This is the first comprehensive study on the life and works of Erich Maschke, an NS historian who had a second career following World War II. This life and works of the historian Erich Maschke (1900-1982) were marked by many of the wars, crises, changes and schisms that Germany itself experienced in the 20th century. Maschke was a researcher of Eastern Europe and a historian for the Nazi regime in Königsberg (Kaliningrad), Jena and Leipzig. After returning from a long time in captivity as a POW in the USSR, he moved to Heidelberg where he became one of the pioneers of the social history of that medieval city. This volume illuminates the relationship between history and politics as one of the constants in Maschke´s works and influence. The author describes one of rare cases of a successful second career in the field of history.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2017Gegen den Osten immer auf Posten
Wie sich der Historiker Erich Maschke vor und nach 1945 der Politik andiente
Historiker werden zunehmend zum Gegenstand (zeit)historischer biographischer Untersuchungen. Der 1982 gestorbene Erich Maschke war Ostforscher und Mediävist. Thematische Schwerpunkte seiner Arbeit waren: völkisches Denken und "deutscher Osten", Deutscher Ritterorden und mittelalterliche Stadtgeschichte; später dann Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs. Es liegt insofern nahe, der im Untertitel des Buches formulierten Leitfrage nach der Verflechtung von Wissenschaft und politischem Engagement in dieser Gelehrtenbiographie nachzugehen. Sie war im wörtlichen und übertragenen Sinne ziemlich abenteuerlich.
Hier soll vor allem Maschkes Rolle als Ostforscher interessieren. Die erste Phase seines wissenschaftlichen Lebens begann in Königsberg als Schüler und zeitweiliger Assistent von Hans Rothfels, dem späteren renommierten Tübinger Zeithistoriker, der als Jude 1938 in die Emigration gezwungen wurde. In diesen Jahren zeigt Maschkes Biographie viele Parallelen zu den vor allem seit dem Frankfurter Historikertag 1998 ins Visier der politischen Kritik geratenen Vätern der westdeutschen Sozialgeschichte Theodor Schieder und Werner Conze (erst mit Verspätung kam auch Hermann Aubin dazu).
Es war das jugendbewegt-völkische, nationalistische, antislawische und zum Teil auch antisemitisch geprägte Grenzlandmilieu, das politische Aktivitäten und Publikationen dieser jungen Historiker wesentlich mitbestimmte. Für Maschke spielten die bündische Zeitschrift "Weißer Ritter" und die Gruppe der "Neupfadfinder" eine erhebliche Rolle, in deren Vorstellungswelt Reich und Volksgemeinschaft, Führer und Gefolgschaft zentrale Begriffe waren. Aus diesem Milieu ergaben sich die Nähe zum Nationalsozialismus, die Ausrichtung an der "Volksgeschichte", aber auch der Bruch mit einigen Traditionen des Historismus. Insofern baute er auch Brücken zur späteren Sozialgeschichte in der Bundesrepublik.
Nimmt man allein die für die dreißiger und vierziger Jahre in Barbara Schneiders Buch wiedergegebenen Zitate aus seinen Schriften und Briefen, so war Maschke ohne Frage ein überzeugter Nationalsozialist, als Parteimitglied und als Schulungsleiter, aber auch als Historiker. So versuchte er als Mediävist, die Geschichte der Staufer mit rassischen Kategorien zu interpretieren. Auch wenn er nach seinem Wechsel an die Universität Jena (1935) und seiner kurzen Soldatenzeit in Polen 1939/40 keine herausgehobenen politischen Posten hatte, gibt es an seiner damaligen Einstellung kaum Zweifel. "Die Einschätzung drängt sich geradezu auf", konstatiert die Autorin, "dass er sich der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik bereitwillig zur Verfügung stellte". Sein besonderes publizistisches Interesse galt dem durch die NS-Politik buchstäblich "grenzenlos" gewordenen "deutschen Osten", in dem Juden und Slawen gewissermaßen Störfaktoren für die historisch und rassisch begründete und legitimierte deutsche Herrschaft bildeten.
Maschke wurde 1945 als Professor an der Universität Leipzig, an die er als Nachfolger von Hermann Heimpel 1942 berufen worden war, von den einrückenden amerikanischen Truppen nicht weiter behelligt, von den Sowjets dann aber verhaftet, zunächst ins Speziallager Mühlberg gesteckt und 1946 in die Sowjetunion deportiert, wo er insgesamt acht verschiedene Kriegsgefangenenlager erleben musste. In den politischen Massenprozessen von 1949/50 wurde er zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt, konnte nach Stalins Tod aber 1953 nach Deutschland zurückkehren und begann seine zweite Karriere. Mit der in der Bundesrepublik schnell wieder aufblühenden Ostforschung hatte er nun keine enge Verbindung mehr, bemühte sich aber offenbar nicht ohne Erfolg um wissenschaftliche Kontakte nach Polen und um Verbindungen zu französischen Historikern der Annales-Schule. Seit der Rückkehr aus der Gefangenschaft und der mühsamen Wiedereingliederung ins Universitätsleben mit Schützenhilfe früherer Kollegen und Freunde aus Königsberg (ab 1956 hatte er einen Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Heidelberg) kam eine neue Tätigkeit als Herausgeber der 22-bändigen Kriegsgefangenen-Dokumentation auf ihn zu.
