kräfte also parallel oder gemeinsam aktiv waren. Hinzu kamen der ungehinderte Zugang zu allen Weltgegenden, die Möglichkeit der Präsenz vor Ort und die Fähigkeit, Einfluss auf Verhältnisse zu nehmen, die nicht in den unmittelbaren eigenen Herrschaftsbereich fielen.
Wesentliches Instrument dieser Form von Herrschaft war die Royal Navy – nicht zuletzt als Akteur einer umfassenden maritimen Ordnungspolitik und als global agierende Regierungsbehörde. Durch sie gewann die britische Hegemonie die Fähigkeit, die Weltmeere als Werte- und Rechtsraum zu ordnen und damit liberale, angelsächsische Ordnungsvorstellungen zu universalisieren.
Somit bezeichnet auch Angster die Royal Navy als wichtigstes außen- und machtpolitisches Instrument der briti-schen Regierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Seit ihrem Sieg über die französische und spanische Flotte bei Trafalgar im Oktober 1805 prägten die hölzernen Segelschiffe der Royal Navy auch die internationalen Beziehungen. Für die britische Weltmachtstellung in dieser Epoche spielte Seemacht eine zentrale Rolle, wobei Angster über die klassische Definition hinausgeht. Für sie brauchte es für ein informelles Empire, das zu großen Teilen nicht aus staatlich kontrollierten Gebieten bestand, mehr als eine in Bewaffnung und Größe überlegene Kriegsflotte, die den Zugang zu Territorien und Handelswegen sichern und große Armeen jederzeit in eigene oder fremde Gegenden transportieren konnte. Darüber hinaus waren Kartographen, Seeleute und Händler von Nöten, die das Empire vom Meer her dachten und somit über die Vorstellung eines globalen Zugangs, Handlungsspielraums und entsprechender Verantwortung Großbritanniens verfügten.
Zwar waren Interventionen im Staatensystem und die Durchsetzung politi-scher Ziele gegenüber anderen Ländern ein ganz wesentliches Aufgabenfeld und damit eine Zweckbestimmung der Royal Navy. Aber Angster bringt durch eine genaue Betrachtung des konkreten Handelns der britischen Marine im Pazifik, in Ozeanien, im Indischen Ozean, in Südostasien und in den arktischen Gewässern eine weitere Ebene der Machtpolitik im Sinne von „Soft Power“ unterhalb des Staatensystems zum Vorschein. Hier waren die Adressaten keine Staaten. Das Ziel waren weder Verträge, Bündnisse noch der Erwerb von Territorien. Und die Mittel waren nicht militärischer Natur. Diese Form von Machtpolitik lief parallel zur „normalen“ britischen Außenpolitik, war unauffälliger, jedoch, so Angsters Bewertung, nicht weniger effektiv für die Errichtung der britischen Weltmachtstellung im 19. Jahrhundert. Und sie diente weder ausschließlich noch unmittelbar der Wirtschaftspolitik und dem Welthandel Großbritanniens.
So zählten nach Angsters Auswertung zu den Aufgaben der Royal Navy zwischen 1780 und 1860 auch regelmäßige Erkundungsfahrten im Dienste der Kartographie, der Naturkunde und der Ethnologie. Daraus entstand eine langfristige und umfangreiche Zusammenarbeit zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Kräften, vor allem aus dem Bereich der Wissenschaft. Damit erhielten Experten aus Landwirtschaft, Naturkunde, Kartographie und Geographie eine neue Rolle als Berater der Politik im Inland wie im Empire. Dabei erwies sich Wissen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts als so bedeutend für die europäische Übersee-Expansion, dass es zum Gegenstand der Großmachtkonkurrenz wurde. Mehr noch als Handelsmonopole und territoriale Besitzungen allein schien es der Nation, die es besaß, eine Weltmachtstellung zu ermöglichen.
Vor allem Frankreich und Großbritannien wetteiferten bis zur endgültigen Niederlage Napoleons bei Waterloo 1815 um die naturkundliche und kartographische Erfassung der Welt. Auch hier war Großbritannien nach Angsters Erkenntnissen durch den Ausgang der Napoleonischen Kriege und die Überlegenheit der britischen Marine den anderen europäischen Mächten bis Mitte des 19. Jahrhunderts weit voraus. Erst die United States Navy, die sich bereits im Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812 als technisch überlegener und oftmals siegreicher Gegner der Royal Navy gezeigt hatte, sollte ihre weltbeherrschende Rolle im Zweiten Weltkrieg übernehmen. An die einst ruhmreichen Zeiten der britischen Seemacht erinnern aber immer noch Flottenparaden der heute durch Budgetkürzungen stark dezimierten Marine. Umso größer scheint allerdings die öffentliche Aufmerksamkeit – wie jüngst bei der festlichen Bootsparade auf der Themse zum 60. Thronjubiläum von Königin Elizabeth II.
THOMAS SPECKMANN
JULIA ANGSTER: Erdbeeren und Piraten. Die Royal Navy und die Ordnung der Welt 1770-1860. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2012. 345 Seiten, 62,95 Euro.
Die „Soft Power“ der USA heute
findet Julia Angster bereits
im Second British Empire
Frankreich und Großbritannien
wetteiferten um die naturkundliche
Erfassung der Welt
Die volle Power der glorreichen britischen Marine – 200-Jahr-Feier der Schlacht von Trafalgar am 28. Juni 2005 in Portsmouth Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images
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Mit seinen Schiffen eroberte Großbritannien die Weltherrschaft. Eine glänzende Studie von Julia Angster erklärt jetzt die globale Wirkung derRoyal Navy
Vor zweihundert Jahren führten Großbritannien und die Vereinigten Staaten Krieg gegeneinander. Es war bereits ihr zweiter Waffengang. Nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges 1783 riefen die jungen USA 1812 erneut zu den Waffen. Anlass waren Übergriffe der Royal Navy auf amerikanische Schiffe. Auf offener See wurden Tausende Amerikaner gefangen genommen und zum Dienst in der britischen Marine gezwungen. Zudem erlitt Amerikas Europahandel hohe Verluste durch Großbritanniens Kampf gegen Napoleons Frankreich: Die Briten stoppten Kauffahrer neutraler Staaten, alle Waren mit vermutetem Ziel Paris wurden konfisziert.
Woher nahm sich Großbritannien das Recht, den freien Welthandel zu unterbinden? Nach der Lektüre der klug komponierten und glänzend geschriebenen Studie von Julia Angster zur Bedeutung der Royal Navy für die globale Ordnung im Zeitraum zwischen Amerikas Unabhängigkeitskampf und Bürgerkrieg könnte die Antwort lauten: Es war die Macht des Faktischen. Denn damals begann für Großbritannien eine Epoche, in der es zur größten Macht, ja zur einzigen Weltmacht aufsteigen sollte. Es war die Phase des sogenannten Second British Empire, das sich nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien 1783 herausbildete und bis zum Beginn der 1860er Jahre Bestand hatte, ehe es vom allmählich aufziehenden Zeitalter des Hochimperialismus abgelöst wurde.
In gewisser Weise nahm das britische Empire in jener Epoche eine Entwicklung vorweg, die sich heute im „pazifischen Jahrhundert“ der USA zu wiederholen scheint, wenn auch unter gänzlich anderen politischen Vorzeichen. Wie im 20. Jahrhundert die Vereinigten Staaten hatte bereits das im 16. Jahrhundert entstandene erste britische Empire sein Zentrum im Atlantik, mit den nordamerikanischen Kolonien als angelsächsischem Siedlungsraum und der Karibik als wirtschaftlichem Motor. Diese räumliche Zentrierung sieht Angster, die in Kassel die Geschichte Großbritanniens und Nordamerikas lehrt, seit den 1780er Jahren aber verloren gehen. Nach ihrer Analyse wandelte sich das britische Empire in mehrfacher Hinsicht: Es öffnete und verlagerte sich räumlich, mit einem neuen Schwerpunkt in Indien und Südostasien, ohne dabei aber den Atlantikhandel aufzugeben. Im Gegenteil: Nur kurze Zeit nach ihrem Unabhängigkeitskampf nahmen die nordamerikanischen Staaten wieder eine bedeutende Rolle in der britischen Handelsbilanz ein. Zugleich beobachtet Angster eine Wandlung im Charakter des Empires. Vielschichtiger und komplexer erschien es nun, denn neben den Siedlungskolonien in Kanada, New South Wales, Südafrika und der karibischen Plantagenwirtschaft erhielt Indien zunehmend Bedeutung.
Was heute in Bezug auf die USA „Soft Power“ genannt wird, findet Angster bereits in ähnlicher Weise im Second British Empire, wo die Wirtschaft nach ihrem Urteil keineswegs die wichtigste oder alleinige Rolle spielte, wie ältere Forschungen noch betonten. Auch territoriale Herrschaft sei nicht das wesentliche Merkmal dieser Phase britischer Politik eines „informal Empire“ gewesen. Die Vormachtstellung Großbritanniens im außereuropäischen Raum beruhte nach Angsters Untersuchung nur zum Teil auf formaler staatlicher oder militärischer Herrschaft über fremde Territorien. Vielmehr basierte dieses informelle, zweite Empire auf „weicheren“ Formen der Machtausübung. Hierzu zählt Angster Handelsbeziehungen und Finanzströme, Netzwerke von Wegen und Stützpunkten, Kommunikationsverbindungen und Einflusssphären, in denen Händler, Finanziers, Konsuln, Missionare und Marineoffiziere die wesentlichen Akteure, staatliche und gesellschaftliche Kräfte also parallel oder gemeinsam aktiv waren. Hinzu kamen der ungehinderte Zugang zu allen Weltgegenden, die Möglichkeit der Präsenz vor Ort und die Fähigkeit, Einfluss auf Verhältnisse zu nehmen, die nicht in den unmittelbaren eigenen Herrschaftsbereich fielen.