Dass er als Leiter der 1957 vom Vertriebenenministerium unter Theodor Oberländer geschaffenen Historischen Kommission für die deutschen Kriegsgefangenen in die jüngste Zeitgeschichte geriet, war wohl eher einem Zufall geschuldet, weil sich die Suche nach einem Nachfolger für den plötzlich verstorbenen ersten Leiter und Osteuropahistorikers Hans Koch schwierig gestaltete. Dieser im abschließenden Kapitel des Buches dargestellte Teil ist insofern besonders spannend, weil er die Hintergründe dieses zeithistorischen Großprojekts und der wahrhaft bizarren politischen Hindernisse der Veröffentlichung dieser Bände aufzuhellen versucht. Es dauerte schließlich bis 1975, bis die meist längst gedruckten Bände generell vom Bundestag freigegeben wurden und das frühere "Wunschkind des Kalten Krieges" in Bibliotheken und Buchhandlungen verfügbar wurde. In der Kartei der Bibliothek des Bundestages soll noch bis 1995 der Vermerk zu finden gewesen sein "Nur für den Dienstgebrauch".
Barbara Schneider kann sich auf ein umfangreiches gedrucktes und archivalisches Material stützen. Es geht ihr nicht um eine klassische Biographie nach dem Muster "Lebensbild", sondern primär um die wissenschaftlichen und politischen Linien. Das außerordentlich materialreiche Buch lässt sich als wichtiger Beitrag zur durchaus verworrenen Disziplingeschichte von Teilen der Mediävistik und der Ostforschung lesen. Es befriedigt allerdings wegen sprachlicher Unebenheiten und etlicher Redundanzen nicht immer. Zudem sind die Urteile der Autorin über ihren "Helden" häufig merkwürdig unentschieden. Dazu gehört auch, dass die Auseinandersetzung eines belasteten Ostforschers mit seiner eigenen Lebensgeschichte, die zugleich ein dramatisches Stück deutscher Zeitgeschichte repräsentierte, letztlich allzu kurz kommt.
CHRISTOPH KLESSMANN
Barbara Schneider: Erich Maschke. Im Beziehungsgeflecht von Politik und Geschichtswissenschaft. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016. 391 S., 70,- [Euro].
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Wie sich der Historiker Erich Maschke vor und nach 1945 der Politik andiente
Historiker werden zunehmend zum Gegenstand (zeit)historischer biographischer Untersuchungen. Der 1982 gestorbene Erich Maschke war Ostforscher und Mediävist. Thematische Schwerpunkte seiner Arbeit waren: völkisches Denken und "deutscher Osten", Deutscher Ritterorden und mittelalterliche Stadtgeschichte; später dann Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs. Es liegt insofern nahe, der im Untertitel des Buches formulierten Leitfrage nach der Verflechtung von Wissenschaft und politischem Engagement in dieser Gelehrtenbiographie nachzugehen. Sie war im wörtlichen und übertragenen Sinne ziemlich abenteuerlich.
Hier soll vor allem Maschkes Rolle als Ostforscher interessieren. Die erste Phase seines wissenschaftlichen Lebens begann in Königsberg als Schüler und zeitweiliger Assistent von Hans Rothfels, dem späteren renommierten Tübinger Zeithistoriker, der als Jude 1938 in die Emigration gezwungen wurde. In diesen Jahren zeigt Maschkes Biographie viele Parallelen zu den vor allem seit dem Frankfurter Historikertag 1998 ins Visier der politischen Kritik geratenen Vätern der westdeutschen Sozialgeschichte Theodor Schieder und Werner Conze (erst mit Verspätung kam auch Hermann Aubin dazu).
Es war das jugendbewegt-völkische, nationalistische, antislawische und zum Teil auch antisemitisch geprägte Grenzlandmilieu, das politische Aktivitäten und Publikationen dieser jungen Historiker wesentlich mitbestimmte. Für Maschke spielten die bündische Zeitschrift "Weißer Ritter" und die Gruppe der "Neupfadfinder" eine erhebliche Rolle, in deren Vorstellungswelt Reich und Volksgemeinschaft, Führer und Gefolgschaft zentrale Begriffe waren. Aus diesem Milieu ergaben sich die Nähe zum Nationalsozialismus, die Ausrichtung an der "Volksgeschichte", aber auch der Bruch mit einigen Traditionen des Historismus. Insofern baute er auch Brücken zur späteren Sozialgeschichte in der Bundesrepublik.
Nimmt man allein die für die dreißiger und vierziger Jahre in Barbara Schneiders Buch wiedergegebenen Zitate aus seinen Schriften und Briefen, so war Maschke ohne Frage ein überzeugter Nationalsozialist, als Parteimitglied und als Schulungsleiter, aber auch als Historiker. So versuchte er als Mediävist, die Geschichte der Staufer mit rassischen Kategorien zu interpretieren. Auch wenn er nach seinem Wechsel an die Universität Jena (1935) und seiner kurzen Soldatenzeit in Polen 1939/40 keine herausgehobenen politischen Posten hatte, gibt es an seiner damaligen Einstellung kaum Zweifel. "Die Einschätzung drängt sich geradezu auf", konstatiert die Autorin, "dass er sich der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik bereitwillig zur Verfügung stellte". Sein besonderes publizistisches Interesse galt dem durch die NS-Politik buchstäblich "grenzenlos" gewordenen "deutschen Osten", in dem Juden und Slawen gewissermaßen Störfaktoren für die historisch und rassisch begründete und legitimierte deutsche Herrschaft bildeten.
Maschke wurde 1945 als Professor an der Universität Leipzig, an die er als Nachfolger von Hermann Heimpel 1942 berufen worden war, von den einrückenden amerikanischen Truppen nicht weiter behelligt, von den Sowjets dann aber verhaftet, zunächst ins Speziallager Mühlberg gesteckt und 1946 in die Sowjetunion deportiert, wo er insgesamt acht verschiedene Kriegsgefangenenlager erleben musste. In den politischen Massenprozessen von 1949/50 wurde er zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt, konnte nach Stalins Tod aber 1953 nach Deutschland zurückkehren und begann seine zweite Karriere. Mit der in der Bundesrepublik schnell wieder aufblühenden Ostforschung hatte er nun keine enge Verbindung mehr, bemühte sich aber offenbar nicht ohne Erfolg um wissenschaftliche Kontakte nach Polen und um Verbindungen zu französischen Historikern der Annales-Schule. Seit der Rückkehr aus der Gefangenschaft und der mühsamen Wiedereingliederung ins Universitätsleben mit Schützenhilfe früherer Kollegen und Freunde aus Königsberg (ab 1956 hatte er einen Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Heidelberg) kam eine neue Tätigkeit als Herausgeber der 22-bändigen Kriegsgefangenen-Dokumentation auf ihn zu.
Dass er als Leiter der 1957 vom Vertriebenenministerium unter Theodor Oberländer geschaffenen Historischen Kommission für die deutschen Kriegsgefangenen in die jüngste Zeitgeschichte geriet, war wohl eher einem Zufall geschuldet, weil sich die Suche nach einem Nachfolger für den plötzlich verstorbenen ersten Leiter und Osteuropahistorikers Hans Koch schwierig gestaltete. Dieser im abschließenden Kapitel des Buches dargestellte Teil ist insofern besonders spannend, weil er die Hintergründe dieses zeithistorischen Großprojekts und der wahrhaft bizarren politischen Hindernisse der Veröffentlichung dieser Bände aufzuhellen versucht. Es dauerte schließlich bis 1975, bis die meist längst gedruckten Bände generell vom Bundestag freigegeben wurden und das frühere "Wunschkind des Kalten Krieges" in Bibliotheken und Buchhandlungen verfügbar wurde. In der Kartei der Bibliothek des Bundestages soll noch bis 1995 der Vermerk zu finden gewesen sein "Nur für den Dienstgebrauch".
Barbara Schneider kann sich auf ein umfangreiches gedrucktes und archivalisches Material stützen. Es geht ihr nicht um eine klassische Biographie nach dem Muster "Lebensbild", sondern primär um die wissenschaftlichen und politischen Linien. Das außerordentlich materialreiche Buch lässt sich als wichtiger Beitrag zur durchaus verworrenen Disziplingeschichte von Teilen der Mediävistik und der Ostforschung lesen. Es befriedigt allerdings wegen sprachlicher Unebenheiten und etlicher Redundanzen nicht immer. Zudem sind die Urteile der Autorin über ihren "Helden" häufig merkwürdig unentschieden. Dazu gehört auch, dass die Auseinandersetzung eines belasteten Ostforschers mit seiner eigenen Lebensgeschichte, die zugleich ein dramatisches Stück deutscher Zeitgeschichte repräsentierte, letztlich allzu kurz kommt.
CHRISTOPH KLESSMANN
Barbara Schneider: Erich Maschke. Im Beziehungsgeflecht von Politik und Geschichtswissenschaft. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016. 391 S., 70,- [Euro].
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