Wesentliches Instrument dieser Form von Herrschaft war die Royal Navy – nicht zuletzt als Akteur einer umfassenden maritimen Ordnungspolitik und als global agierende Regierungsbehörde. Durch sie gewann die britische Hegemonie die Fähigkeit, die Weltmeere als Werte- und Rechtsraum zu ordnen und damit liberale, angelsächsische Ordnungsvorstellungen zu universalisieren.
Somit bezeichnet auch Angster die Royal Navy als wichtigstes außen- und machtpolitisches Instrument der briti-schen Regierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Seit ihrem Sieg über die französische und spanische Flotte bei Trafalgar im Oktober 1805 prägten die hölzernen Segelschiffe der Royal Navy auch die internationalen Beziehungen. Für die britische Weltmachtstellung in dieser Epoche spielte Seemacht eine zentrale Rolle, wobei Angster über die klassische Definition hinausgeht. Für sie brauchte es für ein informelles Empire, das zu großen Teilen nicht aus staatlich kontrollierten Gebieten bestand, mehr als eine in Bewaffnung und Größe überlegene Kriegsflotte, die den Zugang zu Territorien und Handelswegen sichern und große Armeen jederzeit in eigene oder fremde Gegenden transportieren konnte. Darüber hinaus waren Kartographen, Seeleute und Händler von Nöten, die das Empire vom Meer her dachten und somit über die Vorstellung eines globalen Zugangs, Handlungsspielraums und entsprechender Verantwortung Großbritanniens verfügten.
Zwar waren Interventionen im Staatensystem und die Durchsetzung politi-scher Ziele gegenüber anderen Ländern ein ganz wesentliches Aufgabenfeld und damit eine Zweckbestimmung der Royal Navy. Aber Angster bringt durch eine genaue Betrachtung des konkreten Handelns der britischen Marine im Pazifik, in Ozeanien, im Indischen Ozean, in Südostasien und in den arktischen Gewässern eine weitere Ebene der Machtpolitik im Sinne von „Soft Power“ unterhalb des Staatensystems zum Vorschein. Hier waren die Adressaten keine Staaten. Das Ziel waren weder Verträge, Bündnisse noch der Erwerb von Territorien. Und die Mittel waren nicht militärischer Natur. Diese Form von Machtpolitik lief parallel zur „normalen“ britischen Außenpolitik, war unauffälliger, jedoch, so Angsters Bewertung, nicht weniger effektiv für die Errichtung der britischen Weltmachtstellung im 19. Jahrhundert. Und sie diente weder ausschließlich noch unmittelbar der Wirtschaftspolitik und dem Welthandel Großbritanniens.
So zählten nach Angsters Auswertung zu den Aufgaben der Royal Navy zwischen 1780 und 1860 auch regelmäßige Erkundungsfahrten im Dienste der Kartographie, der Naturkunde und der Ethnologie. Daraus entstand eine langfristige und umfangreiche Zusammenarbeit zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Kräften, vor allem aus dem Bereich der Wissenschaft. Damit erhielten Experten aus Landwirtschaft, Naturkunde, Kartographie und Geographie eine neue Rolle als Berater der Politik im Inland wie im Empire. Dabei erwies sich Wissen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts als so bedeutend für die europäische Übersee-Expansion, dass es zum Gegenstand der Großmachtkonkurrenz wurde. Mehr noch als Handelsmonopole und territoriale Besitzungen allein schien es der Nation, die es besaß, eine Weltmachtstellung zu ermöglichen.
Vor allem Frankreich und Großbritannien wetteiferten bis zur endgültigen Niederlage Napoleons bei Waterloo 1815 um die naturkundliche und kartographische Erfassung der Welt. Auch hier war Großbritannien nach Angsters Erkenntnissen durch den Ausgang der Napoleonischen Kriege und die Überlegenheit der britischen Marine den anderen europäischen Mächten bis Mitte des 19. Jahrhunderts weit voraus. Erst die United States Navy, die sich bereits im Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812 als technisch überlegener und oftmals siegreicher Gegner der Royal Navy gezeigt hatte, sollte ihre weltbeherrschende Rolle im Zweiten Weltkrieg übernehmen. An die einst ruhmreichen Zeiten der britischen Seemacht erinnern aber immer noch Flottenparaden der heute durch Budgetkürzungen stark dezimierten Marine. Umso größer scheint allerdings die öffentliche Aufmerksamkeit – wie jüngst bei der festlichen Bootsparade auf der Themse zum 60. Thronjubiläum von Königin Elizabeth II.
THOMAS SPECKMANN
JULIA ANGSTER: Erdbeeren und Piraten. Die Royal Navy und die Ordnung der Welt 1770-1860. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2012. 345 Seiten, 62,95 Euro.
Die „Soft Power“ der USA heute
findet Julia Angster bereits
im Second British Empire
Frankreich und Großbritannien
wetteiferten um die naturkundliche
Erfassung der Welt
Die volle Power der glorreichen britischen Marine – 200-Jahr-Feier der Schlacht von Trafalgar am 28. Juni 2005 in Portsmouth Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images
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